OFD Niedersachsen, Verfügung v. 15.11.2010, S 0202 - 13 - St 141
1. Form und Nachweis der Vollmacht
Die Vollmacht zur Vertretung im Besteuerungsverfahren kann nicht nur schriftlich oder in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3 AO), sondern auch auf andere Weise erteilt werden. Sie ist für das FA nur dann beachtlich, wenn sie ihm zumindest durch konkludentes Handeln angezeigt wird (BFH-Beschluss vom 4.8.1999, X B 209/98, BFH/NV 2000 S. 163).
Die für Angehörige der steuerberatenden Berufe (§ 3 StBerG) geltende Vermutung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung durch den Steuerpflichtigen (AEAO zu § 80, Nr. 1) gilt auch für Lohnsteuerhilfevereine (§ 4 Nr. 11 StBerG) und andere Einrichtungen i.S. des § 4 StBerG (Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen), soweit diese zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind.
Von der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe kann bereits dann ausgegangen werden, wenn in der Steuererklärung angegeben wurde, dass dieser an der Erstellung der Erklärung mitgewirkt hat.
Im Zweifelsfall ist zu klären, ob eine Vollmacht (noch) besteht. Dies kann z.B. dann geboten sein, wenn in der vom Steuerpflichtigen zuletzt eingereichten Steuererklärung im Gegensatz zu früheren Steuererklärungen eine Mitwirkung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe nicht mehr erkennbar ist.
2. Umfang der Vollmacht
Die Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten zur Vornahme aller Verfahrenshandlungen, soweit der Steuerpflichtige die Vollmacht nicht ausdrücklich eingeschränkt und die Einschränkung dem FA mitgeteilt hat.
Ist dem FA keine ausdrückliche Empfangsvollmacht vorgelegt worden, berechtigt die bloße (Vertretungs-)Vollmacht nach § 80 AO nicht zur Entgegennahme von Steuerverwaltungsakten, da § 122 Abs. 1 Satz 3 AO als „lex specialis” dem § 80 Abs. 3 Satz 1 AO vorgeht. Das Vorliegen einer Empfangsvollmacht kann im Gegensatz zur (Vertretungs-)Vollmacht nicht unterstellt werden.
Hat der Steuerpflichtige dem FA jedoch eine schriftliche Vollmacht vorgelegt, wonach der Bevollmächtigte berechtigt ist, für den Steuerpflichtigen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, so umfasst die Vollmacht auch den Empfang von Steuerbescheiden und sonstigen Verwaltungsakten (BFH-Urteile vom 24.4.1985, I S 1/85, BFH/NV 1986 S. 320, vom 22.7.1987, I R 180,181/84, BFH/NV 1988 S. 274 und vom 23.11.1999, VII R 38/99, BStBl 2001 II S. 463).
Zur Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten an den Bevollmächtigten vgl. AEAO zu § 122, Nr. 1.7.
Eine dem FA vorgelegte, mit der Steuernummer für die laufend veranlagten Steuern versehene Vollmachtsurkunde erstreckt sich nur auf die unter dieser Steuernummer erfassten Steuerarten, nicht dagegen auf sonstige Bereiche wie Einheitsbewertung des Grundvermögens, Grunderwerbsteuer oder Erbschaftsteuer (BFH-Urteil vom 19.10.1994, II R 131/91, BFH/NV 1995 S. 475). Das Gleiche gilt, wenn im Fragebogen zur Gewerbeanmeldung ein Empfangsbevollmächtigter benannt wird; denn dieser Fragebogen bezieht sich ersichtlich (nur) auf die steuerlichen Angelegenheiten, die sich aus der Betriebseröffnung ergeben, d.h. auf die sich daran anschließenden laufend veranlagten Steuern.
Etwas anderes kann gelten, wenn der Steuerpflichtige wegen eines längeren Auslandsaufenthalts einen Empfangsbevollmächtigten bestellt. In diesem Fall ist durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass möglichst alle in Betracht kommenden Arbeitsgebiete des FAs von der Bevollmächtigung Kenntnis erlangen, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Steuerpflichtige in der Vollmachtsurkunde gar keine Steuernummer oder diejenige für die laufend veranlagten Steuern angegeben hat (BFH-Urteil vom 2.10.1986, VII R 58/83, BFH/NV 1987 S. 482).
Eine Vollmacht ermächtigt nicht zum Empfang von Erstattungen oder Vergütungen (§ 80 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AO). Der Bevollmächtigte kann jedoch in anderer Weise über das Guthaben des Steuerpflichtigen verfügen, indem er z.B. namens des Steuerpflichtigen gegenüber dem FA aufrechnet (§ 226 AO). Erstattungen an Bevollmächtigte oder andere Personen sind zulässig, wenn der Steuerpflichtige eine entsprechende Zahlungsanweisung erteilt; das FA ist jedoch nicht zur Zahlung an sie verpflichtet. § 46 AO (Abtretung, Verpfändung, Pfändung) bleibt unberührt.
Bei der Unterzeichnung von Steuererklärungen ist, wenn die Einzelsteuergesetze die eigenhändige Unterschrift vorsehen, eine Vertretung durch Bevollmächtigte nur unter den Voraussetzungen des § 150 Abs. 3 AO zulässig.
3. Beachtung der Vollmacht durch das FA
Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sollen der Schriftwechsel und die Verhandlungen im Besteuerungsverfahren mit ihm geführt werden (§ 80 Abs. 3 Satz 1 AO). Demgemäß ist das FA bei erteilter Vollmacht grundsätzlich gehalten, sich wegen notwendiger Rückfragen und Auskünfte ausschließlich mit dem Bevollmächtigten in Verbindung zu setzen und diesem auch schriftliche Antworten und Mitteilungen auf Anträge, Anfragen, Einwendungen u. dgl. zu übermitteln. So...