Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Die zur Korrektur der Vorsteuer führende Uneinbringlichkeit kann bereits dann vorliegen, wenn der sachliche Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung gegeben ist. Auf die förmliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt es dann nicht mehr an.
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr Organträger einer Heizungs- und Sanitärtechnik-Klempnerei GmbH. Aufgrund eines im April 2008 gestellten Insolvenzantrags wurde am 4.6.2008 über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Neben Differenzen bezüglich des Zeitpunkts der Beendigung des Organschaftsverhältnisses stritten die Beteiligten im Wesentlichen darüber, ob eine vom Finanzamt für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2007 wegen Uneinbringlichkeit vorgenommene Vorsteuerkorrektur zu Recht erfolgt ist. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass bis zum 31.12.2007 kein Berichtigungsgrund nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 S. 2 UStG vorgelegen habe, weil die Forderungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht uneinbringlich gewesen seien. Im Jahr 2008 seien noch Zahlungen erfolgt. Uneinbringlichkeit sei in der Regel erst im Augenblick der Insolvenzeröffnung, frühestens aber mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzunehmen.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht des FG hat sich entgegen der Auffassung des Klägers die Bemessungsgrundlage nicht erst im Jahr 2008 gemindert. Uneinbringlich ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann. Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG kann auch schon vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits dann eintreten, wenn der sachliche Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung gegeben ist. Eine Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit, wonach diese z. B. erst bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder - bei substantiiertem Bestreiten der Forderung - erst nach Abschluss eines Klageverfahrens in Bezug auf die Forderung vorläge, ließe sich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbaren.
Hinweis
Zuletzt hat sich der BFH mit Urteil v. 8.3.2012, V R 49/10 konkretisierend zum Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit nach § 17 UStG geäußert. Darauf hat das FG maßgebend Bezug genommen. Aus der BFH-Entscheidung wird deutlich, dass der Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit in der Praxis bereits vergleichsweise "früh" eintreten kann. Insbesondere folgt der BFH nicht der Auffassung, dass Uneinbringlichkeit z. B. erst nach Abschluss von Zivilrechtsklagen, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder Vergleichsvereinbarungen anzunehmen ist. Der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt als spätester Zeitpunkt für die Annahme der Uneinbringlichkeit, keinesfalls lässt sich daraus der Grundsatz ableiten, dass mit einer Umsatzsteuer-/Vorsteuerkorrektur bis zu diesem Zeitpunkt gewartet werden muss/kann. Im hier zu besprechenden Streitfall ergab sich aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters, dass bei der GmbH zum 31.12.2007 eine Liquiditätslücke von rund 96 % bestand. Danach war die GmbH bereits im Dezember 2007 zahlungsunfähig; bei objektiver Betrachtung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit zu rechnen, dass die Leistenden ihre Entgeltforderungen (ganz oder teilweise) würden durchsetzen können. Erfolgen nach Annahme der Uneinbringlichkeit noch Zahlungen, stellen diese nicht ohne weiteres die Uneinbringlichkeit in Frage, sondern führen ggf. zu einer erneuten Berichtigung des Vorsteuerabzugs.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 10.01.2013, 6 K 1332/10