Kommentar
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob bei der Lieferung eines Grundstücks für Zwecke der Option eine Aufsplittung des Grundstücks in mehrere Liefergegenstände entsprechend der vom Veräußerer unterschiedlich genutzten Grundstücksteile vorgenommen werden kann. In dem Fall war ein bebautes Grundstück verkauft worden, daß sich aus einer Pension, einem Restaurant und einer Privatwohnung zusammensetzte. Der Veräußerer wollte bei der Lieferung nur bezüglich der Pension und des Restaurants, nicht aber bezüglich der Privatwohnung zur Umsatzsteuerpflicht gemäß § 9 UStG optieren.
Das Finanzamt war der Meinung, die Option könne nur einheitlich für das gesamte Grundstück erklärt werden.
Nach dem Urteil hat der Unternehmer ein Wahlrecht, ob er einheitliche Gegenstände, die er sowohl unternehmerisch als auch privat verwendet, ganz oder teilweise seinem Unternehmensvermögen zuordnet. Hat der Unternehmer einen privat genutzten Grundstücksteil seinem Unternehmensvermögen nicht zugeordnet, veräußert diesen Teil des Grundstücks bei der Veräußerung des Gesamtgrundstücks nicht als Unternehmer, sondern als Privatperson. Die Veräußerung des privat genutzten Grundstücksteils ist somit nicht umsatzsteuerbar und unterliegt demgemäß auch nicht dem Optionsrecht gemäß § 9 UStG .
Der EuGH hat mit seinem Urteil die von der Finanzverwaltung vertretene sogenannte Einheitstheorie verworfen. Nach dem Urteil ist die zivilrechtliche Behandlung bei der Lieferung eines Grundstücks (zivilrechtlich ein einheitlicher Gegenstand) für die umsatzsteuerliche Behandlung unbeachtlich.
Das Urteil ist zwar zu dem Fall der Lieferung eines Grundstücks, also eines unbeweglichen Gegenstandes ergangen. Die Finanzverwaltung wendet es jedoch auch auf bewegliche Wirtschaftsgüter an. Mit BMF-Schreiben vom 27.6.1996 (BStBl. I 1996, 702) ist dem Unternehmer ein Wahlrecht für Grundstücke und bewegliche Wirtschaftsgüter bei der Entscheidung zugestanden worden, in welchem Umfang er die Gegenstände seinem unternehmerischen Bereich zuordnet. Der Unternehmer kann danach einerseits ein Gebäude mit dem dazugehörigen Grund und Boden insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen, auch wenn das Gebäude teilweise unternehmerisch genutzt wird. Andererseits kann der Unternehmer ein Gebäude auch dann seinem Unternehmen zuordnen, wenn die unternehmerische Nutzung nur geringfügig sein sollte. Ein nichtunternehmerisch (privat) genutzter Gebäudeteil kann auch von vornherein ganz oder teilweise seinem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet werden.
Für bewegliche Wirtschaftsgüter geht das BMF-Schreiben davon aus, daß Unternehmer solche Gegenstände insgesamt ihrem Unternehmen zuordnen. In diesen Fällen können sie Vorsteuern aus den Anschaffungskosten als auch aus den laufenden Kosten in voller Höhe abziehen. Die nichtunternehmerische Nutzung wird dann als Verwendungseigenverbrauch erfaßt.
Ordnet der Unternehmer einen Teil des Gegenstandes seinem nichtunternehmerischen Bereich zu, entfällt insoweit der Vorsteuerabzug. Wird dieser nicht unternehmerisch genutzte Gegenstandsteil später doch dem Unternehmensbereich zugeordnet (Einlage), führt dies nicht zu einer nachträglichen Vorsteuerkorrektur nach § 15 a UStG . Um dieses Risiko auszuschalten, ist jeder Unternehmer daher sicherlich gut beraten, Teile eines Gegenstandes nur dann dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen, wenn feststeht, daß sie während des gesamten Vorsteuerberichtigungszeitraums tatsächlich in diesem Umfang nichtunternehmerisch genutzt werden sollen.
Das BMF-Schreiben enthält keine Aussage darüber, ob ein Gegenstand, der ausschließlich unternehmerisch genutzt wird, auch insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet werden kann. Diese Möglichkeit ist m.E. nach dem EuGH-Urteil ausgeschlossen. Zum einen führt der EuGH in Randziffern 19 und 20 seiner Entscheidung aus, daß ein privat genutzter Teil eines Gegenstandes nicht dem unternehmerischen Bereich zugeordnet werden muß. Den umgekehrten Fall spricht er hier nicht an. Auch in Randziffer 28 der Entscheidungsgründe scheint der EuGH von dem Grundfall auszugehen, daß der Teil des Gegenstandes, der sich im unternehmerischen Vermögen befindet, auch unternehmerisch genutzt wird.
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 26.6.1996 (BStBl. II 1997, 98) aus der EuGH-Entscheidung die weitere Schlußfolgerung gezogen, daß bei der Veräußerung eines Grundstücks der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 UStG auf einen abgrenzbaren Teil des Grundstücks beschränkt werden kann. Besitzt ein Unternehmer ein Grundstück, daß er zu einem Teil gewerblich und zu einem anderen Teil privat nutzt, und hat er das gesamte Grundstück seinem unternehmerischen Bereich zugeordnet, kann er bei der Veräußerung des Grundstücks die Option auf den gewerblichen oder aber auch auf den privat genutzten Teil beschränken.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 04.10.1995, C-291/92