Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf Steuerbefreiung bei Vermietung von Altenpflegeheimen. Vorsteueraufteilung
Leitsatz (amtlich)
Ein Grundstück dient nur dann Wohnzwecken i.S. des § 9 Abs. 2 UStG 1980, wenn die Überlassung des Wohnraumes auch beim Endnutzer nach § 4 Nr. 12 Buchst.a UStG 1980 steuerfrei ist (Bestätigung von Abschn. 148 Abs. 6 Satz 1 UStR 1992). Daran kann es fehlen, wenn der Betreiber eines Altenpflegeheimes den Heiminsassen im Rahmen von Pflegeheimverträgen einzelne Räume bereitstellt. Ist dies der Fall, kann der Vermieter oder Verpächter des Altenpflegeheimes auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs.1 UStG 1980 verzichten (Abweichung von Abschn. 80 Abs. 2 UStR 1988/1992 und Abschn. 148 Abs. 5 und 6 UStR 1988; BMF-Schreiben vom 30. April 1984, BStBl I 1984, 324).
Orientierungssatz
Altenheimpflegeverträge sind gemischte Verträge, die aus Elementen des Dienstvertrags, des Mietvertrags sowie des Kaufvertrags zusammengesetzt sind. Sie bilden jedoch ein einheitliches Ganzes und werden je nach Schwerpunkt einem Vertragsrecht unterstellt (anders bei Altenwohnheimverträgen und Altenheimverträgen). Bei gemischter Nutzung des Altenpflegeheimgrundstücks kann der den Heiminsassen überlassene Raum sowohl schädlichen als auch unschädlichen Zwecken dienen. Dies ist bei der dann erforderlichen Vorsteueraufteilung zu berücksichtigen.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 1-2; UStR 1992 Abschn. 80 Abs. 2; UStR 1988 Abschn. 148 Abs. 5; UStR 1992 Abschn. 148 Abs. 6 S. 1; UStG 1980 § 15 Abs. 4
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 11.10.1989; Aktenzeichen VII 135/88) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete als Bauherr ein Altenpflegeheim, das er im Jahre 1986 --nach Fertigstellung-- für 20 Jahre an die H-GmbH vermietete, die ihrerseits mit der Seniorenpflegepension W-GmbH, der Betreiberin des Altenpflegeheimes, einen Untermietvertrag schloß. Die Unterbringung und Betreuung der Pflegeheimbewohner erfolgen aufgrund von Pflegeheimverträgen zwischen diesen und der W-GmbH. Die Pflegeheimbewohner leben in möblierten Ein-, Zwei- oder Dreibettzimmern, wobei die Mehrzahl Mehrbettzimmer sind. Die durchschnittliche Größe der Räume beträgt 15 bis 30 qm. Den Heimbewohnern stehen gemeinschaftliche Sanitäreinrichtungen zur Verfügung. Eine eigene Kochgelegenheit haben sie nicht. Die Unterbringung aufgrund der Pflegeheimverträge umfaßt die Gestellung von Heizung, Beleuchtung, Wasser, Reinigung und Instandhaltung der Räume, die Gestellung von Bettwäsche und Handtüchern, die Reinigung der Wäsche, die Verpflegung der Bewohner sowie deren pflegerische und medizinische Betreuung. Für sämtliche von der W-GmbH erbrachten Leistungen zahlen die Pflegeheimbewohner einen einheitlichen Pflegekostensatz zwischen rd. 2 500 und 3 500 DM monatlich.
