Leitsatz
1. Bei deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung kann eine wirtschaftliche Eingliederung und damit eine Organschaft schon bei mehr als nur unerheblichen Geschäftsbeziehungen vorliegen.
2. Weder das UStG noch das Gemeinschaftsrecht sehen ein Wahlrecht für den Eintritt der Rechtsfolgen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vor.
3. Die Übertragung eines zu bebauenden Grundstücks kann auch dann zu einer einheitlichen Leistung führen, wenn im Rahmen einer Organschaft der Organträger das Gründstück übereignet, während die Baumaßnahmen von einer Organgesellschaft durchzuführen sind.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 9 UStG 1993, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger befasste sich als Einzelunternehmer u.a. mit dem An- und Verkauf von Grundstücken. Daneben war er Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, deren Unternehmensgegenstand u.a. die Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr und Baubetreuer war.
Der Kläger verpachtete das Inventar (Pkw und Büroausstattung) seiner Einzelfirma an die GmbH und vermietete ihr ab Dezember 1994 eine Musterwohnung.
Er war Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das er in Sonder- und Miteigentum aufteilte und durch notariell beurkundete Kaufverträge an verschiedene Erwerber verkaufte. In dem jeweiligen Vertrag verpflichtete sich die GmbH, vertreten durch den Kläger, das Wohnungseigentum schlüsselfertig mit Außenanlagen zu erstellen. Es waren ein Kaufpreis für Grund und Boden und ein "Gesamterstellungspreis" ausgewiesen und zu einem "Gesamtkaufpreis" zusammengefasst worden.
Der Kläger behandelte den Verkauf der Miteigentumsanteile am Grund und Boden als umsatzsteuerfrei; die GmbH versteuerte die Erstellung des Gebäudes.
Das FA nahm eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft an und war der Meinung, Grund und Boden und Gebäude könnten nur einheitlich umsatzsteuerpflichtig veräußert werden.
Das FG wies die Klage ab: Es liege eine Organschaft vor. Leistungsgegenstand sei das bebaute Grundstück. Die Lieferung sei gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei und der Kläger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Er schulde aber die von der GmbH in Rechnung gestellte USt als Organträger nach § 14 Abs. 2 UStG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 04.07.2007, 4 K 225/07, Haufe-Index 1784817, EFG 2007, 1640).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der BFH bestätigte aus den in den Praxis-Hinweisen aufgeführten Gründen die Rechtsauffassung des FG.
Hinweis
1. Der XI. Senat bestätigt im Besprechungsurteil die Rechtsprechung des V. Senats zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Danach kann die wirtschaftliche Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein (BFH, Urteil vom 03.04.2003, V R 63/01, BFH/PR 2003, 351, BFH/NV 2003, 1131).
Durch die Rechtsprechung des V. Senats ist auch bereits geklärt und der XI. Senat hält daran fest, dass in Fällen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft kein Wahlrecht hinsichtlich deren Rechtsfolgen besteht (BFH, Beschluss vom 28.11.2002, V B 126/02, BFH/NV 2003, 515, m.w.N.).
2. Wird ein Bündel von Lieferungen oder Leistungen erbracht, ist zu prüfen, ob mehrere selbstständige Hauptleistungen vorliegen oder ob eine einheitliche Leistung gegeben ist. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen (EuGH, Urteil vom 25.02.1999, Rs. C-349/96, "CCP", Slg. 1999, I-973 Rdnr. 29).
Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn ein Unternehmer ein Grundstück verkauft und sich gleichzeitig verpflichtet, darauf ein Gebäude zu erstellen (Urteil vom 08.06.2000, Rs. C-400/98, "Breitsohl", BStBl II 2003, 452).
3. Die Annahme einer einheitlichen Leistung setzt voraus, dass es sich um Lieferungen oder Leistungen desselben Unternehmers handelt. Leistungen verschiedener Unternehmer sind stets getrennt zu beurteilen (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 18.04.2007, V B 157/05, BFH/NV 2007, 1544).
4. Bislang noch nicht entschieden war, ob eine einheitliche Leistung auch dann vorliegen kann, wenn die einzelnen Lieferungen oder Leistungen teils vom Organträger und teils von der Organgesellschaft erbracht werden.
Verkauft der Organträger das Grundstück und verpflichtet sich die Organgesellschaft zur Errichtung des Gebäudes, handelt es sich umsatzsteuerrechtlich um die Leistung eines Unternehmers. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 3 UStG sind die Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln.
Ob sich aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers das Leistungsbündel als einheitliche Leistung darstellt, obwohl zivilrechtlich zwei unterschiedliche Vertragspartner vorhanden sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Jedenfalls dann, wenn der Organträger eine natürliche Per...