LfSt Bayern v. 28.1.2011, S 2196.1.1 - 2/1 St 32
1. Übergabe eines Grundstücks unter Vorbehaltsnießbrauch
Wird ein bebautes Grundstück unentgeltlich übertragen und behält sich der Übergeber ein Nießbrauchsrecht am gesamten Grundstück vor, ist das vorbehaltene Nießbrauchsrecht keine Gegenleistung des Grundstückerwerbers (BFH vom 24.4.1991, BStBl 1991 II S. 793). Wirtschaftlich gesehen bleibt die Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeit beim Übergeber, während der Übernehmer nur das belastete, nämlich das um das Nutzungsrecht geminderte Eigentum an dem Grundstück erlangt (BFH vom 28.7.1981, BStBl 1982 II S. 378). Trotz der Einschränkungen hinsichtlich der Nutzung geht aber im Regelfall sowohl das zivilrechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Übernehmer über.
Da der Übergeber nur die Substanz des Grundstücks überträgt und die Nutzungsmöglichkeit an dem Grundstück zurückbehält, geht nach § 11d Abs. 1 EStDV auch nur jener Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den Übernehmer über, der auf das belastete Grundstück entfällt. Der auf das belastete Grundstück entfallende Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten errechnet sich nach dem Verhältnis des Verkehrswerts des belasteten Grundstücks zum Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks. Ein Übergang der Werte des Rechtsvorgängers in voller Höhe gem. § 11d Abs. 1 EStDV kommt dagegen nicht in Betracht.
Unbeachtlich ist dabei, dass der Übernehmer Absetzungen für Abnutzung erst dann in Anspruch nehmen kann, wenn er aus dem Grundstück Einkünfte erzielt (z.B. nach Beendigung bzw. Ablösung des Nießbrauchsrechts). Unbeachtlich ist auch, dass der Vorbehaltsnießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts die Absetzungen für Abnutzung auch weiterhin aus den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch nehmen kann.
2. Entgeltliche Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs
Wird der Nießbrauch später entgeltlich abgelöst, beseitigt der Übernehmer die Beschränkung seiner Eigentumsbefugnisse und verschafft sich hierdurch die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück. Die Aufwendungen für die Ablösung des Nießbrauchsrechts sind Anschaffungskosten für den Vermögensgegenstand „Grundstück” (BFH vom 15.12.1992, BStBl 1993 II S. 488).
Die Beurteilung der Ablösungszahlung für das Nießbrauchsrecht als nachträgliche Anschaffungskosten bringt zwingend die Aufteilung in einen Grund und Boden- sowie einen Gebäudeanteil mit sich. Die Aufteilung hat nach dem Verhältnis der Verkehrswerte im Jahr der Ablösung zu erfolgen (BFH vom 21.7.1992, BStBl 1993 II S. 486). Der auf das Gebäude entfallende Anteil ist im Wege der AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn das Gebäude der Einkünfteerzielung dient. Hierfür steht dem Übernehmer eine eigene AfA-Reihe zu.
Beispiel:
Der Übergeber hat im Jahr 2000 ein bebautes Grundstück (Verkehrswert: 1 Mio. Euro, GuB-Anteil 30 %) unentgeltlich übertragen und sich den Nießbrauch an dem Grundstück vorbehalten (Wert des Nießbrauchsrechts im Jahr 2000: 200.000 Euro). In 2010 wird das Nießbrauchsrecht durch Zahlung des Gegenwartswertes in Höhe von 150.000 Euro abgelöst. (Verkehrswert des bebauten Grundstücks im Jahr 2010: 1,2 Mio. Euro, GuB-Anteil 30 %). Nach Ablösung des Nießbrauchs tritt der Übernehmer (Eigentümer) in die bestehenden Mietverträge ein.
Lösung:
Im Jahr 2000 geht das belastete bebaute Grundstück unentgeltlich auf den Übernehmer über. Wertmäßig erhält dieser daher nur (1 Mio. Euro abzgl. 200.000 Euro) 800.000 Euro, also 80 % (800.000 zu 1.000.000) des unbelasteten Grundstücks.
Im Jahr 2010 entstehen dem Übernehmer aus der Ablösung des Nießbrauchsrechts nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 150.000 Euro für das gesamte Grundstück. Hiervon entfallen 30 %, also 45.000 Euro auf den Grund und Boden (Anteil zum Zeitpunkt der Ablösung), die restlichen 105.000 Euro sind nachträgliche Anschaffungskosten für das Gebäude, die sich ab der Ablösung über eine eigene AfA-Reihe (Anschaffung im Jahr 2010) einkünftemindernd auswirken.
Hinsichtlich des in 2000 unentgeltlich übertragenen Anteils am Grundstück i.H.v. 80 % ist § 11d Abs. 1 EStDV anzuwenden. Daher kann der Übernehmer vom Übergeber 80 % der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Gebäude fortführen. Insoweit setzt er auch die AfA-Art des Rechtsvorgängers fort.
Hinweis:
Davon unberührt bleibt die ertragsteuerliche Behandlung bei Wegfall des Nießbrauchsrechts, z.B. durch Tod oder Verzicht. In diesen Fällen geht letztlich das gesamte Grundstück unentgeltlich auf den Übernehmer über. Die Werte des Übergebers werden in voller Höhe gem. § 11d Abs. 1 EStDV übernommen, d.h. die bisherige Abschreibung des Übergebers wird unverändert vom Übernehmer fortgeführt.
Normenkette
EStG § 7;
EStDV § 11d Abs. 1