Prof. Dr. Lutz Richter, Prof. Dr. Stephan Meyering
3.3.2.1 Einordnung
Rz. 34
Zinsen sind als Betriebsausgaben grundsätzlich sofort abziehbar, wenn sie betrieblich veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Dazu müssen sie auf Schulden beruhen, die zum Betriebsvermögen gehören. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Schulden mit dem Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen oder zu dem Zweck übernommen wurden, dem Betrieb Mittel zuzuführen (bei Schulden gibt es i. d. R. kein gewillkürtes Betriebsvermögen). Die Zuordnung einer Schuld zum Betriebsvermögen oder Privatvermögen hängt dabei vom Anlass ihrer Entstehung ab. Notwendig ist außerdem die tatsächliche Verwendung für betriebliche Zwecke. Ein solcher betrieblicher Zweck liegt bspw. vor, wenn die Kreditmittel verwendet werden, um Wareneingangsrechnungen zu begleichen.
Rz. 35
Der Abzug von Zinsen als Betriebsausgaben ist allerdings dreifach eingeschränkt. Zinsen auf hinterzogene Steuern gem. § 235 AO (sogenannte Hinterziehungszinsen) können ebenso nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden wie Zinsen auf Steuernachforderungen gem. § 233a AO, soweit diese gem. § 235 Abs. 4 AO auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
Zudem schränkt seit der Unternehmensteuerreform 2008 die Zinsschranke i. S. v. § 4h EStG; §, 8a KStG für konzerngebundene Unternehmen (sie kann Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und Einzelunternehmen betreffen) und u. U. auch für konzernungebundene Kapitalgesellschaften den Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben unter bestimmten Voraussetzungen ein (Rz. 36-45).
Schließlich sind Zinsen dann nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sogenannte Überentnahmen i. S. v. § 4 Abs. 4a EStG vorliegen (Rz. 45a-45h).
Technisch werden die von diesen Regelungen betroffenen Zinsaufwendungen bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben außerbilanziell hinzugerechnet.
3.3.2.2 Beschränkung durch die Zinsschranke (§ 4h EStG; § 8a KStG)
Rz. 36
Die Zinsschranke wurde im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 als eine Gegenfinanzierungsmaßnahme eingeführt, um den steuerlichen Zinsabzug auf Ebene des Zinsschuldners unter bestimmten Voraussetzungen zu begrenzen.
Mittlerweile verkörpert die Zinsschranke nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene ein Instrument zur Abwehr von Steuermissbrauch; durch die ATAD (Anti Tax Avoidance Directive) war die Zinsschranke innerhalb der Steuersysteme sämtlicher EU-Mitgliedstaaten umzusetzen und ist dort mit Wirkung vom 1.1.2019 (spätestens) anzuwenden.
Rz. 37
Zudem wurde durch die Zinsschranke § 8a KStG ersetzt, der ursprünglich Vergütungen für Fremdkapital unter bestimmten Voraussetzungen in verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifizierte. Dadurch, dass der gesamte Zinsaufwand eines Unternehmens erfasst wird, geht der Anwendungsbereich deutlich über den der ursprünglich gesetzgeberisch intendierten Gesellschafter-Fremdfinanzierung hinaus.
Materiell gilt § 4h EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften, wobei § 8a Abs. 3 KStG eine Besonderheit im Rahmen der Excape-Klausel des Eigenkapitalvergleichs vorsieht (Rz. 41).
3.3.2.2.1 Überblick
Rz. 38
Konzeptionell fokussiert die Zinsschranke die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen von prinzipiell konzerngebundenen Unternehmen. Jener Adressatenkreis wurde durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz insofern erweitert, als nunmehr Steuerpflichtige erfasst werden, die einer Person i. S. v. § 1 Abs. 2 AStG nahestehen – hier sind Beteiligungen von mindestens 25 % denkbar – bzw. über eine ausländische Betriebstätte verfügen (Umkehrschluss aus § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b EStG). Die Zinsschranke ist folgendermaßen ausgestaltet: Unbeschränkt können Zinsaufwendungen nur bis zur Höhe der Zinserträge desselben Wirtschaftsjahrs abgezogen werden (§ 4h Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG). Übersteigen die Zinsaufwendungen die -erträge, ist der verbleibende Saldo aus Zinsaufwendungen und -erträgen (Nettozinsaufwand) nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) sofort steuerlich abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG). Das verrechenbare EBITDA ist definiert als 30 % des Gewinns vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG).
Rz. 39
Verbleibende Zinsaufwendungen, die unter Berücksichtigung der Ausführungen in Rz. 38 nicht abgezogen werden dürfen, sind darüber hinaus bis zur Höhe der EBITDA-Vorträge der fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre abz...