Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach §§ 22 Nr. 2, 23 EStG ist dem Erfordernis der Nämlichkeit zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut teilweise genügt, wenn ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und nach Löschung des Erbbaurechts kurzfristig lastenfrei weiterveräußert wird.
2. Der Ermittlung des Gewinns aus einem solchen privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist nur der anteilige Veräußerungspreis zugrunde zu legen, der wirtschaftlich gesehen auf das Grundstück im belasteten Zustand entfällt; er ist ggf. im Schätzungswege zu ermitteln.
Normenkette
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 1 Abs. 1 ErbbauRG, § 162 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Der maßgebliche Sachverhalt ist uns schon weitgehend bekannt. K erwarb im Zuge eines Erbfalls 2003 ein Erbbaurecht an einem Grundstück mit Wohngebäude. Im Jahr 2005 erwarb er auch das Eigentum am Grundstück, löschte das Erbbaurecht und veräußerte das Grundstück im selben Jahr an Dritte. Das FA erfasste einen Gewinn, der anteilig auf das Grundstück entfiel. Das FG lehnte daraufhin die Steuerbarkeit des Geschäfts von vornherein ab, weil das veräußerte Wirtschaftsgut mit dem erworbenen wirtschaftlich nicht identisch sei (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.5.2012, 1 K 1353/09, Haufe-Index 3232297, EFG 2012, 1929).
Entscheidung
Dieser Auffassung folgte der BFH auf Revision des FA nicht. Die Lösung ergibt sich aus der wirtschaftlichen Teilidentität von erworbenem (belastetem) und veräußertem Grundstück (unbelastet). Der BFH konnte aber nicht durchentscheiden und gab die Sache an das FG zurück. Dieses hat nach der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig bislang keine ausreichenden Feststellungen zur Ermittlung und Höhe des Veräußerungsgewinns oder -verlusts getroffen, die dem Revisionsgericht eine abschließende Entscheidung in der Sache ermöglichen würden.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zunächst zu entscheiden haben, in welcher Höhe der Veräußerungspreis auf das maßgebliche Grundstück entfällt.
In einem weiteren Schritt wird das FG sodann prüfen, wie hoch das Entgelt für das maßgebliche Grundstück anzusetzen wäre, wenn es noch mit dem Erbbaurecht belastet gewesen wäre. Denn nur dieser Anteil kann als Veräußerungspreis im Rahmen des § 23 EStG berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung des FG entspricht der Wert des (gelöschten) Erbbaurechts dabei nicht zwingend dem durch die Veräußerung des Grundstücks realisierten Wertzuwachs.
Hinweis
K ist seit 2003 Berechtigter eines Erbbaurechts an einem Grundstück und (deshalb) Eigentümer des aufstehenden Wohngebäudes. Im Jahr 2005 erwarb K auch das Grundstück, löschte das Erbbaurecht und veräußerte das Grundstück (mit Gebäude). Ist der Vorgang steuerbar? Das hängt davon ab, ob und inwieweit das veräußerte mit dem erworbenen Wirtschaftsgut identisch ist. Was hat K erworben und was hat er veräußert?
1. Nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auch Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Angeschafftes und veräußertes Wirtschaftsgut müssen nämlich, und das bedeutet, im wirtschaftlichen Sinn identisch sein. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts.
2. Ob eine solche wirtschaftliche Teilidentität zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut gegeben ist, richtet sich nach einem wertenden Vergleich unter Berücksichtigung aller Umstände. Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.
3. K erwarb ein Grundstück und veräußerte dieses Grundstück innerhalb des maßgebenden Zeitraums. Wo ist eigentlich das Problem? Eine derart einfache Betrachtung würde außer Acht lassen, dass K zunächst ein mit einem eigenen Recht belastetes Grundstück erwarb, er aber ein unbelastetes Grundstück veräußerte. Das im Anschaffungszeitpunkt, jedoch nicht mehr im Veräußerungszeitpunkt bestehende Erbbaurecht steht einer vollumfänglichen wirtschaftlichen Identität im Sinne einer "Gleichwertigkeit" von angeschafftem und veräußertem Grundstück entgegen. Von einer wirtschaftlichen Identität kann vielmehr nur insoweit ausgegangen werden, als das angeschaffte (belastete) Wirtschaftsgut in dem veräußerten (unbelasteten) Wirtschaftsgut aufgegangen ist; dem Erfordernis der Nämlichkeit ist mithin (nur) partiell genügt. Der Ermittlung des Gewinns nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist daher auch nur der anteilige Veräußerungspreis zugrunde zu legen, der wirtschaftlich gesehen auf das Gr...