Leitsatz
1. Die Übernahme der Betriebsführung des Eisenbahnverkehrs auf zwei defizitären Teilstrecken als nicht bundeseigene Eisenbahn des öffentlichen Verkehrs von der Deutschen Bundesbahn, verbunden mit einer sog. "Starthilfe" der Deutschen Bundesbahn, kann eine steuerbare Leistung des Übernehmers sein.
2. Trotz zivilrechtlicher Übereignung kann eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung noch nicht vorliegen, wenn dem neuen Eigentümer die wirtschaftliche Substanz und der Wert des Gegenstands nicht endgültig zustehen und er nur mit Zustimmung des bisherigen Eigentümers über ihn verfügen kann.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 12 Satz 2, § 10 UStG
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Nahverkehrsunternehmen, übernahm von der DB die – bisher defizitäre – Betriebsführung des Personen- und Güterverkehrs auf zwei Strecken als nicht bundeseigene Eisenbahn des öffentlichen Verkehrs. Die DB zahlte eine sog. "Starthilfe", einen Zuschuss für die Baumaßnahmen und für die künftige Unterhaltung. Weiterhin verpflichtete sich die DB zur "unentgeltlichen" Überlassung der für den Betrieb notwendigen Schienenfahrzeuge und veräußerte der Klägerin alle an den Strecken gelegenen Grundstücke nebst dazugehörenden Anlagen zum Kaufpreis von 1 DM. Für den Fall einer etwaigen Einstellung des Eisenbahnbetriebs war wahlweise die Rückübertragung der Grundstücke oder eine Entschädigung i.H.d. vorhandenen Verkehrswerte vereinbart.
Die Klägerin hielt die Leistungen für einen "echten Zuschuss". Nicht so das FA, das auch noch die Grundstücksübertragung mit dem gemeinen Wert umsatzsteuerlich erfasste. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH beurteilte die Leistungen der DB als Entgelt, denn diese standen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Übernahme der Betriebsführung auf den Strecken im Interesse der DB. Anders als das FA verneinte er eine Grundstückslieferung, weil die Übereignung nur mit der zeitlich begrenzten Übernahme der Eisenbahnstrecke verknüpft und das Grundstück ggf. nach Ende zurückzuübertragen war.
Hinweis
1. Bei Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer liegt umsatzsteuerrechtlich nicht immer ein Zuschuss vor.
Für die Abgrenzung Zuschuss/entgeltliche Leistung ist zu beachten: Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung als Umsatz gegen Entgelt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.
In Fällen, in denen ein anderer die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung (Zuschuss) verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, in erster Linie auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden abzustellen. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor.
Übernimmt ein Unternehmer gegen Entgelt die Ausführung einer an sich einem Hoheitsträger obliegenden Aufgabe, ist es für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung grundsätzlich ohne Bedeutung, ob diese Übertragung öffentlich-rechtlich zulässig ist.
2. Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn setzt voraus, dass der Lieferer dem Abnehmer Wert, Substanz und Ertrag des Gegenstands der Lieferung unbedingt und endgültig überlässt. Regelmäßig, aber nicht notwendig ist das mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden. Der Begriff der Lieferung bezieht sich aber nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer.
Beachten Sie: Es kann daher trotz Eigentumsübertragung keine Lieferung i.S.d. UStG vorliegen, z.B. wenn der Sache nach nur eine "besicherte" Nutzungsüberlassung vorliegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.4.2005, V R 11/03