Leitsatz
1. Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug gilt unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vorteil oder zum Nachteil des Leistungsempfängers wirkt.
2. Auch der Stornierung einer Rechnung nebst Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung kann eine solche Rückwirkung zukommen.
3. Eine Rechnung ist auch dann "unzutreffend" i.S. des § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 31 Abs. 5 UStDV, Art. 219 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin war im Streitjahr Organträgerin einer GmbH (GmbH). Diese ließ einen Bioenergiepark errichten. Dabei war sie berechtigt, Subunternehmer einzuschalten.
Die GmbH beauftragte A, Leistungen zur starkstromtechnischen Erschließung (Planung, Lieferung und Montage) zu erbringen. Außerdem beauftragte sie B damit, die Netzwerkverkabelung vorzunehmen sowie Leistungen zum Überspannungsschutz der Trafostationen und der Module zu erbringen.
A und B rechneten gegenüber der GmbH unter offenem Ausweis von Umsatzsteuer ab und entrichteten die Umsatzsteuer an das für sie zuständige FA. Die Klägerin zog die Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.
Das für die Klägerin zuständige FA vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Leistungen der A und der B um Bauleistungen gehandelt habe, auf die § 13b Abs. 2 UStG a.F. anzuwenden gewesen sei, sodass der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen von A und B nicht zustehe.
Im Jahr 2012 erteilte A eine Gutschrift zur Ursprungsrechnung und eine neue Rechnung ohne Umsatzsteuer unter Hinweis auf § 13b UStG. B berichtigte die Rechnungen und rechnete mit Hinweis auf § 13b UStG ebenfalls ohne Umsatzsteuer ab. Außerdem erhielt die Klägerin die gezahlte Umsatzsteuer von A und B zurück.
Das FA versagte den Vorsteuerabzug im Jahr 2007 weiterhin. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 1.2.2017, 2 K 1209/16, Haufe-Index 10873174, EFG 2017, 1308) gab der Klage statt. Es vertrat die Ansicht, dass es sich bei den Leistungen der A und der B nicht um Leistungen i.S.d. § 13b UStG a.F. gehandelt habe. Die ursprünglichen Rechnungen seien richtig gewesen und daher nicht rückwirkend durch die berichtigten Rechnungen ersetzt worden.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Auf die Zinsfrage musste er nicht eingehen, weil die Zinsen nicht Verfahrensgegenstand waren.
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 15.9.2016, C-518/14, Senatex, BFH/NV 2016, 1879) und des BFH (BFH, Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15, BFH/NV 2017, 252) hat die Berichtigung einer berichtigungsfähigen Rechnung Rückwirkung auf den Zeitpunkt ihrer Ausstellung.
2. Die rückwirkende Berichtigung kann dabei auch in der Weise erfolgen, dass die Ausgangsrechnung storniert und durch eine berichtigte Rechnung ersetzt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 15.7.2010, C-368/09, Pannon Gep Centrum, BFH/NV 2010, 1762, Rz. 21, 45). Dies gilt dann, wenn sich aus der berichtigten Rechnung oder dem Übersendungsschreiben ein Bezug auf die stornierte Rechnung ergibt (§ 31 Abs. 5 Satz 2 UStDV, Art. 219 MwStSystRL).
3. Nach nationalem Recht (§ 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV) dürfen Rechnungen nur "berichtigt" werden, die "unrichtig" sind (vgl. BFH, Urteil vom 19.6.2013, XI R 41/10, BFH/NV 2013, 2041, BStBl II 2014, 738). Unrichtig i.S.d. § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV ist eine Rechnung aber nicht nur dann, wenn sie mit der objektiven Rechtslage nicht in Einklang steht, sondern auch dann, wenn ein offener Steuerausweis in einer Rechnung vom leistenden Unternehmer im Einvernehmen mit dem Leistungsempfänger geändert wird und der leistende Unternehmer im Rahmen der Änderung der Rechnung die vom Leistungsempfänger gezahlte, in der Rechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer an ihn zurückzahlt.
Bei Nachzahlungszinsen Erlassanspruch prüfen
Soweit diese Beurteilung zu Nachzahlungszinsen beim Leistungsempfänger führt, ist auf das Urteil (BFH, Urteil vom 26.9.2019, V R 13/18, BFH/NV 2020, 35) hinzuweisen: Die aufgrund der Versagung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger entstehenden Zinsen sind aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn das FA die für die Leistung geschuldete Steuer vom vermeintlichen statt vom wirklichen Steuerschuldner vereinnahmt hatte, der Leistende seine Rechnungen mit Steuerausweis berichtigt und den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch an den Leistungsempfänger abtritt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.1.2020 – XI R 10/17