Leitsatz
1. Leistungen eines Vereins, die dem konkreten Individualinteresse der Vereinsmitglieder dienen, sind steuerbar. Die Werbung für ein von den Mitgliedern verkauftes Produkt dient dem konkreten Individualinteresse der Vereinsmitglieder.
2. Leistungen eines Vereins erfolgen auch dann gegen Entgelt, wenn nicht für alle Mitglieder ein einheitlicher Beitragsbemessungsmaßstab besteht.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999, Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Sein Zweck ist die Förderung des Verkaufs einer drittländischen Handelsware im Inland durch Informationsmaterial, Anzeigen usw. Seine Mitglieder waren in den Streitjahren 2000 und 2001 die inländischen Händler und eine im Herkunftsland ansässige Gesellschaft (G), bei der es sich um einen Zusammenschluss der im Herkunftsland ansässigen Exporteure dieser Ware handelt.
Der Kläger finanzierte sich durch Mitgliedsbeiträge, die nach dem Jahresumsatz der inländischen Händler bemessen waren. Von G erhielt er "Etatzuweisungen", die höher waren als die Summe der übrigen Mitgliedsbeiträge.
Der Kläger war der Ansicht, die Mitgliedsbeiträge seien das Entgelt für seine steuerpflichtigen Leistungen an seine Mitglieder.
Dagegen ging das FA nur insoweit von einer unternehmerischen Tätigkeit aus, als der Kläger Bücher und Broschüren verkauft habe. Im Übrigen sei er nicht unternehmerisch tätig. Es kürzte die geltend gemachten Vorsteuerbeträge entsprechend.
Das FG bejahte einen Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und seinen Mitgliedern und gab der Klage auf Abzug der Vorsteuerbeträge in der erklärten Höhe statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2008, 5 K 3220/04 U, Haufe-Index 1956220, EFG 2008, 167).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Der BFH nahm einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Werbeleistungen des Klägers (Verein) und den Mitgliedsbeiträgen an. Er lehnte die Auffassung des FA ab, dass der Sachverhalt des Streitfalls mit dem des Falls "Apple and Pear Development Council" vergleichbar sei. Der Kläger habe nur für den Verkauf eines einzigen Produkts geworben, das von allen Mitgliedern gehandelt worden sei, sodass alle Mitglieder von seinen Werbemaßnahmen profitiert hätten.
Hinweis
1. Eine entgeltliche Leistung eines Unternehmers i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen seiner Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen ihm und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt (vgl. BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 60/05, BFH/PR 2008, 272, m.w.N., BFH/NV 2008, 1072).
Das Rechtsverhältnis in diesem Sinn kann sich auch aus einem Gesellschaftsvertrag (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 60/05, BFH/PR 2008, 272, BFH/NV 2008, 1072) oder der Satzung eines Vereins ergeben (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 21.03.2002, Rs. C-174/00, "Kennemer Golf", Slg. 2002, I-3293; BFH, Urteil vom 11.10.2007, V R 69/06, BFH/PR 2008, 112, BFH/NV 2008, 322).
Soweit der BFH in seinem Urteil vom 20.12.1984, V R 25/76 (Haufe-Index 426090, BStBl II 1985, 176) die Auffassung vertreten hat, Vereine seien in Verwirklichung des Satzungszwecks unter Einsatz des Beitragsaufkommens stets nicht unternehmerisch tätig, hat er diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (BFH, Urteil vom 11.10.2007, V R 69/06, BFH/PR 2008, 112, BFH/NV 2008, 322).
2. Die Frage, ob zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern ein Leistungsaustausch im dargestellten Sinn vorliegt, ist nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden wie die Frage, ob von einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter entgeltliche Leistungen erbracht werden. Danach ist entscheidend, ob die Tätigkeit der Gesellschaft dem konkreten Individualinteresse ihrer Gesellschafter dient (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 60/05, BFH/PR 2008, 272, BFH/NV 2008, 1072).
Bei einer Werbegemeinschaft (GbR), die aus den Mietern und Grundstückeigentümern eines Einkaufszentrums bestand, hat der BFH die Werbemaßnahmen für das Einkaufszentrum als steuerbare Leistungen der GbR an ihre Gesellschafter angesehen (Urteil vom 04.07.1985, V R 107/76, Haufe-Index 61036, BStBl II 1986, 153). Die den Leistungsaustausch kennzeichnende Wechselbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Leistungen der GbR für alle Mitglieder gleich seien.
3. Den für die Annahme eines Leistungsaustauschs erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung hat der EuGH in einem Urteil vom 08.03.1988, Rs. C-102/86, "Apple and Pear Development Council" (Slg. 1988, 01443) verneint. Es handelte sich um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, bei der die Erzeuger von Äpfeln und Birnen aufgrund einer Verordnung Mitglied waren und Pflichtbeiträge entrichten mussten. Der EuGH hat darauf abgestellt, dass die Dienstleistungen dem gesamten Wirtschaftszweig zugute kommen sollten und nicht auszuschließen sei, dass aus den mit den Pflichtbeiträgen finanzierten Werbemaßnahmen nur die Äp...