Kommentar

Der Vater, der beim Finanzamt erhebliche Steuerschulden hatte, verkaufte seiner Tochter das in seinem Eigentum stehende Grundstück mit notariellem Vertrag zum Kaufpreis von 140 000 DM. Aufgrund der im Kaufvertrag enthaltenen Bewilligung wurde im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung für die Tochter eingetragen, ohne daß jedoch die Auflassung von den Beteiligten erklärt wurde. Eine Teilfläche des Grundstücks verkaufte die Tochter am selben Tag mit notariellem Vertrag zum Kaufpreis von 90 000 DM an Dritte weiter. Mit Duldungsbescheid focht das Finanzamt nach § 3 AnfG , § 191 AO „die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück aufgrund des Vertrags” an, wobei der Duldungsbetrag auf 140 000 DM beschränkt wurde; die Tochter habe die Vollstreckung in den ihr verbleibenden Grundstücksteil zu dulden und Wertersatz in Höhe von 90 000 DM für den Fall zu leisten, daß wegen der Weiterveräußerung eines Teils des Grundstücks Rückgewähr in Natur nicht möglich sei.

Der BFH hielt den Duldungsbescheid für rechtswidrig: Das FA kann nach § 191 AO denjenigen durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen, der nach dem AnfG verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden.

Die Tochter konnte jedoch mangels Auflassung noch nicht über das Grundstück verfügen mit der Folge, daß sie auch nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verpflichtet war. Der Duldungsbescheid richtet sich auch nicht auf Rückgewähr dessen, was die Tochter als Inhaberin des dinglich durch Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf den Grundstückserwerb erlangt hat. Der Duldungsbescheid des FA hatte im Streitfall eine weitergehende Zielrichtung, als ihn ein Anspruch gegen die Tochter auf Verzicht auf die Sicherungsrechte hätte. Diesbezüglich hätte es eines besonderen – darauf konkretisierten – Duldungsbescheids (§ 9 AnfG) durch das FA bedurft.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.10.1996, VII R 35/96

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