Mit der sog. Vollverzinsung soll ein Ausgleich geschaffen werden, wenn Steuern erst lange nach ihrer Entstehung festgesetzt werden und dies zu einer Nachzahlung oder Erstattung führt. Diese Verzinsung gibt es u. a. bei der Einkommensteuer. Kirchensteuern werden nur verzinst, soweit Landeskirchensteuergesetze dies vorsehen. Der Solidaritätszuschlag unterliegt mangels ausdrücklicher Nennung in § 233a Abs. 1 Satz 1 AO nicht der Verzinsung.
Bei der Verzinsung von Steuernachzahlungen ist der Steuerpflichtige auch Zinsschuldner. Schulden mehrere Personen die Steuer als Gesamtschuldner, sind sie auch Gesamtschuldner der Zinsen, z. B. Ehegatten. Bei der Verzinsung von Erstattungsansprüchen ist grundsätzlich der Gläubiger des Erstattungsanspruchs Zinsgläubiger.
Der Zinssatz beträgt für den Zeitraum ab dem 1.1.2019 0,15 % und davor 0,5 % für jeden vollen Monat. Der zu verzinsende Betrag wird auf den nächsten durch 50 EUR teilbaren Betrag abgerundet.
Nachzahlungszinsen gehören zu den nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbaren Ausgaben.
2.1 Beginn und Ende der Verzinsung
Die Verzinsung beginnt gem. § 233a Abs. 2 Satz 1 AO im Regelfall 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sog. Karenzzeit.
Ermittlung des Verzinsungsbeginns
S gibt seine Einkommensteuererklärung für 01 im Februar 03 ab. Ergeht der Bescheid noch im März 03, können keine Zinsen entstehen. Ergeht er, z. B. wegen langwieriger Ermittlungen, erst im Mai 03, entstehen Zinsen ab 1.4.03, und zwar zulasten des S für eine sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Nachzahlung oder zugunsten des S für eine sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Erstattung.
Abweichend vom Regelfall beträgt die Karenzzeit 23 Monate, wenn bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die anderen Einkünfte überwiegen. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO wurde zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens bestimmt, dass der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitalerträge bei der Entscheidung über die maßgebliche Karenzzeit nicht zu berücksichtigen sind. Dies entspricht der bisherigen Verwaltungspraxis.
"Coronabedingte" Verschiebung des Zinslaufbeginns für die Veranlagungszeiträume 2019 bis 2024
Für die Veranlagungszeiträume 2019 bis 2024 verschiebt sich aufgrund der Corona-Pandemie der Beginn des Zinslaufs entsprechend der jeweils verlängerten Erklärungsfristen. Bei der Einkommensteuer bedeutet dies:
Für die VZ 2019 bis 2021 beginnt im Regelfall der Zinslauf jeweils 6 Monate später, demnach für 2019 am 1.10.2021, für 2020 am 1.10.2022, für 2021 am 1.10.2023, für 2022 am 1.9.2024, für 2023 am 1.7.2025 und für 2024 am 1.6.2026.
Bei Berücksichtigung rückwirkender Ereignisse i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO oder eines Verlustrücktrags i. S. d. § 10d Abs. 1 EStG beginnt die Verzinsung gem. § 233a Abs. 2a AO später.
Es besteht kein Anspruch auf Verzinsung eines zu erstattenden Einkommensteuerguthabens, wenn ein Einkommensteuerbescheid noch vor dem Beginn des Zinslaufs i. S. v. § 233a Abs. 2 Satz 1 AO ergangen ist und mangels eines gemeinsamen Kontos und mangels Zustimmung der Ehefrau zur Auszahlung auf das Konto des Ehemanns zunächst nicht erfolgen kann.
Die Verzinsung endet nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, also mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids. Unerheblich ist, ob und wann die Steuerforderung tatsächlich entrichtet wird.
Ermittlung des Verzinsungsendes
Der Einkommensteuerbescheid für 01 geht am 28.5.03 zur Post. Er gilt gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 am 4. Tag nach der Postaufgabe, somit am 1.6.03 als wirksam bekannt gegeben. Der Zinslauf endet am 1.6.03, und zwar auch dann, wenn der Bescheid schon früher, also z. B. schon am 29.5.03, zugegangen ist. Zinsen werden erhoben für 2 Monate (April und Mai).
Bei der Berechnung der Zinszeit werden nur volle Monate berücksichtigt. Angefangene Monate bleiben nach § 238 Abs. 1 Satz 2 AO außer Ansatz.
Ein voller Zinsmonat ist erreicht, wenn der Tag, an dem der Zinslauf endet, hinsichtlich seiner Zahl dem Tag entspricht, der dem Tag vorhergeht, an dem die Frist begann. Begann der Zinslauf z. B. am 1.4. und wurde der Steuerbescheid am 30.4. bekannt gegeben, ist bereits ein voller Zinsmonat gegeben. Endet der normale Zinslauf allerdings an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich nach § 108 Abs. 3 AO das Ende auf den nächsten folgenden Werktag.