Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Wird die arbeitsvertragliche Zusage von Weihnachts- und Urlaubsgeld vor dem Zeitpunkt der Entstehung dieser Sonderzuwendungen einvernehmlich aufgehoben, kann dem Arbeitnehmer weder Arbeitslohn über die Grundsätze des Zuflusses von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter zufließen noch kann der Arbeitnehmer insoweit eine zuflussbegründende verdeckte Einlage bewirken.
Normenkette
§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, BGB §§ 133, 157 BGB
Sachverhalt
Die Ehegatten M und F waren zu je 50 % an einer GmbH beteiligt. M war Geschäftsführer, F kaufmännische Angestellte der GmbH. 1997 vereinbarten sie mit der GmbH jeweils die Gewährung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld; das wurde aber 1999 bis 2002 nicht ausgezahlt und auch in der Bilanz der GmbH nicht als Passivposten ausgewiesen. In den ESt-Erklärungen für 1999–2002 gaben M und F ebenfalls keinen Bezug von Urlaubs- und Weihnachtsgeld an. Nach einer LSt-Außenprüfung bei der GmbH ging das FA davon aus, dass den Ehegatten das Urlaubs- und Weihnachtsgeld 1999–2002 jeweils bereits mit Fälligkeit zugeflossen sei, und erließ entsprechende ESt-Bescheide. Die Klage dagegen war erfolgreich (Schleswig-Holsteinisches FG vom 13.10.2011, 1 K 83/11, Haufe-Index 3019104, EFG 2012, 1543, EFG 2012, 1543).
Entscheidung
Der BFH bestätigte aus den unter den Praxis-Hinweisen erörterten Erwägungen die Vorentscheidung, dass nämlich kein Urlaubs- und Weihnachtsgelds zugeflossen ist.
Hinweis
Wieder ging es um den fingierten Zufluss von vereinbarten, tatsächlich aber nicht ausgezahlten Gehaltsteilen, insbesondere Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Tantieme beim beherrschenden Gesellschafter (BFH, Urteil vom 3.2.2011, VI R 4/10, BFH/NV 2011, 904, BFH/PR 2011, 216).
1. Zu den Überschusseinkünften zählende Lohneinkünfte sind nicht schon dann erzielt, wenn ein Anspruch auf Zahlung besteht, sondern grundsätzlich erst dann, wenn diese auch tatsächlich ausgezahlt wurden; erst das ist der Zufluss i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Lediglich bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft lässt die Rechtsprechung eine Ausnahme zu. Dort gelten Gehaltsteile bereits dann als zugeflossen, wenn sie die Kapitalgesellschaft ihren beherrschenden Gesellschaftern schuldet und sie sich bei der Ermittlung ihres Einkommens auch ausgewirkt haben (vgl. dazu BFH/PR 2011, 216). Ein Zufluss kann zudem auch durch eine verdeckte Einlage erbracht werden. Das ist aber an sich keine Ausnahme vom Zuflussprinzip, sondern nur eine besondere Form, indem nämlich der beherrschende Gesellschafter nicht irgendwelche Ansprüche erlässt und dadurch etwa eine Vermögenseinbuße erleidet, sondern sie vielmehr dazu nutzt, sein Vermögen umzuschichten (vgl. BFH, Urteil vom 20.7.2005, X R 22/02, BFH/NV 2005, 2111, BFH/PR 2005, 449, m.w.N.). Die verdeckte Einlage muss hierbei notwendig das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich danach, ob Bilanzpositionen in eine Bilanz hätten eingestellt werden müssen, die zum Zeitpunkt des Verzichts erstellt worden wäre.
2. Danach lag hier kein Zufluss vor. Weder durch tatsächliche Zahlung noch durch Fiktion nach den für beherrschende Gesellschafter geltenden Grundsätzen. Denn von einer solchen Beherrschung ist auch bei einer jeweils 50 %-Beteiligung von Ehegatten nicht auszugehen (auch dazu BFH/PR 2011, 216); und Gegenteiliges in tatsächlicher Hinsicht hatte auch das Finanzgericht nicht festgestellt. Entscheidend war hier, dass es bereits an einer Forderung fehlte. Denn der zunächst arbeitsvertraglich eingeräumte Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurde mindestens konkludent aufgehoben. Die Sonderzuwendungen wurden über mehrere Jahre hinweg weder ausgezahlt noch in der GmbH als Aufwand erfasst. Das war nach der Würdigung des FG auch kein Buchungsfehler, sondern planvolles Vorgehen der Beteiligten. Der BFH sah sich durch die Rechtsprechung des BAG insoweit bestätigt, als dies als Vertragsänderung gelten kann (vgl. BAG, Urteil vom 1.8.2001, 4 AZR 129/00, BAGE 98, 293). Mangels Anspruch konnte dann auch keine einen Zufluss begründende verdeckte Einlage vorliegen.
3. Der BFH nutzte das Urteil darüber hinaus zur Klarstellung der vorangegangenen Entscheidung (BFH/PR 2011, 216). Denn aus dieser ergibt sich nicht, dass der Zufluss von Vergütungsansprüchen im Wege der verdeckten Einlage schon dann ausgeschlossen ist, wenn die Ansprüche entgegen dem Bilanzrecht in den Büchern der Gesellschaft tatsächlich nicht berücksichtigt wurden. Denn dort fehlten bereits Feststellungen dazu, ob die Gesellschafter auf Vergütungsansprüche verzichteten und bilanzierbare Vermögensvorteile zuwandten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.5.2013 – VI R 24/12