Leitsatz
1. Die Übernahme von 60 % des Stammkapitals einer Körperschaft anlässlich einer Kapitalerhöhung steht einer entsprechenden Anteilsübertragung i.S.v. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 gleich.
2. Werden die Anteile an einer GmbH anlässlich einer Kapitalerhöhung von einer KG übernommen, an der die übrigen Gesellschafter der GmbH mittelbar im letztlich selben Verhältnis beteiligt sind, liegt ein schädlicher Anteilseignerwechsel i.S.v. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1996 vor (Bestätigung des Senatsurteils vom 20.08.2003, I R 81/02, BFH/NV 2004, 295, BFH/PR 2004, 62).
3. § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 i.V.m. § 54 Abs. 6 S. 2 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997, nunmehr § 34 Abs. 6 S. 2 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000, wirkt nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurück.
Normenkette
§ 8 Abs. 4, § 54 Abs. 6 S. 2 KStG 1996 n.F., Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine 1991 gegründete GmbH, die zunächst in der Baubranche tätig war. Anteilseigner waren fünf Gesellschafter zu jeweils 20 %.
Am 07.02.1997 wurde das Stammkapital der Klägerin um 600 000 DM erhöht. Die Klägerin stellte das bisherige Baugeschäft ein und entließ die überwiegende Zahl an Mitarbeitern. Durch Sacheinlage wurde ihr ca. 900 000 DM neues Betriebsvermögen zugeführt, das bisherige Betriebsvermögen wurde veräußert und der Geschäftsführer abbestellt. Gegenstand des Unternehmens war nunmehr eine Betätigung mit kommunikationstechnischen Anlagen.
Die neuen Anteile wurden von einer KG, der KG I, durch Sacheinlage eines Teilbetriebs übernommen. Die Beteiligungen der bisherigen fünf Gesellschafter verringerten sich dadurch auf je 8 %. Die KG I übernahm 60 % der Stammeinlage. An ihr war als persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH, die GmbH II, mit 250 000 DM und als Kommanditistin eine weitere KG, die KG II, mit 4,75 Mio. DM beteiligt. Gesellschafter der KG II waren als Komplementärin eine dritte GmbH, die GmbH III, mit 4 % sowie als Kommanditisten die fünf Gesellschafter der Klägerin zu 18,89 % bzw. zu 20 %.
Der zum 30.06.1996 vorhandene verbleibende Verlustvortrag war auf den 31.12.1996 und auf den 31.12.1997 festgestellt worden. Für das Streitjahr 1998 ließ das FA den hiernach verbleibenden Verlustvortrag unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (KStG 1996 n.F.), § 10a S. 4 GewStG 1991 und Tz. 28 des dazu ergangenen BMF-Schreibens vom 16.04.1999 (BStBl I 1999, 455) wegen Verlusts der wirtschaftlichen Identität nicht zum Abzug zu und stellte den verbleibenden Verlustvortrag sowie den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1998 jeweils auf 0 fest.
Die anschließende Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Außensenat Stuttgart, Urteil vom 26.07.2001, 6 K 358/00, Haufe-Index 644710, EFG 2002, 863).
Entscheidung
Der BFH stimmte dem FG bei:
Die Kapitalerhöhung sei "identitätsvernichtend", weil sie einer schädlichen Anteilsveräußerung i.S.d. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1996 n.F. gleichstehe. Dass auf der "2. Ebene" die Anteilsverhältnisse an der bisher und an der nunmehr unmittelbar beteiligten KG letztlich gleich geblieben waren, ändere nichts; es komme für § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1996 n.F. allein auf die Veränderung auf der "1. Beteiligungsstufe" an.
Und eine verfassungswidrige Rückwirkung der Neuregelungen scheide ebenfalls aus: Bei Missbrauchsverhinderungsnormen sei eine "nachbessernde" Regelungsverschärfung stets zu gewärtigen.
Hinweis
1. Einmal mehr (s. auch in diesem Heft auf S. 150) ging es um die sog. Mantelkaufregelung in § 8 Abs. 4 KStG. Durch das "alte" Aktenzeichen der Revisionssache wird dabei bezeugt: Der Fall hat lange Zeit "unbearbeitet" geruht. Ruhensgrund waren die seinerzeitigen Vorlagebeschlüsse des BFH an das BVerfG vom 18.07.2001, I R 38/99 (BFH/NV 2002, 148, BFH/PR 2002, 77) und vom 22.08.2006, I R 25/06 (BFH/NV 2006, 2376, BFH/PR 2007, 24), durch die ein Verfassungsverstoß gegen den sog. Parlamentsvorbehalt zur Überprüfung gestellt worden war.
Nachdem das BVerfG hat wissen lassen, dass ein Verfassungsverstoß zwar vorliege, dass dem Gesetzgeber wegen damals (noch) fehlender Evidenz des Verstoßes aber Vertrauensschutz einzuräumen sei (BVerfG, Urteil vom 15.01.2008, 2 BvL 12/01, BFH/NV Beilage 2008, 248, BFH/PR 2008, 232; s. jetzt aber auch den neuerlichen Vorlagebeschluss des BFH vom 27.08.2008, I R 33/05, BFH/NV 2009, 89, BFH/PR 2009, 56), blieb nichts anderes übrig, als das Verfahren wiederaufzunehmen und fortzuführen.
2. Nunmehr ist die Endentscheidung ergangen. Der BFH hat die Revision der klagenden GmbH zurückgewiesen.
Er tut das aus den in den ersten beiden Leitsätzen ersichtlichen zwei "einfachgesetzlichen" Gründen. Beide betreffen die in dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1996 n.F. aufgef...