Für die Streitjahre (1984 und 1985) begehrte der Kläger den Abzug von Vorsteuern für Lieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Altenpflegeheimes in Höhe von ... DM für 1984 und von ... DM für 1985. Auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr.12 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 hatte er gemäß § 9 Abs.1 UStG 1980 verzichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte diesem Begehren nur teilweise. Er vertrat --unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 30.April 1984 IV A 3-S 7198-27/84 (BStBl I 1984, 324)-- den Standpunkt, die mit den Heimbewohnern abgeschlossenen Pflegeheimverträge stellten sog. gemischte Verträge dar. Die Überlassung der Zimmer aufgrund dieser Verträge sei als Grundstücksvermietung i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 grundsätzlich steuerfrei. Ein Verzicht auf diese Steuerbefreiung sei gemäß § 9 Abs.2 UStG 1980 nur zulässig, soweit der Unternehmer nachweise, daß das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken diene oder zu dienen bestimmt sei. Dieser Nachweis sei vom Kläger im Hinblick auf die den Heimbewohnern überlassenen Räume nicht geführt worden. Folglich komme ein Vorsteuerabzug insoweit nicht in Betracht (§ 15 Abs.2 Satz 1 Nr.1 UStG 1980). Das FA teilte deshalb die von dem Kläger geltend gemachten Vorsteuern nach Maßgabe des § 15 Abs.4 UStG 1980 im Verhältnis der allein von den einzelnen Bewohnern genutzten Flächenanteile zu den für gemeinschaftliche Zwecke genutzten Flächenanteilen als nicht abziehbar bzw. als abziehbar auf, kürzte den Vorsteuerabzug danach für die Streitjahre um jeweils 65,79 v.H. und setzte die Umsatzsteuer dementsprechend fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1991, 44 veröffentlichten Entscheidungsgründen statt. Es vertrat die Auffassung, der Optionsausschluß nach § 9 Abs.2 UStG 1980 beziehe sich bezüglich der Nutzung zu Wohnzwecken auf den letzten Unternehmer in der Kette von Leistungsaustauschverhältnissen i.S. von § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 und damit im Streitfall auf die W-GmbH als die Altenheimbetreiberin und nicht auf den jeweiligen Altenheimbewohner (als Nichtunternehmer). Denn der Altenheimpflegevertrag sei ein Vertrag eigener Art, nicht aber ein gemischter Vertrag. Die Leistungen des Altenheims unterfielen daher auch nicht teilweise der Steuerbefreiung nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980; § 9 Abs.2 UStG 1980 sei nicht einschlägig. Im übrigen diene das Grundstück keinen Wohnzwecken, da die Gebrauchsüberlassungen in Anbetracht der zu erbringenden Pflegeleistungen nicht als Mietverträge zu beurteilen und die den einzelnen Bewohnern überlassenen Räume nicht als Wohnungen einzuordnen seien.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 9 Abs.2 UStG 1980.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Ein Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, kann als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (§ 15 Abs.1 Satz 1 UStG 1980). Vom Vorsteuerabzug sind jedoch u.a. die Steuern für die Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze i.S. des § 4 Nrn.7 ff. UStG 1980 verwendet (§ 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980 i.V.m. § 15 Abs.3 Nr.1 UStG 1980). Zu diesen vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört auch die steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980). Allerdings kann der Unternehmer derartige Vermietungsumsätze als steuerpflichtig behandeln, wenn sie an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden (§ 9 Abs.1 UStG 1980). Ein solcher Verzicht auf die Steuerbefreiung ist aber nach § 9 Abs.2 UStG 1980 nur zulässig, soweit der Unternehmer nachweist, daß das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist; diese durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14.Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659) --StBerG-- in das UStG eingefügte Vorschrift ist nach der Übergangsregelung in § 27 Abs.5 UStG 1980 im Streitfall anzuwenden, da das Altenpflegeheim erst im Jahre 1986 fertiggestellt worden ist.
Verwendet der Unternehmer hiernach einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs.4 UStG 1980 der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.
2. Der Kläger hat durch die Vermietung des als Altenpflegeheim genutzten Grundstücks an die H-GmbH einen nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 steuerfreien und damit nach § 15 Abs.2 Satz 1 Nr.1 UStG 1980 i.V.m. § 15 Abs.3 Nr.1 UStG 1980 vorsteuerabzugsschädlichen Umsatz ausgeführt. Er hat auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs.1 UStG 1980 verzichtet. Das FG hat diesen Verzicht in vollem Umfang als zulässig angesehen. Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar sind sowohl die H-GmbH als Verwaltungsgesellschaft als auch die W-GmbH als Betreiberin von Altenpflegeheimen unternehmerisch tätig (vgl. § 2 Abs.1 UStG 1980). Der Kläger hat sein Grundstück und Gebäude an die H-GmbH auch für deren Unternehmen vermietet. Insofern sind die Voraussetzungen des § 9 Abs.1 UStG 1980 erfüllt. Der Senat sieht es aufgrund der Feststellungen des FG jedoch nicht als nachgewiesen an, daß das Altenpflegeheim im Streitjahr keinen Wohnzwecken i.S. des § 9 Abs.2 UStG 1980 diente.
