Kommentar
Mit einem BMF-Schreiben sowie einem gleichlautenden Ländererlass haben die Finanzbehörden Stellung zu der Frage genommen, welche Behörde bis zu welchem Betrag Billigkeitsmaßnahmen für Steuerpflichtige gewähren darf.
Billigkeitsmaßnahmen im Bereich des Steuerrechts führen dazu, dass Steuerpflichtige Steuern nicht oder zumindest vorläufig nicht zahlen müssen. Gesetzlich ist nicht bestimmt, dass eine andere Behörde als das zuständige Finanzbehörde die Billigkeitsmaßnahme gewähren kann. Es entspricht jedoch dem Interesse aller Finanzbehörden, dass ab einer gewissen Größe an Steuerforderung eine übergeordnete Finanzbehörde den Vorgang überprüft. Die Grenzen, die hierbei von den Finanzbehörden gezogen werden, stellen die beiden Verwaltungsverlautbarungen dar. Für Steuerpflichtige sind diese allerdings nicht bindend. Gewährt also ein Finanzamt eine Billigkeitsmaßnahme, zu der es nicht befugt war, kann sich der Steuerpflichtige auf diese gleichwohl berufen.
Steuerliche Billigkeitsmaßnahmen
Insbesondere die AO kennt verschiedene Normen, die Billigkeitsmaßnahmen für einzelnen oder Gruppen von Steuerpflichten vorsehen. Zu nennen sind hier insbesondere die Stundung von Steuern nach § 222 AO, der Erlass von Steuern nach § 227 AO und die abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO. Darüber hinaus bestehen Billigkeitsregelungen zum Verzicht auf Zinsen nach § 234 Abs. 2 AO sowie § 237 Abs. 4 AO. Auch die Niederschlagung nach § 261 AO führt dazu, dass Steuerforderungen nicht mehr vollstreckt werden. Die Schreiben regeln, welche Behörde wann ihre Zustimmung einer der Billigkeitsmaßnahmen zu erteilen hat. Die wesentlichen Grundzüge sind nachfolgend zusammengefasst.
Befugnisse der Behörden
Stundungen nach § 222 AO und § 6 Abs. 4 AStG dürfen gewährt werden:
- Durch die Finanzämter: bis 100.000 EUR zeitlich unbegrenzt und höhere Beträge bis sechs Monate.
- Mit der Zustimmung der Oberfinanzdirektion: bis 250.000 EUR zeitlich unbegrenzt und höhere Beträge bis 12 Monate.
- Mit der Zustimmung der obersten Landesfinanzbehörden in allen übrigen Fällen.
- Bei einer Stundung über 500.000 EUR über einen längeren Zeitraum als 12 Monate muss die Zustimmung des BMF eingeholt werden.
Stundungen sind stets unter dem Vorbehalt des Wiederrufs auszusprechen. Besteht keine Oberfinanzdirektion tritt an deren Stelle die oberste Landesfinanzbehörde (so etwa in Hamburg).
Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227, 234 Abs. 2 und 237 Abs. 4 AO:
- Durch die Finanzämter bis 20.000 EUR.
- Bei Säumniszuschlägen aufgrund sachlicher Unbilligkeit in unbegrenzter Höhe (unter bestimmten Voraussetzungen).
- Für Beträge über 100.000 EUR mit der Zustimmung der Oberfinanzdirektion.
- Mit der Zustimmung der obersten Landesfinanzbehörden in allen übrigen Fällen.
- Bei einem Erlass über 200.000 EUR ist die Zustimmung des BMF einzuholen.
Niederschlagungen nach § 261 AO und Absehen von der Steuerfestsetzung nach § 156 AO:
- Durch die Finanzämter bis 25.000 EUR (nach § 156 AO) sowie 125.000 EUR bei Niederschlagung; keine Zustimmung erfordert die Niederschlagung von Insolvenzforderungen.
Weitere Ausführungen betreffen die folgenden Punkte:
- Die Zuständigkeitsgrenzen gelten für jede Steuerart getrennt, aber für mehrere Jahre zusammen.
- Steuerliche Nebenleistungen sind nicht hinzuzurechnen.
- Die Ablehnung von Anträgen ist nicht abhängig von einer Zustimmung.
- In einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan sowie in einem Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine Zustimmung nicht erforderlich.
- Eine Zustimmung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Billigkeitsmaßnahme durch ein BMF-Schreiben gewährt wird.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 1.10.2020, IV A 3 - S 0336/19/10006 :001