Leitsatz
1. Leistungen, die eine AG (Publikumsgesellschaft) mit dem Unternehmensgegenstand "Erwerb, Verwaltung und Verwertung von Immobilien, Wertpapieren, Beteiligungen sowie Vermögensanlagen" im Zusammenhang mit der Ausgabe stiller Beteiligungen bezieht, werden nur insoweit i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG "für das Unternehmen" der AG – und nicht für ihren nichtunternehmerischen Bereich – ausgeführt, als die AG unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig ist.
2. Erbringt die AG sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Ausgangsumsätze, sind die in ihren unternehmerischen Bereich entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG entsprechend dem Verhältnis der ausgeführten steuerfreien Ausgangsumsätze zu ihren steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen (Umsatzschlüssel) aufzuteilen.
3. Eine Vorsteueraufteilung nach einem "Investitionsschlüssel" ist nicht statthaft.
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 , § 15 UStG 1993 , Art. 17 und 19 6. EG-RL
Sachverhalt
Klägerin war eine Publikums-AG (Gegenstand: Erwerb, die Verwaltung und die Verwertung von Immobilien, Wertpapieren, Beteiligungen sowie Vermögensanlagen jeglicher Art). Die Ausgabe einer Vielzahl atypisch stiller Beteiligungen behandelte die AG als nicht steuerbar. Die ihr für Vorleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe der stillen Beteiligungen berechnete Umsatzsteuer machte die Klägerin prozentual nach Maßgabe eines "Investitionsschlüssels" (Aufteilung der Vorsteuern im Verhältnis der Nettoinvestitionen im unternehmerischen und nichtunternehmerischen Bereich im Anlagevermögen) geltend.
Entscheidung
Weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht aufgeklärt war, kam eine Vorlage des BFH an den EuGH (noch) nicht in Betracht; die Sache wurde deshalb an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung betrifft die vom BFH zugelassene (BFH-PR 2003, 311) Revision.
1. Eine Gesellschaft erbringt bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine steuerbare Leistung (Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, vgl. BFH-PR 2004, 404 – KapHag-Nachfolgeentscheidung –).
2. Der bloße Erwerb, das bloße Halten und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen sowie der bloße Erwerb und der bloße Verkauf von sonstigen Wertpapieren sind keine wirtschaftlichen Tätigkeiten i.S.d. 6. EG-RL (nichtunternehmerisch i.S.d. UStG – vgl.EuGH, Urteil vom 21.10.2004, Rs. C-8/03 – BBL –, BFH-PR 2005, 27, Rdnr. 38, 39, m.w.N.). Ausnahme: wirtschaftliche Tätigkeit bei unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht.
3. Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen, können in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen (vgl. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL): nämlich Umsätze, bei denen es um die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Tätigkeiten geht, die über den bloßen Erwerb und den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgehen, wie etwa Umsätze bei einem Wertpapiergeschäft im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (EuGH-Urteil [BBL]).
4. Stehen Vorbezüge – wie im Besprechungsfall – mit der Ausgabe von stillen Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft im Zusammenhang, hängt der Vorsteuerabzug davon ab, ob und inwieweit die Kapitalgesellschaft unternehmerisch tätig war.
5. Umsätze, die nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-RL fallen (nichtunternehmerische Sphäre) und für die daher kein Vorsteuerabzugsrecht besteht, bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs i.S.d. Art. 17 und 19 der 6. EG-RL (vgl. § 15 Abs. 4 UStG) unberücksichtigt. Im Nachfolgeurteil zu KapHag (eine Personengesellschaft, die ausschließlich unternehmerisch [wirtschaftlich] tätig war) entschied der BFH, die Gesellschaft könne den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen im Zusammenhang mit ihrer Gründung und der (nicht steuerbaren) Aufnahme von Gesellschaftern in vollem Umfang vornehmen (vgl. BFH, Urteil in BFH-PR 2004, 404). Zweifelhaft ist allerdings, wie weit der Anwendungsbereich der EuGH-Rechtsprechung reicht.
Beachten Sie: Bei richtlinienkonformer Auslegung ist als "sachgerecht" i.S.d. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG nur ein Aufteilungsverfahren anzuerkennen, das – objektiv nachprüfbar – nach einheitlicher Methode die beiden "Nutzungsteile" eines gemischt verwendeten Gegenstands bzw. einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet. Eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach einem "Investitionsschlüssel" sieht die 6. EG-RL nicht vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.11.2004, V R 16/03