Leitsatz
1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger von seinem 85 Jahre alten Vater ein Grundstück und ist – neben der Einräumung typischer Altenteilsleistungen – "als Gegenleistung" ein "restlicher Kaufpreis" in Höhe von 122.500 DM in monatlichen Raten von 500 DM zu zahlen, der beim Tod des Vaters als dem Steuerpflichtigen "schenkweise unter Anrechnung auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht zugewendet" wird, ist die bei Vermögensübertragungen von Eltern auf Kinder geltende Vermutung für die Unentgeltlichkeit und damit für eine private Versorgungsrente nicht widerlegt.
2. Auf die Frage, ob diese Gestaltung einen Missbrauch von Gestaltungsrechten des Rechts darstellt, kommt es nicht an.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG , § 10e EStG
Sachverhalt
Im Dezember 1993 übertrug der damals 85 Jahre alte Vater (V) des Klägers diesem ein gemischt genutztes Grundstück mit einem Wohnhaus und einer Garage. Von der Gesamtwohnfläche des Hauses (149 qm) bewohnte V 49 qm, während die Familie des Klägers den übrigen Teil nutzte. Der Kläger hatte schon vor der Übertragung – seit 1975 – für Sanierungsarbeiten an den Gebäuden rd. 100.000 DM aufgewendet.
Im Übergabevertrag behielt sich V ein lebenslängliches Wohnrecht an den von ihm schon bisher genutzten Wohnräumen vor. Der Kläger übernahm zwei zur Sicherung eigener (betrieblicher) Schulden eingetragene Grundschulden. Überdies vereinbarten die Vertragsparteien einen "Kaufpreis" in Höhe von 250.000 DM, der wie folgt "belegt" wurde: 100.000 DM sollten durch die vom Kläger auf dem Grundstück getätigten Investitionen abgegolten sein. Weitere 27.500 DM waren dadurch zu erbringen, dass V ein Altenteilsrecht eingeräumt wurde. Danach konnte V vom Kläger verlangen, in "alten und kranken Tagen" gepflegt und betreut zu werden. Der "Restkaufpreis" von 122.500 DM war zinslos – beginnend mit dem 1.1.1994 – in monatlichen Raten von 500 DM zu begleichen. Sollte der "Restkaufpreis" beim Tod des V noch nicht vollständig gezahlt sein, sollte er dem Kläger schenkweise unter Anrechnung auf seinen Erb- und Pflichtteil zugewendet werden.
Das Finanzamt versagte die vom Kläger begehrten Steuervergünstigungen nach §§ 10e, 34 f. EStG mit dem Hinweis, dass der Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben habe. Es erkannte allerdings die vom Kläger nachgewiesenen monatlichen Zahlungen in Höhe von 500 DM als dauernde Last i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG an. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Entscheidung
Das FG habe zutreffend entschieden, dass der Kläger das Grundstück nicht entgeltlich erworben habe. Die vereinbarten "Kaufpreisraten" seien als lebenslängliche Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu qualifizieren. Sie hätten mit dem Tod des V wegfallen sollen. Dies sei unabhängig davon anzunehmen, dass die Vertragschließenden fiktive Kaufpreisraten konstruiert hätten, die als dem Kläger unter Anrechnung auf seinen Erb- und Pflichtteilsanspruch "zugewendet" gelten sollten. Dies bedeute der Sache nach nichts anderes, als dass im Umfang des noch nicht entrichteten sog. restlichen Kaufpreises der Wert der lebzeitigen Schenkung bei der Erbauseinandersetzung hätte angerechnet werden sollen (§§ 2250 ff., 2315 BGB). Dieser Auslegung stehe nicht entgegen, dass die Vertragsparteien auf eine entgeltliche Veräußerung hindeutende Begriffe wie "Kaufpreis" und "Käufer – Verkäufer" verwendet hätten.
Zudem sei das dem V eingeräumte Altenteilsrecht mit dem Anspruch auf Pflege und Betreuung typisch für einen Versorgungsvertrag. Das von V bei der Übergabe vorbehaltene Wohnrecht habe den Wert des übertragenen Grundstücks von vorneherein gemindert. Auch die übrigen von den Vertragschließenden als Bestandteile eines "Kaufpreises" vereinbarten Leistungen des Klägers (Übernahme der Grundschulden; vor der Übernahme vorgenommene Grundstücksinvestitionen) führten nicht zu Anschaffungskosten.
Hinweis
Der Streitfall betrifft das Problem der Abgrenzung zwischen der entgeltlichen bzw. teilentgeltlichen Übertragung von Vermögen von Eltern auf Kinder und der – im spezifisch steuerrechtlichen Sinn als unentgeltlich zu qualifizierenden – Übertragung von Vermögen gegen Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a und § 22 EStG. Übertragen Eltern Vermögen gegen Rente auf ihre Kinder, wird widerlegbar vermutet, dass Leistung und Gegenleistung nicht wie unter Fremden gegeneinander abgewogen werden, sondern dass die Rente – unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens – nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen ist (ständige Rechtsprechung; grundlegend: BFH, Beschluss vom 5.7.1990, GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847, unter C.I.).
Ein Anhaltspunkt für eine unentgeltliche Vermögensübertragung liegt vor, wenn der Übernehmer aufgrund besonderer, vor allem familiärer Beziehungen zum Übergeber ein persönliches Interesse an der lebenslangen angemessenen Versorgung des Übergebers hat (BFH, Urteil vom 16.12.1997, IX R 11/94, BStBl II 1998, 718). Andererse...