Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Eine die Anwendung von § 34 EStG rechtfertigende Zusammenballung von Einkünften kommt auch dann in Betracht, wenn zu einer Hauptentschädigungsleistung eine in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließende minimale Teilleistung hinzukommt.
Normenkette
§ 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Im Grund genommen ergibt sich der Sachverhalt schon aus den Einleitungsbemerkungen in den Praxis-Hinweisen. K erzielte Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Im September 2006 schloss er mit seinem bisherigen Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, aufgrund dessen er eine einmalige Abfindung von 77000 EUR erhalten sollte. Wie diese Abfindung aber tatsächlich gezahlt wurde, wissen wir bereits.
Das FA unterwarf die Zahlung in 2007 mangels Zusammenballung dem vollen Steuersatz. Das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 26.02.2009, 4 K 1370/2008, Haufe-Index 2153895, EFG 2009, 1386) versteuerte demgegenüber ermäßigt. Hiergegen dann die Revision des FA.
Entscheidung
Der BFH folgte aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Erwägungen dem FG und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
Nehmen wir einmal an, jemand erhält als Abfindung zur Aufhebung seines Arbeitsvertrags insgesamt 77 000 EUR. Der Arbeitgeber zahlt diesen Betrag jedoch nicht in einer Summe aus, sondern überweist 1000 EUR im letzten Arbeitsjahr (hier 2006) und 76 000 EUR im Jahr darauf (2007). Ist die Abfindungszahlung im Jahr 2007 nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern? Ja, entschied der BFH.
1. Eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung (§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht. Die ermäßigte Besteuerung rechtfertigt sich, weil durch die Zusammenballung von Einkünften steuerliche Belastungen entstehen.
2. Nach der Rechtsprechung liegt keine Zusammenballung typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.
3. Bedeutet das nun, dass die Steuerermäßigung hier schon daran scheitert, weil die Entschädigung in den Jahren 2006 und 2007 ausgezahlt wurde?
Diese Frage verneint der BFH: Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist nach dem Wortlaut des § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Außerdem wird der Zweck des § 34 EStG trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen nicht verfehlt, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Hält man dagegen ausnahmslos daran fest, außerordentliche Einkünfte könnten zusammengeballt nur in einem Veranlagungszeitraum zufließen, würde man den Sinn des Gesetzes verfehlen und die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.08.2009 – IX R 11/09