a) Das Gesetz schließt den Verzicht auf Steuerbefreiung bei der Vermietung von Grundstücken u.a. aus, soweit das Grundstück Wohnzwecken oder anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist. Dies spricht dafür, daß auf die tatsächliche Verwendung durch den jeweiligen 'Endnutzer' des Grundstücks oder auf dessen endgültige Benutzbarkeit abzustellen ist (vgl. auch Stadie, Das Recht des Vorsteuerabzugs, S.204; Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuer, Kommentar, § 9 Rdnr.110; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 4.Aufl., § 9 Anm.7; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, II Rdz.677; Widmann, UR 1991, 273, 276; Stöcker in Peter/Burhoff/Stöcker, Umsatzsteuer 1980, Kommentar, 5.Aufl., § 9 Rdnr.127; s.a. BMF-Schreiben vom 27.August 1990, IV A 3-S 7198-35/90, BStBl I 1990, 422; Abschn.148 Abs.5 UStR 1992). Darauf, auf welcher rechtlichen Grundlage dies geschieht, kommt es grundsätzlich nicht an; § 9 Abs.2 UStG 1980 enthält seinem Wortlaut nach keine entsprechenden Einschränkungen. Der Vorinstanz ist aber darin zu folgen, daß es sich auch bei der Nutzung auf der Endstufe um ein --steuerbefreites-- Leistungsaustauschverhältnis i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 handeln muß. Anderenfalls wären Sinn und Zweck der Regelung in § 9 Abs.2 UStG 1980 verfehlt. Der Ergänzung des § 9 UStG 1980 um den Abs.2 lag in erster Linie die Zielsetzung zugrunde, die Ungleichmäßigkeit der Belastung mit Umsatzsteuer im Wohnungsbau zu beseitigen, weil durch die steuerliche Zwischennutzung des Wohnraums und den hierdurch möglichen Vorsteuerabzug auf die Baukosten unangemessene Umsatzsteuervorteile erzielt werden konnten (vgl. BTDrucks 10/1636, S.71 f.). Die Regelung sollte überdies den im UStG zum Ausdruck kommenden Grundsatz gewährleisten, daß die Vermietung von Wohnraum von der Umsatzsteuer befreit ist und daß die auf den Leistungen zur Gebäudeherstellung ruhende Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf (s. BTDrucks 9/796, S.9 zu § 9 Satz 2 UStG in der Fassung des Entwurfs des Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft). Beiden Absichten kann durch die Regelung in § 9 Abs.2 i.V.m. Abs.1 UStG 1980 nur dann entsprochen werden, wenn das Grundstück in an sich steuerbefreiter Weise Wohnzwecken dient. Ist die Wohnraumüberlassung bereits als solche steuerpflichtig, bedarf es keines Verzichts auf die Steuerbefreiung i.S. des § 9 Abs.1 UStG 1980 und damit auch keines Verzichtsausschlusses nach § 9 Abs.2 UStG 1980.
Dies betrifft in erster Linie die nach § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 nicht steuerbefreite Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden (s. dazu Stöcker in Peter/Burhoff/Stöcker, a.a.O., § 9 Rdnr.130; Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 9 Rdnr.110; Stadie, a.a.O., S.204 m.w.N.; Schelnberger, UR 1987, 249; Abschn.148 Abs.6 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1992; BMF-Schreiben vom 27.August 1990 IV A 3-S 7198-35/90, BStBl I 1990, 422). Dies betrifft aber auch jene Sachverhalte, in denen die Vermietung oder Verpachtung von Wohnraum gegenüber anderen wesentlicheren Vertragsleistungen gänzlich in den Hintergrund treten. In solchen Fällen ist, sofern das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstellt, ein atypisches Vertragsverhältnis eigener Art anzunehmen, das --anders als gemischte Verträge-- auch nicht teilweise der Regelung des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 unterfällt und damit insgesamt steuerpflichtig ist (vgl. im einzelnen Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.April 1960 V 143/58 U, BFHE 71, 41, BStBl III 1960, 261; vom 20.Juni 1962 V 303/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Umsatzsteuergesetz, § 4 Ziff.10, Rechtsspruch 28, jeweils mit weiteren Nachweisen; List in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 4 Nr.12 Rdnr.25 ff.; Abschn.80 Abs.1 Satz 1 UStR 1988/1992). Das an einen Unternehmer vermietete oder verpachtete Grundstück dient dann nicht Wohnzwecken i.S. des § 9 Abs.2 UStG 1980.
