Kommentar
Ein Schreiben des BMF stellt Fälle dar, in denen eine Nichtbesteuerung von Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt. Der Anwendungsbereich des Schreibens ist indes eng.
Billigkeitsregelung zur ertragsteuerlichen Behandlung von Zinsen
Erhält ein Steuerpflichtiger Zinsen auf Steuererstattungen gemäß § 233a AO sind diese als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Im Gegenzug sind gezahlte Zinsen auf Steuernachforderungen nach § 233a AO bereits seit 1999 nicht mehr steuermindernd geltend zu machen. Diese Rechtslage ist nach der Auffassung des BMF nicht sachlich unbillig, sondern eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, die daran anknüpft, dass auch private Schuldzinsen nicht steuerlich abzugsfähig sind, Guthabenzinsen aber zu versteuern sind. In seltenen Fällen wird diese unterschiedliche Behandlung allerdings selbst von der Finanzverwaltung als unbillig empfunden. Dies ist dann der Fall, wenn die Steuerforderung und die Steuererstattung gegenüber demselben Steuerpflichtigen auf ein und demselben Ereignis beruhen.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens
Das aktuelle BMF-Schreiben stellt neben einer kurzen Zusammenfassung der Rechtslage vor allem Beispiele dar, in denen eine sachliche Härte in der Zinsfestsetzung vorliegt bzw. nicht vorliegt. Liegt diese vor, sind Erstattungszinsen nicht mit in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen, mit anderen Worten es erfolgt keine Besteuerung der Zinsen. Voraussetzung ist, dass die Nachzahlungszinsen und die Erstattungszinsen auf demselben Ereignis beruhen. Diese Beispiele sind wie folgt:
- Aufgrund einer Betriebsprüfung wird im Jahr 04 der Warenbestand erhöht, was zu Einkommensteuer und Nachzahlungszinsen in 04 führt. Der erhöhte Wareneinsatz in 05 führt demgegenüber dann zu einer Steuererstattung und Erstattungszinsen. Diese Erstattungszinsen sind auf Antrag nicht zu versteuern (Beispiel 1).
- Hingegen liegt kein Anwendungsfall des BMF-Schreibens vor, wenn die Einkommensteuernachzahlung 04 auf einer Nichtanerkennung einer Teilwertabschreibung beruht und es deshalb zu Nachzahlungszinsen kommt. In 05 gibt es weitere zusätzliche Betriebsausgaben, die zu einer Gewinnminderung führen und auch Erstattungszinsen nach sich ziehen. Hier kommt keine Steuerfreiheit von Zinsen in 05 in Betracht, da die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auf verschiedenen Ereignissen beruhen (Beispiel 2).
- Anerkannt wird eine sachliche Unbilligkeit hingegen, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung selbstständige Einkünfte in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden, was zu Nachzahlungszinsen zur Gewerbesteuer führt. Auf der anderen Seite erfolgt eine Erstattung zu Einkommensteuer im selben Jahr, da die Gewerbesteuer nach § 35 EStG angerechnet werden kann. Die Erstattungszinsen zur Einkommensteuer sind hier auf Antrag nicht zu versteuern, da die Nachzahlungszinsen zur Gewerbesteuer und die Erstattungszinsen zur Einkommensteuer auf demselben Ereignis beruhen (Beispiel 3).
- Selbiges gilt um umgekehrten Fall, wenn Einkünfte aus Gewerbebetrieb in selbstständige Einkünfte umqualifiziert werden. Hier kommt es zu Erstattungszinsen auf die Gewerbesteuer, die nicht mehr festgesetzt wird, aber zu Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer, da die Anrechnung nach § 35 EStG entfällt. Auch hier ist ein Antrag erforderlich (Beispiel 4).
Anwendungsbereich des Schreibens ist eng
Das BMF-Schreiben v. 16.3.2021 ist sicherlich kein großer Wurf, da der Anwendungsbereich sehr eng ist. Stattdessen sollten Steuerpflichtige, denen gegenüber Zinsen festgesetzt werden, anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles prüfen, ob ein Erlass in Betracht kommt. Einige Hinweise finden sich hierzu etwa in der Tz. 69 des AEAO, der einschlägige Urteile des BFH zitiert.
Darüber hinaus sollte derzeit gegen jede Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt werden, um den Sachverhalt angesichts der aktuellen Diskussion über die Rechtmäßigkeit des Zinssatzes von 6 % in der langen Niedrigzinsphase offen zu halten. Zwar werden Zinsfestsetzungen derzeit seit 2019 unter den Vorbehalt des § 165 AO gestellt, doch schadet ein Einspruch sicher nicht. De lege ferenda ist zudem eine umfassende Neuregelung der gesetzlichen Grundlagen zur Zinsfestsetzung wünschenswert. Dies betrifft nicht nur die Höhe des Zinssatzes, sondern etwa auch die missliche Situation, dass sich die Finanzverwaltung beliebig Zeit für eine Veranlagung lassen kann, während die Zinsuhr weiterläuft.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 16.3.2021, IV C 1 - S 2252/19/10012 :011