Leitsatz
Eine "Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften" i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG liegt vor, wenn eine Mittelsperson einer Gesellschaft oder dem zukünftigen Gesellschafter die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrags über den Erwerb eines Gesellschaftsanteils nachweist oder sonst das Erforderliche tut, damit der Vertrag über den Erwerb der Gesellschaftsanteile zustande kommt.
Keine Vermittlungsleistung erbringt ein Unternehmer, der einem mit dem Vertrieb von Gesellschaftsanteilen betrauten Unternehmer Abschlussvertreter zuführt und diese betreut.
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG , Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Emissionsgesellschaften hatten S und diese sog. Abschlussvermittler mit dem Vertrieb der Gesellschaftsanteile beauftragt. Diese Abschlussvermittler wurden der S von der Klägerin, einer "Anlagemarketing mbH", zugeführt. Die Klägerin erwarb dadurch der S gegenüber einen Anspruch auf sog. "Zubringerprovision" und – für die Aus- und Weiterbildung sowie Überwachung der Abschlussvermittler – eine "Koordinationsprovision", die im Wesentlichen mit der Provision der Abschlussvermittler verknüpft war. Die Klägerin behandelte die Provisionen als Entgelte für steuerfreie (§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG) Umsätze.
FA und FG (EFG 2001, 1467) waren der Auffassung, die Klägerin habe nur Leistungen erbracht, die sich nicht auf Gesellschaftsanteile bezogen und damit nicht nach dem UStG steuerfrei waren.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg, denn die Abschlussvermittler erhielten ihre Abschlussprovision für abgeschlossene Verträge nicht von der Klägerin. Die Klägerin trat insoweit nicht als Vermittlerin auf.
Eine Kontrollüberlegung zeigt das deutlich: Hätten die Emissionsgesellschaften ihre Anteile mit eigenen Abschlussvertretern vertrieben und hätte die Klägerin diese Abschlussvertreter im Auftrag der Emissionsgesellschaften ausgewählt, geschult, koordiniert und überwacht, hätte sie als Subunternehmerin der Emissionsgesellschaften steuerpflichtige Leistungen an diese erbracht. Die Klägerin wurde nicht selbst "Vermittler", weil ein Vermittler sie mit derselben Aufgabe betraut hatte.
Hinweis
Steuerfrei sind die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG). Befreiungsvorschriften sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH eng auszulegen. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG setzt Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL um. Der Begriff der Vermittlung taucht auch in anderen Vorschriften – auch der Richtlinie – auf. Ein in einem Gesetz öfter verwendeter Begriff hat grundsätzlich denselben Inhalt, wenn sich nicht aus Inhalt und Zweck der jeweiligen Regelung ergibt, dass er mit einem anderen – weiteren oder engeren – Inhalt verwendet werden soll. Ausdrücklich nur für die Vermittlung von Finanzprodukten hat der EuGH im Urteil vom 13.12.2001, Rs. C-235/00, CSC, UR 2002, 84 den Begriff der Vermittlung konkretisiert. Diese Auslegung ist auch für das nationale Recht verbindlich!
Es muss sich um eine Tätigkeit handeln, die
- von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei eines Vertrags über ein Finanzprodukt einnimmt,
- deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. (Personen, die von einer Vertragspartei zur Erfüllung der vertraglichen Pflicht gegenüber dem Vertragspartner eingeschaltet werden, sind Subunternehmer, keine Vermittler.)
Es muss sich also um eine Dienstleistung handeln, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u.a. darin bestehen,
- der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrags nachzuweisen,
- mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder
- im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln.
Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat.
Beachten Sie, dass keine Vermittlungstätigkeit vorliegt, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut, wie z.B.
- der Erteilung von Informationen an die andere Partei oder
- der Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Zeichnung der Wertpapiere, die Gegenstand des Vertrags sind.
In einem solchen Fall nimmt der Subunternehmer den selben Platz ein wie der Anbieter des Finanzprodukts und ist daher keine Mittelsperson: Die Mittelsperson darf nicht den Platz einer Vertragspartei einnehmen.
Bei der Beteiligung von Kapitalanlegern an Emissionsgesellschaften liegt eine "Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften" i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG nur vor, wenn eine Mittelsperson der Gesellschaft oder dem zukünftigen Gesellschafter die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrags über den Erwerb eines Gesellschaftsanteils nachwe...