Leitsatz
Die Beherbergung und Verköstigung von Jugendlichen für ca. eine Woche in einem Urlaubsaufenthalt mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung erfüllt die in § 4 Nr. 23 UStG 1993 und 1999 vorausgesetzte "Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken" nicht.
Normenkette
§ 4 Nr. 23 UStG 1993/1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb (1999) einen Ferienbauernhof. Das mit umfangreichen Freizeitmöglichkeiten angereicherte Angebot richtete sich an Betreuer und Betreuerinnen von Schulen, Kindergärten und anderen Kindergruppen, an alleinreisende Kinder sowie an Kinder, die mit ihren Eltern verreisen. Die Aufenthaltsdauer betrug durchschnittlich zwischen fünf Tagen und einer Woche.
Das FA versagte die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG 1999. Das FG gab der Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 09.09.2005, 5 K 70/02, Haufe-Index 1454507, EFG 2005, 1975).
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück.
§ 4 Nr. 23 UStG setzt die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der 6. EG-RL: Befreiung für eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen) nicht hinreichend um. Handelt es sich um eine "anerkannte Einrichtung", kann sich der Unternehmer darauf berufen. Eine Anerkennung könnte sich z.B. aus der Übernahme der Kosten für die Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit ergeben. Die Befreiung setzt aber weiter voraus, dass der Steuerfreiheit nicht der Wettbewerbsvorbehalt des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL entgegensteht. Hierzu fehlten Feststellungen des FG.
Hinweis
§ 4 Nr. 23 S. 1 UStG setzt eine "Aufnahme bei sich" für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke voraus. Die auf der Neufassung des UStG (1952) beruhende Vorschrift sollte die bereits bestehende USt-Begünstigung erweitern; sie sollte auch Schullandheimen und ähnlichen Einrichtungen und damit umfassend Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und -ausbildung zugute kommen.
Eine bestimmte Aufnahmedauer ist zwar nicht vorgesehen; es genügt, wenn die Aufnahme solange andauert, dass der im Gesetz vorausgesetzte Erziehungszweck erreicht werden kann. Das kann zwar auch bei einer regelmäßigen Schülerbetreuung an allen Schultagen in der Arbeits- und Freizeit vorliegen. Abzugrenzen ist die Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken jedoch von Leistungen der Beherbergung und Verköstigung während eines kurzfristigen Urlaubsaufenthalts mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung.
Ob – bei Kindergärten, Kindertagesstätten und Kinderheimen – eine Aufnahmedauer von mindestens einem Monat für die Annahme eines Erziehungszwecks reicht (so Abschn. 117 Abs. 4 S. 4 UStR), ließ der BFH offen. Die Beherbergung und Verköstigung von Jugendlichen für ca. eine Woche in einem Urlaubsaufenthalt mit Freizeitangebot und -gestaltung erfüllt die im Gesetz vorausgesetzte "Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken" jedenfalls nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.07.2008 – V R 66/06