b) Stellt der Betreiber eines Altenpflegeheimes den Heiminsassen im Rahmen von Pflegeheimverträgen einzelne Räume zur Verfügung, kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs.2 UStG 1980 hiernach zulässig bleiben.
aa) Zwar nutzen die Heiminsassen die ihnen überlassenen Räume --anders als z.B. bei Krankenhäusern, Kliniken und Sanatorien-- nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt, sondern auf Dauer und als Mittelpunkt ihrer Lebensführung (s.a. BFH-Urteil vom 11.Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306). Sie sind nicht Patienten, sondern --so ausdrücklich die zwischen ihnen und der W-GmbH geschlossenen Pflegeheimverträge-- 'Bewohner'. Entgegen der Annahme des FG kann das Gebäude auch dann 'Wohnzwecken dienen', wenn dem Betreiber des Altenpflegeheimes das Recht zusteht, zu entscheiden, welcher Bewohner welche Räume wie lange nutzen darf (s.a. BFH-Urteil vom 30.Juli 1986 V R 99/76, BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877 zu Werkdienstwohnungen). Entscheidend ist nur, daß der Bewohner einen bestimmten Raum (ggf. auch zusammen mit einer weiteren Person) unter Ausschluß anderer benutzen darf. Ebensowenig schadet es nach Mietvertragsrecht, wenn bestimmte Räume (z.B. Küche, Bad) durch andere Bewohner mitbenutzt werden. Es ist schließlich nicht zu beanstanden, daß die den Pflegebedürftigen überlassenen Räume nicht abgeschlossen und nur von geringer Größe sind, und daß die Aufstellung von elektrischen Heiz- und Kochgeräten sowie die Vornahme betrieblicher oder baulicher Veränderungen nur mit Genehmigung des Heimbetreibers möglich ist. Wohnzwecken kann ein Raum auch dann dienen, wenn er die Voraussetzungen einer Wohnung (s. dazu für Altenheime BFH- Urteil vom 30.April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671) nicht erfüllt. Soweit in den amtlichen Gesetzesbegründungen demgegenüber durchgängig von 'Wohnungen' die Rede ist (vgl. BTDrucks 10/1636, S.71 f.; BTDrucks 9/796, S.9), hat dies in dem gesetzlichen Tatbestand keinen Niederschlag gefunden; für eine einschränkende Auslegung des § 9 Abs.2 UStG 1980 besteht angesichts dessen kein Anlaß (a.A. Horn, UR 1987, 252).
bb) Die Raumgewährung kann bei Altenpflegeheimen dennoch hinter die vom Heimbetreiber zu erbringenden Pflege- und Betreuungsleistungen zurücktreten und von nur untergeordneter Bedeutung sein. Sie ist dann lediglich Teil und Voraussetzung der Pflege und von dieser nicht zu trennen. Darauf deutet bereits die Höhe des von den pflegebedürftigen alten Menschen zu entrichtenden Entgelts --im Streitfall von monatlich 2 500 bis 3 500 DM-- hin. Dies entspricht auch der Zivilrechtslage. Altenheimpflegeverträge sind nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (im Ausgangspunkt ebenso wie Altenheim-, Altenwohnheim- und Altenkrankenheimverträge; zur Abgrenzung s. Kunz/Ruf/Wiedemann, Heimgesetz, Kommentar, 6.Aufl., § 4 Rdnr.6 f. und § 1 Rdnr.4 ff.) zwar gemischte Verträge, die aus Elementen des Dienst-, des Miet- sowie des Kaufvertrages zusammengesetzt sind (vgl. BGH-Urteile vom 21.Februar 1979 VIII ZR 88/78, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1979, 1288; vom 29.Oktober 1980 VIII ZR 326/79, NJW 1981, 341; vom 22.März 1989 VIII ZR 154/88, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1989, 799; Voelskow in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, 2.Aufl., vor § 535 Rdnr.25). Sie bilden jedoch ein einheitliches Ganzes und können bei der rechtlichen Beurteilung nicht in ihre verschiedenen Bestandteile zerlegt werden. Der Eigenart solcher Verträge wird vielmehr nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich unter dasjenige, in dessen Bereich im Einzelfall je nach Gestaltung der Schwerpunkt des Vertrages liegt. Die Vertragsgestaltung kann ergeben, daß die Verträge in ihrem Kern Wohnungsmietverträge sind. Es können aber auch die pflegerischen Leistungen im Vordergrund stehen und dem Vertrag das Gepräge geben. So verhält es sich --anders als bei Altenwohnheimverträgen und (ggf.) bei Altenheimverträgen-- regelmäßig bei Altenheimpflegeverträgen (vgl. Voelskow in MünchKomm, a.a.O.; siehe auch die Gesetzesbegründung zu Art.1 Nr.1 des Entwurfs zum Zweiten Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum, BTDrucks 7/2011, S.3).
