Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Die Vereinbarung einer Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn des Geschäftsinhabers gilt im Zweifel auch für seine Beteiligung am Verlust.
2. Ist der stille Gesellschafter am Verlust des Geschäftsinhabers beteiligt, ist ihm der Verlustanteil steuerrechtlich nicht nur bis zum Verbrauch seiner Einlage, sondern auch in Höhe seines negativen Einlagekontos zuzurechnen. Spätere Gewinne sind zunächst mit den auf diesem Konto ausgewiesenen Verlusten zu verrechnen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG , § 15a EStG , § 231 Abs. 2 Halbsatz 1 HGB , § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB , § 722 Abs. 2 BGB
Sachverhalt
Der Gesellschafter einer GmbH war an dieser auch als typisch stiller Gesellschafter beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag enthielt nur die Bestimmung, dass die Gesellschafter am (Rest-)Gewinn der GmbH "im Verhältnis ihrer Kapitalien" beteiligt sein sollten.
1986 erwirtschaftete die GmbH einen die Einlage des stillen Gesellschafters übersteigenden Verlust (Jahresabschluss 1987 festgestellt). In den folgenden Jahren erzielte die GmbH wieder Gewinne.
Das FA weigerte sich, für den stillen Gesellschafter verrechenbare Verluste festzustellen; eine Verlustbeteiligung über die Einlage hinaus sei nicht vereinbart worden und im Gesetz nicht vorgesehen. Die Gewinne könnten deshalb nicht mit dem Verlust 1986 verrechnet werden; sie seien vielmehr in voller Höhe bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen.
Entscheidung
FG (EFG 2002, 21) und BFH gaben der Klage statt. Der BFH schloss sich dabei der Rechtsprechung des BGH an, dass die Vereinbarung über die Verteilung des Gewinns oder Verlusts im Zweifel auch für den nicht geregelten Ergebnisteil gelte. Daraus folge, dass auch der typisch stille Gesellschafter ein negatives Einlagekonto bilden könne.
Soweit der Verlust zur Bildung eines solchen Kontos führe, sei er nach § 15a EStG gesondert festzustellen und mit evtl. Gewinnen künftiger Jahre zu verrechnen. Das negative Einlagekonto entstehe in dem Jahr, in dem der Jahresabschluss des Geschäftsinhabers festgestellt und der Verlust des stillen Gesellschafters nach § 232 Abs. 1 HGB berechnet werde.
Hinweis
Während die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 15 EStG auf atypisch stille Gesellschafter (§ 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG) inzwischen wohl als abgeschlossen gelten kann (vgl. allgemein zur Innengesellschaft BFH, Urteil vom 5.2.2002, VIII R 31/01, BFH-PR 2002, 285), fehlte es bisher an einer grundsätzlichen Klärung der Rechtsfragen, die die in § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG angeordnete sinngemäße Anwendung des § 15a EStG auf typisch stille Gesellschafter aufwerfen.
Die wichtigste Frage dürfte aber nunmehr geklärt sein: Auch der typisch stille Gesellschafter kann ein negatives Einlagekonto haben (ebenso für die sinngemäße Anwendung des § 15a EStG nach § 21 Abs.1 Satz 2 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung [BFH, Urteil vom 15.10.1996, IX R 72/92, BStBI II 1997, 250]). Damit bestätigt der BFH, dass sich mit der ab 1.1.1980 geltenden Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die Rechtslage gegenüber bisher grundlegend verändert hat: Die die Einlage des typisch stillen Gesellschafters übersteigenden Verluste werden nicht mehr, wie bisher, dem Geschäftsinhaber, sondern dem stillen Gesellschafter zugerechnet.
Diese Zurechnung führt allerdings nicht zu sofort abziehbaren Werbungskosten; sie hat lediglich eine Verrechungsmöglichkeit mit künftigen Gewinnen aus der stillen Beteiligung zur Folge. Zu diesem Zweck ist ein dem negativen Kapitalkonto bei der atypisch stillen Gesellschaft entsprechendes "negatives Einlagekonto" zu bilden. Die Verluste in Höhe dieses negativen Einlagekontos sind nach § 15a Abs. 4 EStG gesondert festzustellen. Fallen beim stillen Gesellschafter künftig Gewinne an, wird dieses Konto gewinnneutral aufgefüllt; Einkünfte aus Kapitalvermögen sind erst wieder zu erfassen, wenn die Gewinne den Betrag des negativen Einlagekontos übersteigen und – regelmäßig – das positive Einlagekonto auffüllen.
Voraussetzung dieser Verrechungsmöglichkeit ist allerdings, dass eine Verlustbeteiligung vereinbart ist. Sollte der Gesellschaftsvertrag insoweit keine ausdrückliche Regelung enthalten, ist er auszulegen. Dabei ist von der Auslegungsregel auszugehen, dass die für die Beteiligung am Gewinn getroffene Regelung entsprechend auch für die Beteiligung am Verlust gilt.
Zu beachten ist auch, dass der Verlustanteil bei der typisch stillen Gesellschaft nicht entsteht, bevor der Jahresabschluss für den Geschäftsinhaber erstellt (festgestellt) und der auf den Gesellschafter entfallende Anteil berechnet ist. Zur Ermittlung des negativen Einlagekontos genügt dies; ist aber noch ein positives Einlagekonto vorhanden, muss zu dieser Berechnung die Abbuchung des Verlustanteils von diesem Konto hinzutreten. Diese Folge beruht auf dem bei den Kapitaleinkünften geltenden Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG). Entsprechend setzt die Verrechung von Gewinnanteilen nach dem Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 EStG) eine Zubuchung auf dem Ein...