Leitsatz
Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 Nummer 1, 5 Abs. 4 Buchst. c, Art. 12 Abs. 3 und 16 Abs. 1 der 6. EG-RL verstoßen, indem es einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die bei der Versteigerung von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten, die im Rahmen der Regelung zur vorübergehenden Verwendung eingeführt wurden, an die Auktionatoren gezahlte Provision angewandt hat.
Normenkette
Art. 2 Nrn. 1 und 2, Art. 5 Abs. 4 Buchst. c, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 Abs. 1 der 6. EG-RL (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5, § 4 Nr. 6 Buchst. c, § 5 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und 2 UStG)
Sachverhalt
Im Vereinigten Königreich werden Kunstgegenstände im Hinblick auf ihre etwaige Versteigerung im Rahmen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von den Eingangsabgaben eingeführt. Wird der Kunstgegenstand nach der Versteigerung endgültig in die Europäische Gemeinschaft eingeführt, so wird die Mehrwertsteuer anhand des bei der Versteigerung erzielten Preises einschließlich der Gewinnspanne des Auktionators berechnet.
Dieser Betrag wird sodann in Anwendung von Art. 11 Teil B Abs. 6 der 6. EG-RL dergestalt herabgesetzt, dass der effektive Steuersatz bei 5 % der anwendbaren Besteuerungsgrundlage liegt. Das hielt die Kommission nicht für zulässig.
Entscheidung
Der EuGH wies den Einwand zurück, dass die Gewinnspanne des Auktionators nach Art. 11 Teil B Abs. 1 und 3 Buchst. b der 6. EG-RL i.V.m. Art. 29 des Zollkodex Teil des Einfuhrwerts sei. Ebenso das Argument des Vereinigten Königreichs, dass Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 der 6. EG-RL eine für die Mitgliedstaaten fakultative Bestimmung sei, während der letzte Unterabs. dieser Bestimmung, der die Verpflichtung enthalte, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, zwingender Natur sei. Die letztgenannte Verpflichtung verlange, dass die Mitgliedstaaten den vom Auktionator ausgeführten Umsatz nicht als inländischen Umsatz behandelten. Die Grundsätze gelten auch für die Auslegung der entsprechenden nationalen Vorschriften.
Hinweis
Die Kernfrage der Besprechungsentscheidung geht dahin, ob die Gewinnspanne des Auktionators bei der Versteigerung von Kunstgegenständen, die im Rahmen der Regelung der vorübergehenden Verwendung eingeführt wurden, als inländischer Umsatz gem. den in Art. 16 Abs. 1 der 6. EG-RL genannten Voraussetzungen zu besteuern ist.
1. In Art. 2 der 6. EG-RL (vgl. § 1 UStG) wird zwischen zwei der Mehrwertsteuer unterliegenden Kategorien von Umsätzen unterschieden, den im Inland ausgeführten Umsätzen und der Einfuhr von Gegenständen. Für Umsätze innerhalb eines Mitgliedstaats ist Steuertatbestand die von einem Steuerpflichtigen als solchem ausgeführte Lieferung eines Gegenstands gegen Entgelt, während bei Einfuhrumsätzen der Steuertatbestand allein darin besteht, dass ein Gegenstand in einen Mitgliedstaat gelangt, unabhängig davon, ob ein Rechtsgeschäft zugrunde liegt, ob die Leistung gegen Entgelt oder unentgeltlich, durch einen Steuerpflichtigen oder eine Privatperson ausgeführt wird (vgl. Rd.Nr. 33).
2. Die 6. EG-RL sieht zwei verschiedene steuerliche Regelungen für die Einfuhr und die Versteigerung von Kunstgegenständen vor. Zum einen ist bei der Einfuhr, die nach Art. 2 Nr. 2 der 6. EG-RL (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) der Mehrwertsteuer unterliegt, gem. Art. 12 Abs. 3 Buchst. c der 6. EG-RL (vgl. § 12 UStG) und, als Ausnahmetatbestand, Art. 11 Teil B Abs. 6 der 6. EG-RL (vgl. § 11 UStG) ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf den Zollwert des eingeführten Gegenstands anzuwenden. Zum anderen haben in Bezug auf die Versteigerung die Bestimmungen von Art. 26a Teil C der 6. EG-RL (vgl. § 25a UStG) u.a. zur Folge, dass die Provision des Auktionators vom Gesamtwert des Gegenstands abgegrenzt wird, wenn er eine Lieferung i.S.v. Art. 5 Abs. 4 Buchst. c der 6. EG-RL (vgl. § 3 Abs. 3 UStG) vornimmt. Die genannte Provision stellt also die Besteuerungsgrundlage für die Versteigerung dar, die zu dem in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL vorgesehenen normalen Satz besteuert wird.
3. Art. 16 Abs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 6 Buchst. c UStG) sieht im Hinblick auf die Regelung in seinem Teil E vor, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Umsätze bei Gegenständen, die der Regelung der vorübergehenden Verwendung unterliegen, von der Mehrwertsteuer befreien können, sofern sie nicht für eine endgültige Verwendung oder einen Endverbrauch bestimmt sind und sofern der beim Verlassen der Regelung geschuldete Mehrwertsteuerbetrag der Höhe der Abgabe entspricht, die bei der Besteuerung dieser Umsätze im Inland geschuldet worden wäre.
Ein Mitgliedstaat, der von der durch Art. 16 Abs. 1 der 6. EG-RL gebotenen Möglichkeit Gebrauch macht und Sondermaßnahmen zur Befreiung der Umsätze in Bezug auf Waren trifft, die unter die Regelungen der vorübergehenden Verwendung fallen, muss allen in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nachkommen. Auch wenn der Zeitpunkt der endgültigen Einfuhr eines Gegenstands, der se...