Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss.
2. Die Übernahme der Arbeitnehmerbeförderung i.S.d. § 3 Nr. 32 EStG bedarf grundsätzlich einer besonderen Rechtsgrundlage. Dies kann ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung sein.
3. Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Dienstwagen auch uneingeschränkt für private Zwecke, ist fraglich, ob der Arbeitgeber ein solches Fahrzeug noch zur Beförderung (weiterer) Arbeitnehmer "gestellen" kann.
Normenkette
§ 3 Nr. 32, § 8 Abs. 2 S. 3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH einen Dienstwagen zur privaten Verfügung. Die GmbH hatte ihren Verwaltungssitz am Wohnsitz des Klägers in A. Ihr Geschäftsgegenstand war die Innereifleischerei, die 80 km von A entfernt in B ausgeübt wurde. Zur Pkw-Nutzung war vereinbart, dass die GmbH einen firmeneigenen Pkw zur Verfügung stellt.
Der Kläger war verpflichtet, mit diesem Pkw weitere Arbeitnehmer der Gesellschaft für den betrieblichen Einsatz – soweit es notwendig ist – zu den jeweiligen Arbeitsorten mitzunehmen. Dementsprechend beförderte der Kläger regelmäßig auf seinen Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Schlachtzentrum weitere Mitarbeiter der GmbH, die teilweise auch am Verwaltungssitz der GmbH wohnten. Die GmbH unterwarf zwar den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung des Dienstwagens dem Lohnsteuerabzug, sah aber von einer Versteuerung des in § 8 Abs. 2 S. 3 EStG geregelten Zuschlags unter Hinweis auf § 3 Nr. 32 EStG ab.
Dagegen setzte das FA auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen geldwerten Vorteil an. Das FG (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.11.2007, 5 K 143/05, Haufe-Index 1849905, EFG 2008, 283) gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen ab.
Hinweis
Streitig war, ob die Anwendung der Zuschlagsregelung nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dann ausscheidet, wenn der Steuerpflichtige auf seinen Fahrten zur Arbeitsstätte mit dem zur privaten Nutzung überlassenen Fahrzeug Arbeitskollegen mitzunehmen hat. Der BFH bejahte die Anwendung der Zuschlagsregelung. Denn ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil ist durch eine solche Verpflichtung nicht ausgeschlossen. Auch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 32 EStG für die unentgeltliche oder verbilligte Sammelbeförderung konnte nicht zur Anwendung kommen, es blieb beim Zuschlag nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG.
1. Die Privatnutzung des Fahrzeugs führte im Streitfall zu einem geldwerten, nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG zu bewertenden Vorteil für den Kläger. Der Vorteil war auch nicht aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt worden. Die Vorteilsgewährung komme vor allem dem persönlichen Interesse des Klägers entgegen, und zwar auch insoweit, als der Kläger zivilrechtlich verpflichtet sei, auf seinen Fahrten zur Arbeitsstätte Arbeitskollegen zu befördern. Wenn damit einem betrieblichen Bedürfnis entsprochen werde, folge daraus nicht, dass die Überlassung des Dienstwagens zu privaten Zwecken ganz überwiegend im betrieblichen Interesse liege.
2.§ 3 Nr. 32 EStG stand der Anwendung des § 8 Abs. 2 S. 3 EStG nicht entgegen. Die unentgeltliche oder verbilligte Sammelbeförderung eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem vom Arbeitgeber gestellten Beförderungsmittel ist zwar steuerfrei, soweit die Sammelbeförderung für den betrieblichen Einsatz des Arbeitnehmers notwendig ist. "Sammelbeförderung" meine aber die durch den Arbeitgeber organisierte oder zumindest veranlasste Beförderung mehrerer Arbeitnehmer, dürfe insbesondere nicht auf dem Entschluss eines Arbeitnehmers beruhen und erfordere eine besondere Rechtsgrundlage (Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung).
Es sei schon fraglich, ob der Arbeitgeber ein solches Fahrzeug noch zur Beförderung (weiterer) Arbeitnehmer i.S.d. § 3 Nr. 32 EStG"gestellen", d.h. zur Verfügung stellen kann, wenn der Arbeitnehmer selbst das Fahrzeug regelmäßig zur Verfügung stelle und den Transport organisiere. Jedenfalls fehle es an einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern über den arbeitstäglichen Transport zur Arbeitsstätte. Die Verpflichtung des Klägers, mit dem Dienstwagen "weitere Arbeitnehmer ... zu den jeweiligen Arbeitsorten mitzunehmen", gebe den anderen Arbeitnehmern keinen Rechtsanspruch auf regelmäßige Durchführung der Fahrten. Daher könne es auch offenbleiben, ob der Inhaber eines Dienstwagens in einem von ihm betriebenen Fahrzeug Adressat einer Sammelbeförderung sein kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.01.2009 – VI R 56/07