Leitsatz
Ein (reines) Vorlageverlangen i.S.d. § 97 AO liegt nur dann vor, wenn das FA die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt.
Das setzt bei der Anforderung von Bankunterlagen voraus, dass das FA die Konten- und Depotnummern benennt oder vergleichbar konkrete Angaben zu sonstigen Bankverbindungen macht.
Normenkette
§ 92 Satz 2 Nr. 3, § 93, § 97, § 107 AO, § 76 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Eine Bank möchte eine Zeugenentschädigung dafür erhalten, dass sie dem FA eine Reihe von Unterlagen betreffend bei ihr geführter Depots und Sparkonten zweier ihr vom FA nur namentlich benannter Steuerpflichtiger übersandt hat.
Das FA hatte diesbezüglich an die Bank ein schriftliches "Vorlageersuchen an Dritte nach § 97 AO" gerichtet, nachdem es in der Betriebsprüfung bei zwei Steuerpflichtigen den Sachverhalt nicht hatte klären können.
Die von der Bank nach Übersendung der Unterlagen verlangte Kostenerstattung lehnte das FA ab.
Entscheidung
Der BFH hat der Bank eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz zuerkannt. An die Würdigung des FG, es handle sich um ein Vorlage-, nicht um ein Auskunftsersuchen, hat er sich mit Recht nicht gebunden gesehen, ebenso wenig an die subjektiven Vorstellungen des FA; er hat vielmehr selbst rechtlich eingeordnet, was die Bank habe tun müssen, um dem Schreiben des FA zu entsprechen.
Hinweis
1. Ein Dritter muss dem FA Urkunden heraussuchen und vorlegen, ohne Erstattung der ihm dabei entstehenden Kosten verlangen zu können. Hingegen kann er bei Erteilung einer Auskunft eine Entschädigung wie ein Zeuge verlangen (§ 107 AO).
2. Die Abgrenzung von Auskunftserteilung und Urkundenvorlage nimmt der BFH danach vor, wie das Verlangen des FA inhaltlich zu bewerten ist. Es kommt also – selbstverständlich – nicht darauf an, wie es das FA selbst bewertet hat und ob es sein Verlangen als Auskunfts- oder als Vorlageverlangen bezeichnet hat. Mitunter mag die inhaltliche Prüfung ergeben, dass beides miteinander verbunden ist, dass also von dem Betreffenden eine Auskunft und – darauf aufbauend – die Vorlage von Urkunden nach Maßgabe der von der ihm bekundeten Tatsachen verlangt wird.
3. Die Abgrenzung, ob nur eine Vorlage oder auch eine Auskunft begehrt wird, kann dann schwierig sein, wenn die vorzulegenden Unterlagen mehr oder weniger allgemein und mit abstrakten Sammelbezeichnungen benannt sind; denn in der Vorlage liegt dann implizit die Auskunft, dass diese allgemeine Bezeichnung auf die betreffenden vorgelegten konkreten Unterlagen zutreffe (was entsprechende Überlegungen und Prüfungen des Vorlagepflichtigen voraussetzt, für die ihm Entschädigung zusteht). Bedenken Sie aber, dass jede Vorlage gewisse geistige Aktionen voraussetzt, nämlich das Heraussuchen der Unterlagen und die Beurteilung, dass diese mit dem Vorlageverlangen gemeint sind! Dafür wird keine Entschädigung gezahlt.
4. In der Besprechungsentscheidung erweckt der BFH den Eindruck, die Verwendung solcher Sammelbezeichnungen habe stets zur Folge, dass eine entschädigungspflichtige Auskunft verlangt wird; der Leitsatz scheint dies hingegen auf Vorlageersuchen gegenüber Kreditinstituten zu beschränken, bei denen nur der Kunde, nicht seine Konten benannt sind. In der Tat wäre es wenig einsichtig, dass die Verwendung einer Sammelbezeichnung für die vorzulegenden Unterlagen stets eine Entschädigung zur Folge haben soll, etwa auch dann, wenn anhand derselben die vorzulegenden Unterlagen durch eine einfache Eingabe in den Computer oder einen Griff in das Regal mit den Buchführungsunterlagen hervorgeholt werden können.
Für den Bankenbereich unterstellt der BFH anscheinend, dass eine Bank die bei ihr über die Konten von Kunden vorhandenen Unterlagen so einfach nicht identifizieren kann, das Verlangen, die einen bestimmten Kunden betreffende Unterlagen vorzulegen, also kein (bloßes) Vorlageverlangen ist, sondern darüber hinausgehende geistige Anstrengungen erfordert, über deren Ergebnis mit der Vorlage implizit Auskunft gegeben wird. Näher erläutert und in tatsächlicher Hinsicht fundiert werden die insofern maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen vom BFH freilich nicht.
5. Beachten Sie auch, dass der BFH sich nicht darum kümmert, wie sich das strittige Verlangen aus der Sicht des FA (inhaltlich) darstellt, welche Aktivitäten das FA also von dem Adressaten des Ersuchens verlangt hat, bzw. wie der Adressat den dem Ersuchen zugrunde liegenden Willen des FA deuten musste.
Der BFH scheint vielmehr allein darauf abzustellen, was der Adressat tun musste, damit das FA sein mit dem Ersuchen verfolgtes Ziel erreicht.
Das FA wird also zur Entschädigung ungeachtet dessen verurteilt, dass es sich bei seinem Ersuchen offenbar gar nicht vorgestellt hatte, dass die Bank es nur aufgrund entschädigungspflichtiger geistiger Vor-Leistungen (nämlich implizit erteilter "Auskün...