Leitsatz
1. Für die Dokumentation der Zuordnung (grundlegend BFH-Urteil vom 07.07.2011 – V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.
2. Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. So ist es z.B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UStG, Art. 167, Art. 168 Buchst. a, Art. 168a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger betreibt ein Gerüstbauunternehmen. Im Jahr 2014 plante der Kläger die Errichtung eines Einfamilienhauses. In dem vom Planungsbüro erstellten Grundriss vom 29.7.2014 ist ein 16,57 qm großer Raum im Erdgeschoss mit "Arbeiten" bezeichnet; die "Nettogrundfläche gesamt" des Gebäudes ist mit 181,3 qm angegeben.
Der Kläger reichte für das Streitjahr (2015) beim FA USt-Voranmeldungen ein, in denen er keinen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zur Errichtung des Gebäudes geltend machte.
Erstmals in der am 28.9.2016 beim FA eingegangenen, zustimmungsbedürftigen USt-Erklärung für das Streitjahr machte der Kläger anteilig den Vorsteuerabzug geltend. Mit Schreiben vom 27.2.2017 ergänzte er, dass der unternehmerische Nutzungsanteil nicht (wie bisher angenommen) 8,91 %, sondern 10,28 % betrage.
Nach Durchführung einer USt-Sonderprüfung beim Kläger nahm die Prüferin an, dass der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus zwei Gründen zu versagen sei: Erstens habe der Kläger das Gebäude nicht zeitnah dem Unternehmen zugeordnet und zweitens sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen, da die unternehmerische Nutzung des Gebäudes weniger als 10 % betrage.
Den Einspruch, mit dem der Kläger u.a. geltend machte, der abziehbare Anteil steige aufgrund der anteiligen unternehmerischen Nutzung des Gäste-WC auf 12,32 %, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 17.1.2018 als unbegründet zurück.
Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 19.3.2018, 5 K 249/18, Haufe-Index 13552359, EFG 2019, 1861) wies die Klage ab. Es nahm an, eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung liege nicht vor.
Entscheidung
Der BFH verwies den Rechtsstreit aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen an das FG zurück.
Hinweis
Mit dem Besprechungsurteil und der Parallelentscheidung vom selben Tag mit dem Az. XI R 29/21 (XI R 7/19) (BFH/PR 2022, 240) zieht der BFH die Folgen aus dem EuGH-Urteil Finanzamt N vom 14.10.2021, C-45/20 und C-46/20 (BFH/NV 2021, 1629).
1. Der BFH stellt klar, dass die sog. Zuordnungsfrist (grundlegend BFH-Urteil vom 7.7.2011, V R 42/09, BFH/NV 2011, 1980, BStBl II 2014, 76) bereits dadurch gewahrt wird, dass innerhalb der Frist eine eindeutige Zuordnung zum Unternehmen erfolgt. Die Mitteilung an die Finanzbehörde darf, wenn die Zuordnung innerhalb der Frist erfolgt ist, auch noch nach Ablauf der Frist erfolgen. Ihr steht nicht entgegen, dass in den Voranmeldungen für das Streitjahr kein anteiliger Vorsteuerabzug vorgenommen wurde.
2. Zum vorliegenden Arbeitszimmer-Fall stellt der BFH klar, dass die in Bauantragsunterlagen enthaltene Bezeichnung eines Zimmers mit "Arbeiten" für eine Zuordnung nur dann ausreicht, wenn die Absicht des Steuerpflichtigen, dieses Zimmer für sein Unternehmen zu nutzen, durch andere objektive Anhaltspunkte, die diese Nutzung belegen, untermauert wird. In der "Segelanleitung" an das FG benennt der BFH einige Indizien, die sich hierfür aus den Akten ergeben (Erstbezug im Streitjahr, der durch die Vornahme einer anteiligen AfA für das Streitjahr bei der ESt bestätigt wird; das Zimmer im Privathaus war in den Vorjahren der einzige Unternehmenssitz).
3. Zum "Problem" für den Kläger könnte im Streitfall die unternehmerische Mindestnutzung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) werden, da der BFH eine rechtzeitige Zuordnung eines Gäste-WC verneint hat. Eine solche Bezeichnung lässt bei einem ansonsten privat genutzten Haus keine Absicht zur Zuordnung zum Unternehmen erkennen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.5.2022 – XI R 28/21 (XI R 3/19)