Leitsatz
Es wird nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:
Sind Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 208 i.V.m. Art. 210 AEUV dahingehend auszulegen, dass sie einer einzelstaatlichen Verwaltungspraxis entgegenstehen, nach der ein Steuerverzicht nicht in Fällen ausgesprochen wird, in denen ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit durch den Europäischen Entwicklungsfonds finanziert wird, während unter bestimmten Voraussetzungen auf die Besteuerung des Arbeitslohns verzichtet wird, den der Arbeitnehmer aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit erzielt, die zu mindestens 75 % durch ein für die Entwicklungszusammenarbeit zuständiges Bundesministerium oder aber durch eine staatseigene private Entwicklungshilfegesellschaft finanziert wird?
Normenkette
§ 34c Abs. 5 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 4 Abs. 4, Art. 208 Abs. 1 Satz 2, Art. 210 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEUV
Sachverhalt
Die Klägerin war zwischen 2009 bis 2012 bei der Entwicklungshilfegesellschaft A mbH (GmbH) mit Sitz in Deutschland nichtselbstständig als Projektleiterin beschäftigt. Sie arbeitete aufgrund eines projektbefristeten Anstellungsvertrags im Rahmen der Micro-Projects-Programme in Afrika. Dabei handelte es sich um ein – ganz oder teilweise – mit Mitteln der EU (Europäischer Entwicklungsfonds), jedenfalls nicht durch Deutschland finanziertes Projekt.
Wohnort und Lebensmittelpunkt der Klägerin waren in dieser Zeit in Deutschland, der Beschäftigungsort lag in Afrika. Einem Antrag des Arbeitgebers auf Freistellung des Arbeitslohns nach dem sog. Auslandstätigkeitserlass – ATE – (BMF, Schreiben vom 31.10.1983, BStBl I 1983, 470) für die Zeit vom 12.4.2009 bis 11.4.2011 war durch das FA Z stattgegeben worden. Der Arbeitgeber hatte für die Streitjahre 2011 und 2012 keine LSt von dem Arbeitslohn der Klägerin einbehalten und abgeführt. In Afrika war ebenfalls keine Versteuerung des Arbeitslohns der Klägerin erfolgt.
Im Rahmen einer LSt-Außenprüfung bei der GmbH wurde festgestellt, dass das Projekt nicht durch den Bund oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, sondern durch den Europäischen Entwicklungsfonds finanziert worden ist.
Das FA unterwarf deshalb den Arbeitslohn der Klägerin der ESt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Köln, Urteil vom 22.3.2018, 7 K 585/15, Haufe-Index 12067400, EFG 2018, 1748).
Entscheidung
Der BFH setzte das auf Revision der Klägerin eingeleitete Verfahren durch Beschluss aus und legte die Sache dem EuGH zur Beantwortung der eingangs genannten Frage vor.
Hinweis
1. Die zu kommentierende Anfrage an den EuGH ist für Steuerpflichtige, die im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe berufstätig sind, von erheblicher Bedeutung. Denn Entwicklungshilfeprojekte werden immer häufiger mischfinanziert (zwischen EU und einzelnen Mitgliedstaaten), während die inländischen Steuerregeln auf inländisch finanzierte Vorhaben zugeschnitten sind. Unionsrechtlich könnte darin ein Problem liegen, das der I. Senat des BFH mit dem Vorlagebeschluss an den EuGH adressiert hat.
2. Im Streitfall führt die Anwendung der inländischen Steuerregelungen dazu, dass der Arbeitslohn der Leiterin eines vom Europäischen Entwicklungsfonds finanzierten Entwicklungshilfeprojekts in Afrika voll steuerpflichtig ist und insbesondere nicht nach dem auf § 34c Abs. 5 EStG beruhenden ATE (Auslandstätigkeitserlass) freigestellt werden kann. Der Grund liegt schlicht darin, dass die Finanzverwaltung in Abschnitt I Nr. 4 des ATE im Ergebnis allein eine Steuerfreistellung im Zusammenhang mit deutschen (also inländisch finanzierten) Entwicklungshilfeprojekten vorsieht. Das steht in Übereinstimmung mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung des § 34c Abs. 5 EStG (Förderung der deutschen Außenwirtschaft) und ist für sich genommen auch unmittelbar einleuchtend: Warum sollte der deutsche Gesetzgeber zulasten des deutschen Steueraufkommens z.B. französische oder norwegische Entwicklungshilfeprojekte steuerlich begünstigen? Im Vorlagebeschluss geht der BFH auf diesen Aspekt unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG noch näher ein.
3. Da mithin nach nationalen Maßstäben EU-finanzierte Entwicklungshilfeprojekte nicht vom ATE begünstigt werden, stellt sich die Frage, ob damit nicht das in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Gebot der loyalen Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten – hier: auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe – verletzt wird. Der BFH hält dies zwar für eher fernliegend, aber auch nicht für derart zweifelsfrei, dass er als letztinstanzlich zuständiges nationales Gericht befugt gewesen wäre, von einer Vorlage an den EuGH abzusehen.
4. Dass der BFH einen Verstoß gegen Unionsrecht eher als fernliegend erachtet, folgt im Wesentlichen aus zwei Gründen:
a) Zum einen bedarf das allgemeine Gebot der loyalen Zusammenarbeit der ...