Leitsatz
Hat eine Gesellschaft ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung gekauft, so gehört es i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG erst ab Eintritt der Bedingung zu ihrem Vermögen, und zwar auch dann, wenn bereits zuvor die Auflassung erklärt wird.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 GrEStG, § 38, § 41 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger und ein Dritter (D) waren je zur Hälfte am Stammkapital einer grundbesitzenden GmbH beteiligt. Die GmbH hatte Grundstücke in G unter mehreren aufschiebenden Bedingungen, die insbesondere die Bebaubarkeit der Grundstücke betrafen, erworben. Die Auflassung sollte nach Eintritt der Wirksamkeit der Verträge erklärt werden. Die GmbH machte von dem ihr eingeräumten Recht, bereits vor Bedingungseintritt Teilflächen aus den gekauften Grundstücken weiter zu veräußern, durch ebenfalls aufschiebend bedingte Kaufverträge Gebrauch. Die Auflassung für die von der GmbH verkauften Grundstücke wurde am 27.10.2006 erteilt; die GmbH wurde im November 2006 als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.
Mit Vertrag vom 28.10.2006 kaufte der Kläger den Anteil des D am Stammkapital der GmbH. Hinsichtlich der damit eingetretenen Anteilsvereinigung setzte das FA gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. In die Bemessungsgrundlage bezog es die der GmbH in G gehörenden Grundstücke ein.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG nahm an, die Grundstücke hätten zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zum Vermögen der GmbH gehört (FG Münster, Urteil vom 5.6.2012, 8 K 1667/09 GrE, Haufe-Index 3274862, EFG 2012, 1873).
Entscheidung
Der BFH ist dem nicht gefolgt. Er hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Grunderwerbsteuer antragsgemäß herabgesetzt. Die von der GmbH erworbenen Grundstücke gehörten i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG deshalb noch nicht zu ihrem Vermögen, weil die aufschiebenden Bedingungen im Zeitpunkt des Anteilserwerbs des Klägers von D noch nicht eingetreten waren.
Hinweis
Der Steuertatbestand der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) setzt voraus, dass der Gesellschaft ein Grundstück "gehört". Das Merkmal "gehört" bestimmt sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO, sondern nach spezifisch grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen. Ein Grundstück "gehört" der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Daraus folgt umgekehrt, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber schon vor Entstehung der Steuer aus der Anteilsvereinigung Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war.
1. Gewisse Probleme bereitet die Zurechnung von Grundstücken zur Gesellschaft, wenn diese ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung erwirbt. Hier könnte für die Frage, ab wann dieses Grundstück der Gesellschaft gehört, zum einen auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung abgestellt werden. Nach der Sonderreglung des § 14 Nr. 1 GrEStG entsteht die Steuer erst mit Eintritt der Bedingung. Zum anderen könnte auch auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 23 GrEStG abgestellt werden. Dieser Zeitpunkt wird bei einem Grundstückserwerb unter einer aufschiebenden Bedingung regelmäßig bereits vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung liegen.
2. Der BFH hat nunmehr unter Hinweis auf § 38 AO festgelegt, dass ein von der Gesellschaft erworbenes Grundstück dieser erst dann i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG"gehört", wenn die Grunderwerbsteuer für diesen Erwerb aufgrund eines Erwerbstatbestands nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG gemäß § 14 Nr. 1 GrEStG entstanden ist.
Dies gilt auch dann, wenn bei einem aufschiebend bedingten Grundstückskaufvertrag die Auflassung bereits vor Bedingungseintritt erklärt wird. In diesem Fall ist die Auflassung nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Auch ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag ist ein der Auflassung vorausgegangenes und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbares Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Übereignung begründet. Dies schließt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift aus.
3. Auswirkungen hat diese Beurteilung zur Verknüpfung der Zurechnung eines Grundstücks zur Gesellschaft bei aufschiebend bedingten Erwerbsvorgängen auch in umgekehrter Richtung. Veräußert also die Gesellschaft ein ihr gehörendes Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung, "gehört" das Grundstück erst ab dem Zeitpunkt nicht mehr der Gesellschaft, in dem die Steuer für diesen Veräußerungsvorgang gemäß § 38 AO i.V.m. § 14 Nr. 1 GrEStG entsteht.
Diese Grundsätze zur Bestimmung des einer Gesellschaft "gehörenden" Grundstücks dürften auch für die Steuertatbestände des § 1 Abs. 2a und Abs. 3a GrEStG gelten. Auch diese Regelungen stellen jeweils darauf ab, dass ein Grundstück...