Leitsatz

Ist Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der VO Nr. 3665/87 i.d.F. der VO Nr. 2945/94 – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – dahin auszulegen, dass allein falsche Angaben in Bezug auf einzelne Warenpositionen in der Ausfuhranmeldung, die zu einer höheren Ausfuhrerstattung als der dem Ausführer zustehenden führen können, zur Verminderung der Ausfuhrerstattung um den dort definierten Sanktionsbetrag führen, obwohl im Zusammenhang mit dem nach nationalem Recht abzugebenden besonderen Zahlungsantrag ausdrücklich erklärt wird, dass für die betreffenden Warenpositionen der Anmeldung die Zahlung der Ausfuhrerstattung nicht beantragt wird?

 

Normenkette

Nr. 3665/87 Art. 3 , Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 1 , Nr. 3665/87 Art. 47 Abs. 1 VO (EWG) , § 15 Ausfuhrerstattungsverordnung

 

Sachverhalt

Ein Exporteur ließ eine Sendung mit Käse verschiedener Marktordnungs-Warenlistennummern mit der Erklärung ("Ausfuhrerklärung") zur Ausfuhr abfertigen, hierfür Ausfuhrerstattung in Anspruch nehmen zu wollen. Später stellte er den (im deutschen Ausführungsrecht geforderten) "Zahlungsantrag", mit dem die Gewährung von Ausfuhrerstattung gesondert beantragt werden muss. In dem Antrag waren jedoch zwei Positionen der Ausfuhrsendung nicht mehr aufgeführt, weil für die betreffenden Käsesorten keine Ausfuhrerstattung vorgesehen war. Das HZA setzte wegen dieser Positionen gleichwohl eine Sanktion fest, weil mit der Ausfuhranmeldung eine höhere als die dem Exporteur zustehende Erstattung beantragt worden sei.

 

Entscheidung

Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH nach Art. 234 EG die eingangs wiedergegebene Frage gestellt. Er hat dabei allerdings auf Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3665/87 hingewiesen, wo definiert ist, dass unter der "beantragten Erstattung" i.S.d. Sanktionsregelung der Betrag zu verstehen ist, der anhand der in der Ausfuhranmeldung gemachten Angaben zu berechnen ist. Auf einen besonderen Zahlungsantrag neben der Ausfuhranmeldung wird in dieser Vorschrift nicht abgestellt.

 

Hinweis

1. Wer Waren in Drittländer ausführen will und dafür eine Subvention (die sog. Ausfuhrerstattung) in Anspruch nehmen möchte, muss nach der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 eine Ausfuhranmeldung abgeben, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung beantragt wird und die alle für die Berechnung des Ausfuhrerstattungsbetrags erforderlichen Angaben enthalten muss, wie es in Art. 3 der VO 3665/87 heißt (vgl. heute insoweit gleichlautend die VO 800/1999).

2. Nach Art. 11 Abs. 1 der VO wird gegen den Exporteur eine Sanktion verhängt, wenn festgestellt wird, dass er eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, und zwar in Höhe des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung. Eine stattliche Summe, welche die Exporteure von falschen Angaben abschrecken soll!

3. In Deutschland wird die Ausfuhrerstattung allerdings nicht allein aufgrund vorgenannter Ausfuhranmeldung gezahlt, sondern es ist zusätzlich ein sog. Zahlungsantrag erforderlich. Art. 47 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 stellt es den Mitgliedstaaten sinngemäß anheim, ob sie einen solchen gesonderten Antrag verlangen (oder die Ausfuhranmeldung als Zahlungsantrag genügen lassen).

4. Dies lässt fraglich erscheinen, ob auch dort, wo ein solcher gesonderter Zahlungsantrag gestellt werden muss, bereits die Abgabe der Ausfuhranmeldung einen Zahlungsantrag i.S.v. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 darstellt und folglich ggf. – bei unrichtigen Angaben – eine Sanktion nach sich zieht oder ob dies in den betreffenden Mitgliedstaaten erst bei falschen Angaben in dem von Art. 47 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 geforderten Antrag der Fall ist, für den in Deutschland ein besonderes Formular vorgesehen ist (§ 15 Ausfuhrerstattungsverordnung).

5. Freilich: Auch wenn der BFH den EuGH danach gefragt hat, die Antwort auf vorgenannte Frage also nicht für klar und gewiss hält, wird man nach dem Sinn und Zweck der Sanktionsregelung, aber auch nach dem Wortlaut des Art. 11 kaum einen vernünftigen Zweifel haben können, dass – schon – falsche Angaben in der Ausfuhranmeldung die Sanktion auslösen. Der Exporteur könnte sonst gefahrlos falsche Angaben in der Ausfuhranmeldung machen und erst wenn er sieht, dass die Zollbehörde diese bei Ausfuhr der Ware nicht durchschaut, insbesondere keine Proben gezogen und keine Beschau durchgeführt hat, diese unter Sanktionsdrohung in dem nationalen Zahlungsantrag wiederholen bzw. unterlassen, wenn er ein Risiko fürchten muss. Exporteure in Mitgliedstaaten ohne gesonderten Zahlungsantrag hingegen stünden schlechter, weil sie bereits bei der Ausfuhr(anmeldung) sorgfältig und ehrlich sein müssten – ein wohl kaum vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewolltes Ergebnis.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 30.7.2003, VII R 61/02

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