Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Die Ausgabe von verbilligten Flugtickets, die dem Fluggast kein Rücktrittsrecht einräumen, führt zu einer Leistung besonderer Art. Die Leistung erschöpft sich nicht ausschließlich in einem Luftbeförderungsvertrag.
Sachverhalt
Ein Lufttransportunternehmen veräußerte verbilligte Tickets an seine Kunden. Den Kunden wurde damit angeboten, sie zu einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Flugstrecke zu befördern. Nach den Beförderungsbedingungen waren kein Rücktritt von diesem Vertrag und auch keine kostenlose Umbuchung möglich. Die Reservierung wurde für den jeweiligen Kunden bis eine halbe Stunde vor dem Abflug aufrecht erhalten. Nahm der Kunde den Flug nicht in Anspruch, erhielt er den Flugpreis nicht zurück. Nach Ansicht des Finanzamts lag auch im Hinblick auf die verfallenen Flugtickets ein umsatzsteuerbarer (und umsatzsteuerpflichtiger) Leistungsaustausch vor. Das Lufttransportunternehmen hatte diese Einnahmen als nicht umsatzsteuerbaren Schadensersatz behandelt.
Entscheidung
Die Klage wurde vom Finanzgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die von den Kunden auf die Rechnungen geleisteten Zahlungen stellen danach keine Entschädigungszahlungen dar. Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Lufttransportunternehmen und seinen Kunden wäre ein Vertrag besonderer Art und nicht etwa ausschließlich ein Luftbeförderungsvertrag. Das Unternehmen schuldete zwar auch einen bestimmten Beförderungserfolg (und zwar den Flug von A nach B), gleichwohl erschöpfe sich der zu Sonderkonditionen abgeschlossene Vertrag nicht in einer bloßen Beförderung, sondern sei entscheidend modifiziert worden. Danach hatten die Kunden, denen angesichts des günstigen Preises kein Rücktrittsrecht eingeräumt wurde, das im Voraus entrichtete Entgelt (Fluggebühren) auch dann zu bezahlen, wenn sie nicht mindestens 30 Minuten vor Abflug am Abflugschalter erschienen waren. Vor diesem Hintergrund hätte der Kunde die Zahlung letztlich auch dafür geleistet, dass ihm vertraglich die Möglichkeit eingeräumt worden ist, am durchgeführten Flug teilzunehmen. Dass der Fluggast nicht nur für die Beförderung, sondern für eine Leistung besonderer Art bezahlt habe, belege auch der Umstand, dass Einzelkunden mehrere Flüge zu verschiedenen Uhrzeiten ohne Rücktrittsmöglichkeit buchen konnten, obwohl sie letztlich nur in der Lage waren, höchstens einen Flug wahrzunehmen. Hieraus werde deutlich, dass der Kunde den Flugpreis auch dafür entrichtet hat, dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, je nach Bedarf den einen oder anderen Flug tatsächlich in Anspruch zu nehmen. In diesen Fällen fehle es weder an einem Zusammenhang der Zahlung mit der Leistung noch an einem Vorteil des Leistungsempfängers.
Der Umsatzsteuer unterliegen damit sowohl die Einnahmen aus den nicht in Anspruch genommenen Tickets im Zusammenhang mit den Inlandsflügen wie auch den Auslandsflügen, da die vom Unternehmen erbrachten Leistungen im Inland ausgeführt wurden (§ 3a Abs. 1 UStG). Der Ort bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG (Sitzort des Leistenden), weil sich die Leistung nicht in der bloßen Beförderung der Kunden (vgl. § 3b Abs. 1 UStG) erschöpft hat.
Hinweis
Das Finanzgericht hat sich insbesondere mit der EuGH-Entscheidung vom 18.7.2007 (Rs. C - 277/05) auseinander gesetzt. In diesem Urteil hat der EuGH dargelegt, dass die von einem Gast auf eine Zimmerbuchung geleistete Anzahlung eine pauschalierte Entschädigung und keine Gegenleistung für eine Reservierung darstellt, wenn sich der Gast von der Vereinbarung löst. In diesem Fall ist die Einbehaltung der Anzahlung die Folge der Ausübung einer dem Gast eröffneten Rücktrittsmöglichkeit und dient dem Hotelbetreiber als Entschädigung nach dem Rücktritt. Eine solche Entschädigung stellt kein Entgelt für eine Dienstleistung dar.
Im vorliegenden Fall stellt das Finanzgericht allerdings entscheidend darauf ab, dass die Vertragsbeziehungen gerade nicht beendet wurden, weil sich der Fluggast mangels Rücktrittsrecht nicht vom Vertrag lösen konnte. Infolge dessen habe das Luftfahrtunternehmen in Erfüllung seiner bestehenden vertraglichen Verpflichtung eine abflugbereite Maschine zum vereinbarten Abflugtermin und einen Sitzplatz bis 30 Minuten vor Abflug bereit gestellt, damit der Fluggast die Möglichkeit hat, seine gewünschte Beförderung in Anspruch zu nehmen. Dieses Ergebnis entspreche, so das Finanzgericht, auch dem BFH-Urteil vom 28.11.2002 (V R 18/01) und dem EuGH-Urteil vom 21.3.2002 (Rs. C -174/00). Auch danach sei es für einen Leistungsaustausch ausreichend, dass eine bloße Nutzungsmöglichkeit (z.B. für eine Sportanlage) vertraglich eingeräumt wird, unabhängig davon, ob der Gegenstand oder die Anlage tatsächlich genutzt wird.
Offenbar ist das FG-Urteil die erste Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung verfallener Flugtickets. Das Ergebnis ist m.E. abzulehnen. Die Abgrenzung des hier vorliegenden "Flugzeugreservierungs-Falls" gegenüber dem vom EuGH entschiedenen "Hotelreservierungs-Fall" ist nur schwer vermittelbar. In der Bereitha...