Kommentar
In dem Verfahren ging es um die Frage, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als Vorgründungsgesellschaft einer noch zu gründenden Aktiengesellschaft fungierte und dabei Wirtschaftsgüter anschaffte, die sie im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG auf die zur Gründung der Aktiengesellschaft dienende Vorgesellschaft übertrug, unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig wurde und für die von ihr angeschafften Gegenstände den Vorsteuerabzug (Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie) geltend machen kann.
Der EuGH hat diese Frage bejaht. Nach der Entscheidung ist die Vorgründungsgesellschaft als Unternehmer anzusehen, weil sie Gegenstände für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat.
Nach Randziffer 28 der Urteilsgründe hängt die Unternehmereigenschaft nicht davon ab, dass die Klägerin selbst mit diesen Gegenständen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. "Für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit" kann auch die Tätigkeit eines anderen Unternehmers (hier: der Vorgesellschaft bzw. der später zu gründenden Aktiengesellschaft) sein.
Die Unternehmereigenschaft richtet sich ausschließlich nach Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie. Sie kann nicht deshalb verneint werden, weil die Klägerin im Streitfall ausschließlich einen nicht steuerbaren Umsatz i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG ausgeführt hat.
Obwohl die Klägerin selbst keine besteuerten Umsätze i.S.v. Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ausführt, steht ihr der Vorsteuerabzug zu. Der EuGH hebt hier wiederum auf den Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer ab. Obwohl die Klägerin anders als im Sachverhalt in dem EuGH-Urteil v. 22.2.2001, C-408/98 (Abbey National) nicht einmal die Absicht hatte, selbst steuerbare Umsätze auszuführen, steht ihr der Vorsteuerabzug zu; denn sie hat Leistungen zur Durchführung von steuerbaren Umsätzen (der späteren AG) in Anspruch genommen. Offensichtlich kommt es wie bei der Unternehmereigenschaft auch beim Vorsteuerabzug nicht auf die Identität des die Leistung einkaufenden und des mit der Leistung Umsätze tätigenden Unternehmers an. Allerdings wird der Umfang des Vorsteuerabzugsrechts - anders als in der Rechtssache Abbey National - (dort richtete sich der Umfang des Vorsteuerabzugs aus den Kosten der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nach der von dem Übertragenden ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit insgesamt) - nach den Verhältnissen beim Übertragungsempfänger, d.h. der später zu gründenden Aktiengesellschaft bestimmt. Wenn diese gemischte (sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie) Umsätze erzielt, wäre der Vorsteuerabzug bei der Vorgründungsgesellschaft entsprechend aufzuteilen.
Aus dem Urteil kann m.E. auch gefolgert werden, dass Leistungsbezüge von Personengesellschaftern für Zwecke ihrer Gesellschaft die Gesellschafter zum Vorsteuerabzug berechtigen, auch wenn nicht diese, sondern die Gesellschaft mit den erworbenen Gütern oder Dienstleistungen Umsätze ausführen. Insoweit dürfte es auch hier nicht mehr auf die Nämlichkeit des Leistungsempfängers ankommen.
Klägerin: Faxworld Vorgründungsgesellschaft Peter Hünninghausen und Wolfgang Klein GbR
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-137/02