Leitsatz

Ein Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA nach § 15a UStG, der dadurch entsteht, dass der Insolvenzverwalter ein Wirtschaftsgut abweichend von den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen verwendet, gehört zu den Masseverbindlichkeiten und kann durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

 

Normenkette

§ 15a, § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG 1999, § 38, § 55, § 87, § 108 InsO, § 34, § 251 Abs. 3 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GbR. Diese hatte aus den Herstellungskosten einer Einkaufspassage entsprechend der im Erstjahr 1998 erfolgten umsatzsteuerpflichtigen Vermietung 79 % der in Rechnung gestellten USt als Vorsteuer abgezogen. Das Insolvenzverfahren wurde im April 2002 eröffnet. Vorher hatte die GbR die Mietverträge geändert, sodass sich die Quote der steuerpflichtigen Vermietung in den Streitjahren 2002 bis 2004 auf ca. 75 % senkte. Dies hatte – unstreitig – zur Folge, dass zugunsten des FA gem. § 15a UStG Vorsteuerberichtigungsansprüche entstanden.

Das FA sah seine Forderungen gem. § 15a UStG nicht als Insolvenzforderungen, sondern als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) an und setzte sie gegenüber dem Insolvenzverwalter (Kläger) fest.

Das FG Münster teilte diese Rechtsauffassung und wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 08.10.2009, 5 K 1096/07 U, Haufe-Index 2271141, EFG 2010, 276).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Nach der zur KO ergangenen Rechtsprechung des BFH gehören Vorsteuerberichtigungsansprüche des FA nach § 15a UStG, die durch einen Verkauf oder eine Zwangsversteigerung des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens entstehen, zu den Massekosten (BFH, Urteile vom 09.04.1987, V R 23/80, Haufe-Index 61695, BStBl II 1987, 527; vom 06.06.1991, V R 115/97, BStBl II 1991, 817).

Der Vorsteuerberichtigungsanspruch entstehe, weil ein der Verwaltung des Konkursverwalters unterliegender Massegegenstand verwertet werde. Der Tatbestand des § 15a UStG – der eine Änderung der Verhältnisse, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebend gewesen seien, erfordere – sei erst nach Eröffnung des Konkurses verwirklicht worden.

Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG sei keine aufschiebend bedingte Forderung, sondern stehe als selbstständiger Tatbestand neben dem Vorsteuerabzug nach § 15 UStG.

2. Diese Rechtsprechung steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Anspruch des FA auf "Rückforderung abgezogener Vorsteuerbeträge" nach § 17 UStG keine Masseforderung, sondern eine bloße Konkursforderung ist (BFH, Urteil vom 13.11.1986, V R 59/79, BStBl II 1987, 226). Denn die Berichtigungspflicht nach dieser Vorschrift besteht schon mit der Eröffnung des Konkursverfahrens und nicht erst durch eine Verwertung nach Konkurseröffnung.

3. Im Besprechungsfall liegt die nach § 15a Abs. 1 UStG erforderliche Veränderung der Verhältnisse nicht in einer Verwertung durch Verkauf oder Zwangsversteigerung der Grundstücke, sondern in einer Veränderung des Umfangs der steuerpflichtigen Vermietung.

Dies rechtfertigt aber keine andere rechtliche Beurteilung. Die steuerpflichtige Vermietung stellt ebenso wie der Verkauf eines Grundstücks eine "Verwertung" i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Denn nach § 108 Abs. 1 S. 2 InsO bestehen Mietverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter eingegangen ist, "mit Wirkung für die Insolvenzmasse" fort. Die Grundstücke werden damit vom Insolvenzverwalter durch Vermietung "verwertet".

Die nach § 15a UStG erforderliche Veränderung der Verhältnisse ist nicht bereits durch den Abschluss geänderter Mietverträge eingetreten. Vielmehr steht erst mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs fest, ob die Grundstücke tatsächlich in einem geringeren Umfang steuerpflichtig vermietet worden sind als beim ursprünglichen Vorsteuerabzug angenommen.

4. Der VII. Senat des BFH hat zwar in einem Urteil vom 17.04.2007, VII R 27/06 (BStBl II 2009, 589, unter II.3., BFH/PPR 2007, 319) unter ausdrücklichem Hinweis auf die gegenteilige Rechtsauffassung des V. Senats in dem Urteil vom 06.06.1991, V R 115/97 (BStBl II 1991, 817) die Auffassung geäußert, der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG sei keine Masseforderung, sondern Insolvenzforderung. Dabei handelt es sich aber um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum. Dies folgt bereits daraus, dass der VII. Senat anderenfalls wegen der – von ihm selbst erkannten – Abweichung gem. § 11 FGO beim V. Senat des BFH hätte anfragen müssen.

5. Die Auffassung, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch, der wegen einer nach Konkurseröffnung eingetretenen Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse entstanden ist, als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren ist, wird auch vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof geteilt (Urteil vom 19.10,1999, 98/14/0143). Der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt liege nicht in der seinerzeitigen Anschaffung des Grundstü...

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