Leitsatz
1. Die Vermittlung einer Leistung, für die ein "Erlebnisgutschein" ausgestellt wird, setzt voraus, dass der Vermittler entweder den Veranstalter über das Vorliegen eines Vermittlungserfolgs informiert und ihm gegenüber so eine Gelegenheit zur Leistungserbringung nachweist oder aber zumindest dem Gutscheinerwerber die Kontaktdaten des Veranstalters mitteilt, damit dieser die ihm dann nachgewiesene Gelegenheit zur Inanspruchnahme der durch den Gutschein verbrieften Leistung nutzen kann.
2. Fehlt es hieran, ist keine Anzahlungsbesteuerung vorzunehmen und führt der Verfall von Gutscheinen nicht zu einer Steuerberichtigung.
3. Der Verfall von Gutscheinen schränkt den Vorsteuerabzug des Vermittlers von Gutscheinen nicht ein.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 65, Art. 168 Buchst. a, Art. 169 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger verkaufte im Jahr 2013 über sein Internetportal im eigenen Namen und für eigene Rechnung Erlebnisgutscheine. Die Gutscheine berechtigten zur Inanspruchnahme bestimmter Erlebnisse beim jeweiligen Veranstalter. Nach seinen AGB wurde der Kläger in Bezug auf diese Leistung als Vermittler tätig. Der Gutscheinerwerber erhielt die Kontaktdaten des Veranstalters erst bei der Aktivierung des Gutscheins und damit erst dann, wenn er den Gutschein einlösen wollte. Die Gutscheine waren innerhalb einer bestimmten Frist einzulösen. Die Veranstalter erfuhren von den Kunden erst durch die Inanspruchnahme der Erlebnisleistung durch den Gutscheininhaber. Sie veranlassten dann unter Verwendung einer auf dem Gutschein vermerkten Referenznummer die Abrechnung durch den Kläger. Der Kläger zahlte daraufhin dem Veranstalter den für den Erlebnisgutschein vereinbarten Preis abzüglich der vereinbarten Vermittlungsprovision aus. Der Kläger versteuerte nur seine Vermittlungsprovisionen. Demgegenüber ging das FA davon aus, dass der Kläger bereits mit dem Verkauf der Gutscheine steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, wobei er die Zahlungen der Gutscheinerwerber als Gegenleistung erhalten habe. Der Einspruch und die Klage zum FG im ersten Rechtsgang hatten keinen Erfolg. Der BFH (BFH, Urteil vom 15.3.2022, V R 35/20, BFH/NV , BStBl II 2023, 150) hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe in einem zweiten Rechtsgang die maßgebenden Leistungsbeziehungen festzustellen, insbesondere, ob der Kläger hinsichtlich der Erbringung der Erlebnisse in eigenem oder in fremdem Namen aufgetreten sei. Im zweiten Rechtsgang wies das FG (FG Münster, Urteil vom 28.9.2023, 5 K 1404/18 U, Haufe-Index 14196372) die Klage überwiegend ab. Zwar sei der Kläger in Bezug auf die Leistungen, die aufgrund der Erlebnisgutscheine in Anspruch genommen werden konnten, als Vermittler aufgetreten. Durch den Verfall von Gutscheinen und die unterbleibende Erlösauskehr an die Veranstalter habe sich aber die Bemessungsgrundlage für seine Vermittlungsleistung erhöht.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auch im zweiten Rechtsgang auf und gab nunmehr der Klage in vollem Umfang statt. Die Vermittlung einer Leistung, für die ein "Erlebnisgutschein" ausgestellt wird, setzt voraus, dass der Vermittler entweder den Veranstalter über das Vorliegen eines Vermittlungserfolgs informiert und ihm gegenüber so eine Gelegenheit zur Leistungserbringung nachweist oder aber zumindest dem Gutscheinerwerber die Kontaktdaten des Veranstalters mitteilt, damit dieser die ihm dann nachgewiesene Gelegenheit zur Inanspruchnahme der durch den Gutschein verbrieften Leistung nutzen kann. Fehlt es hieran, ist keine Anzahlungsbesteuerung vorzunehmen und führt der Verfall von Gutscheinen nicht zu einer Steuerberichtigung. Zudem schränkt der Verfall von Gutscheinen den Vorsteuerabzug des Vermittlers von Gutscheinen nicht ein.
Hinweis
1. Für die Erbringung einer Vermittlungsleistung ist es erforderlich, dass der Vermittler dem Empfänger der Vermittlungsleistung Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachweist. Geht es um die Vermittlung von Leistungen, die aufgrund von Gutscheinen in Anspruch genommen werden können, reicht es zur Erbringung einer Vermittlungsleistung gegenüber demjenigen, der die durch den Gutschein verbriefte Leistung erbringen soll (Veranstalter) nicht aus, dass der Vermittler lediglich einen Gutschein ausstellt, ohne dass dadurch weder für den Veranstalter noch für den Gutscheinerwerber erkennbar war, mit wem ein Vertrag über die Durchführung eines – bestimmten – Erlebnisses geschlossen werden kann. Es genügt zur Ausführung einer Vermittlungsleistung nicht, wenn allein der Vermittler als Mittelsperson die Vertragsparteien kennt. Zur Erbringung einer Vermittlungsleistung an den Veranstalter muss der Vermittler den Veranstalter als seinen Auftraggeber über das Vorliegen eines Vermittlungserfolgs informieren und ihm gegenüber so eine Gelegenheit zur Leistungserbringung nachweisen.
2. Zudem liegt auch keine – durch ein Dritten...