Leitsatz
1. Die Unterscheidung zwischen § 14 Abs. 2 UStG und § 14 Abs. 3 UStG hat insoweit keine Bedeutung mehr, als
- nur die geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbar ist (BFH, Urteil vom 2.4.1998, V R 34/97, BStBl II 1998, 695) und
- eine unrichtig oder zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist (BFH, Urteil vom 22.3.2001, V R 11/98, BFHE 194, 528, BFH/NV 2001, 1088).
2. Hat der leistende Unternehmer in einer Endrechnung die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 5 UStG 1980/§ 14 Abs. 1 Satz 7 UStG 1991 abgesetzt, ist die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar.
Normenkette
§ 15 Abs.1 Nr.1 UStG , § 14 Abs. 2 UStG , § 14 Abs. 3 UStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte Leistungen für die Errichtung eines Gebäudes bezogen und Anzahlungen geleistet, die bereits in Abschlagsrechnungen abgerechnet worden waren. Die dort ausgewiesene Umsatzsteuer hatte der Kläger bereits – zu Recht – als Vorsteuer geltend gemacht. Versehentlich hatte sein Lieferant in der Endrechnung die Teilentgelte und die Steuer nicht abgesetzt. Dennoch machte der Kläger den gesamten Betrag als Vorsteuer geltend mit der Begründung, wenn der Leistende die Umsatzsteuer bezahlen müsse, dürfe er sie auch abziehen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte FA und FG. Abziehbar ist die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer nur dann, wenn und soweit ihr ein steuerpflichtiger Umsatz zugrunde liegt.
Hinweis
Nach richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs.1 Nr.1 UStG darf als Vorsteuer nur die für einen Umsatz geschuldete Steuer abgezogen werden. Es ist deshalb für den Vorsteuerabzug ohne Bedeutung, ob die Steuer (nur) zu hoch ausgewiesen oder ob sie unberechtigt ausgewiesen wurde. Nach richtlinienkonformer Auslegung darf aber auch jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden, wenn die Gefährdung des Steueranspruchs beseitigt ist.
Da bei den in § 14 Abs. 2 und Abs. 3 geregelten Sachverhalten des unzutreffenden Umsatzsteuerausweises beide Absätze zu denselben Rechtsfolgen führen, besteht für eine Unterscheidung kein Anlass mehr. Dies deutlich zu machen war auch ein Grund für die Veröffentlichung der Entscheidung. Da das BMF mit der Umsetzung der Richtlinie und den Entscheidungen des EuGH bzw. des BFH Schwierigkeiten hat, und die für Steuerpflichtige günstigen Entscheidungen z.T. nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden, ist es wichtig, dass Sie selbst die neueren Umsatzsteuerentscheidungen kennen.
Die andere entscheidungserhebliche Frage der Besprechungsentscheidung hätte keiner Veröffentlichung bedurft. Dass der Leistungsempfänger, der Anzahlungen geleistet hat und die darauf entfallende Steuer bereits als Vorsteuer abgezogen hat, diese nicht nochmals geltend machen kann, wenn der Leistende versehentlich vergisst, die Anzahlungen bei der Endrechnung abzusetzen, ist unschwer anhand des Gesetzes zu ermitteln. Da hilft auch der "Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer", auf den sich der Kläger berufen hatte, nicht weiter, denn der besagt insbesondere nicht, dass jede ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden darf.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.4.2002, V R 26/01