Leitsatz
1. Betrieblich veranlasste Bewirtungskosten berechtigen unter den allgemeinen Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL (§ 15 Abs. 1 UStG) zum Vorsteuerabzug.
2. Die Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG ist mit Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL nicht vereinbar.
3. Der Steuerpflichtige kann sich auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht berufen.
Normenkette
§ 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG , § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG , Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL , Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Baumanagementunternehmen machte mit der Umsatzsteuererklärung für 1999 vergeblich die auf die – nicht unangemessenen und nachgewiesenen – Bewirtungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge in vollem Umfang geltend. Das FG gab ihm Recht.
Entscheidung
Der BFH gab FG und dem Kläger Recht. Eine Vorlage an den EuGH hielt er nicht für erforderlich. Wenn die gestellte Frage bereits Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen war und der EuGH sie in einer gesicherten Rechtsprechung gelöst hat, kann eine Vorlage entfallen. Dies gilt auch dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind. Ob für den Erlass ihrer eigenen Entscheidung eine Entscheidung des EuGH über eine gemeinschaftsrechtliche Frage erforderlich ist, beurteilen die zur Vorlage verpflichteten Gerichte, deren Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angerufen werden kann – in eigener Zuständigkeit.
Zu betrieblich angefallenen Bewirtungskosten hat der EuGH schon alles Erforderliche gesagt.
Hinweis
Die Beschränkung des Vorsteuerabzugs für Bewirtungskosten im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ab 1.4.1999 ist weitgehend wirkungslos: Das Recht auf Vorsteuerabzug darf wegen seiner Bedeutung für das System der Mehrwertsteuer grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Ausnahmen sind nur zugelassen, wenn sie in der 6. EG-RL selbst vorgesehen sind. Das ist ständige Rechtsprechung des EuGH.
Eine Einschränkung enthält Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL: "Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem In-Kraft-Treten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen A?sgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen. Bis zum In-Kraft-Treten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind."
Bisher hat der Rat nichts entschieden. Erlaubt sind danach (nur) die innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug, die vor dem In-Kraft-Treten der 6. EG-RL galten. Die Mitgliedstaaten dürfen dem Gemeinschaftsgesetzgeber insoweit nicht vorgreifen; Kommissionsvorschläge sind eben nur Vorschläge.
Das UStG 1973 schloss bei In-Kraft-Treten der 6. EG-RL den Vorsteuerabzug für Bewirtungsaufwendungen nicht aus. Der Vorsteuerabzug war zwar kombiniert mit dem Eigenverbrauch und wirkte zwar wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs; die Einschränkung betraf jedoch nur Bewirtungskosten, die "nach der Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind oder soweit ihre Höhe und ihre betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen sind. ...". War das nicht der Fall, gab es keine Einschränkung im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens. Der Steuerpflichtige, dessen Bewirtungskosten weder nach der Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind und der ihre betriebliche Veranlassung nachgewiesen hat, kann sich daher auf die ihm günstigere Richtlinienregelung in Art. 17 der 6. EG-RL berufen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.2.2005, V R 76/03