Prof. Dr. Sven Reinecke, Dipl.-Kffr. Jasmin Eberharter
Kennzahlen und Kennzahlensysteme sind lediglich ein Baustein eines umfassenden Marketingcontrollingsystems; sie ergänzen, aber ersetzen keinesfalls Instrumente wie Deckungsbeitrags- oder Investitionsrechnung für Neuprodukteinführung. Gerade im Marketing gibt es zahlreiche Bereiche, die mit Kennzahlen nur unzureichend abgedeckt werden können. Deshalb stellt sich die Frage, mit welchen Instrumenten und Verfahren Marketingführungskräfte versuchen, den Erfolg des Marketings zu steuern und zu belegen. Nachfolgend wird die Nutzung strategischer, operativer und finanzorientierter Marketingcontrollinginstrumente dargestellt.
3.1 Strategisches Marketingcontrolling
Traditionelle Instrumente als bewährte Methode
Abbildung 7 gibt einen Überblick zur Nutzung strategischer Marketingcontrollinginstrumente. Zunächst ist anhand dieses Schaubilds offensichtlich, dass traditionelle Instrumente wie Konkurrenz-, Branchen-, Kundenzufriedenheits- und Mitarbeiterzufriedenheitsanalysen sowie Frühwarn- und Monitoringsysteme am häufigsten eingesetzt werden. Scheinbar setzt man bei wichtigen strategischen Entscheidungen vermehrt auf bewährte Methoden. Auch wenn ein regelmäßiges Tracking der Kundenzufriedenheit sicherlich grundsätzlich sinnvoll ist, so stellt sich bei Kundenzufriedenheitsanalysen häufig die Frage nach dem Grenznutzen: In den meisten Branchen ändert sich die Kundenzufriedenheit nur sehr wenig, weil es sich um eine globale Einstellungsgröße handelt. Bei trägen Größen kann es daher aus wirtschaftlichen Gründen durchaus sinnvoll sein, die Erhebungsfrequenz zu reduzieren.
Abb. 7: Einsatz strategischer Marketingcontrollinginstrumente
Hingegen wird die klassische Szenariotechnik äußerst unregelmäßig eingesetzt. Ein Grund hierfür dürften die Subjektivität sowie der damit einhergehende wahrgenommene "esoterische Charakter" von Zukunftsprognosen sein. Erstaunlicherweise finden die in der wissenschaftlichen Literatur ausgiebig diskutierten Methoden wie die Scorecards oder Markenaudits in der Praxis nur vereinzelt Anwendung. Möglicherweise sind diese Methoden (noch) "zu innovativ" oder auch zu komplex, um sich einem breiteren Publikum zu erschließen.
Marktsegmentierung für Praxis eine Herausforderung
Auch beim Thema Marktsegmentierung offenbart sich ein großer Gegensatz zwischen Wissenschaft und Praxis: Während die Notwendigkeit einer fundierten Marktsegmentierung in der Marketingliteratur weitgehend unstrittig ist, verzichten viele Unternehmen auf den regelmäßigen Einsatz von Segmentierungsuntersuchungen. Dies ist ein Indiz dafür, dass Unternehmen nach wie vor Schwierigkeiten haben, eine Segmentierung von der Planung bis zur Implementierung in Kommunikation und Vertrieb erfolgreich umzusetzen.
3.2 Controlling der Marketinginstrumente
Das operative Marketingcontrolling (s. Abb. 8) bezieht sich primär auf die vier klassischen Marketinginstrumente: Marktleistungs- und Preisgestaltung, Kommunikation und Distribution.
Abb. 8: Einsatz operativer Marketingcontrollinginstrumente
Traditionelle und kostengünstige Verfahren im Fokus
Die Ergebnisse zeigen, dass im instrumentellen Bereich nachvollziehbarerweise das traditionell teuerste Marketinginstrument, der persönliche Verkauf, intensiv kontrolliert wird. Ferner wird eher auf traditionelle Verfahren gesetzt: Preis-, Produkt- oder Servicequalitätsanalysen finden nach wie vor regelmäßige Beachtung in der betriebswirtschaftlichen Praxis.
Die Kommunikationsforschung wird dagegen nicht sehr intensiv eingesetzt, was wahrscheinlich auf
- die relativ hohen Kosten,
- die erforderliche Methoden(beurteilungs)kompetenz sowie
- grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Möglichkeit eines Kommunikationscontrollings
zurückzuführen ist. Werbepretests werden lediglich von 14,7 % der befragten Unternehmen regelmäßig eingesetzt, Posttests nur von 16,7 %. Bedenkenswert ist, dass nur 23,7 % ein regelmäßiges Kommunikationstracking durchführen – zumal ein unregelmäßiges Tracking nicht zielführend und somit kaum sinnvoll ist.
Es zeigt sich somit, dass lediglich jene Instrumente des Marketingcontrollings stark zum Einsatz kommen, die ohnehin häufig aus Standardmarktforschungsstudien, aus dem Qualitätsmanagement oder aus finanzwirtschaftlichen Routinereports vorliegen. Auch werden kaum spezifische Maßnahmen zum Controlling des Marketing- bzw. Media-Mix getroffen. Gerade dies wäre allerdings in Zeiten integrierter Kommunikation und Cross-Media-Kampagnen erforderlich.
Standardauswertung versus kundenorientiertes Marketing
Instrumente des Kosten- und Erfolgscontrollings haben einen direkten finanzwirtschaftlichen Bezug. Wie Abb. 9 zeigt, gehören
aus der Sicht der befragten Führungskräfte zu den Standardinstrumenten. Diese Instrumente des Marketing-Accountings standen noch vor 20 Jahren im Zentrum des Marketingcontrollings, weil sie einen zentralen Informationsengpass betrafen. Heutzutage liefern die informatio...