Diese bürgerlich-rechtlichen Abgrenzungen können auch für die Frage nach dem Vorliegen einer Vermietung i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8.Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209) und damit, wie unter 2.a ausgeführt, gleichermaßen für die im Rahmen des § 9 Abs.2 UStG 1980 vorzunehmende Beurteilung bedeutsam sein, ob das als Altenpflegeheim genutzte Grundstück Wohnzwecken dient oder nicht (im Ergebnis ähnlich Stöcker in Peter/Burhoff/ Stöcker, a.a.O., § 9 Rdnr.126; Rüttinger in Plückebaum/ Malitzky, Umsatzsteuergesetz -Mehrwertsteuer-, 10.Aufl., § 4 Nr.12 Rdnr.253; Bunjes/Geist, a.a.O., § 4 Nr.12 Anm.6, § 9 Anm.7; Horn, UR 1987, 252). Soweit die Finanzverwaltung (in Abschn.80 Abs.2 UStR 1988/1992 und 148 Abs.5 und 6 UStR 1988; BMF-Schreiben vom 30.April 1984, BStBl I 1984, 324; vgl. auch Oberfinanzdirektion --OFD-- Saarbrücken, Verfügung vom 27.Februar 1986 S 7198-14-St 241, UR 1986, 132, für Schwerstpflegebedürftige) und --dem folgend-- ein Teil des Schrifttums (vgl. z.B. Birkenfeld in Das große Umsatzsteuer-Handbuch, II Rdnr.384; Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz -Mehrwertsteuer-, 7.Aufl., § 4 Nr.12 Rdnr.38; Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 9 Rdnr.112) anderer Auffassung sind, wird zwischen Altenwohnheimen, Altenheimen, Altenpflege- und Altenkrankenheimen nicht in der gebotenen Weise unterschieden.
c) Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und zu dem Ergebnis gelangt, daß das als Altenpflegeheim genutzte Grundstück des Klägers keinen Wohnzwecken dient. Dieses Ergebnis wird durch den festgestellten Sachverhalt nicht getragen. Das FG hat allein den vom Kläger als Muster vorgelegten Pflegeheimvertrag, den die W-GmbH mit den einzelnen Heiminsassen abgeschlossen hat, gewürdigt. Der Nachweis, daß und ggf. in welchem Umfang das Grundstück keinen Wohnzwecken i.S. des § 9 Abs.2 UStG 1980 dient, ist damit nicht erbracht. Dazu bedarf es weiterer Sachverhaltsaufklärung. Festzustellen ist, zu welchen Zwecken das Grundstück tatsächlich verwendet worden ist (vgl. § 15 Abs.2 UStG). Die mit den jeweiligen Heiminsassen bestehenden Vertragsverhältnisse sind im einzelnen zu untersuchen. Maßgeblich ist, ob es sich bei diesen Insassen um Pflegebedürftige handelte, die von dem Heimbetreiber ähnlich wie in einem Krankenhaus umfassend medizinisch und pflegerisch betreut und versorgt wurden. Auf die Bezeichnung der Verträge als Pflegeheimverträge oder des Heimes als Altenpflegeheim (und die dafür gegebenen gesetzlichen Erfordernisse nach dem Heimgesetz; s. dazu auch Kunz/Ruf/Wiedemann, a.a.O., § 1 Rdnr.6) kommt es hingegen nicht an.
3. Das Urteil der Vorinstanz ist deshalb aufzuheben. Die erforderliche Aufklärung ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Sollte diese das Ergebnis bringen, daß eine gemischte Grundstücksnutzung vorliegt, wird aus prozeßökonomischen Gründen darauf hingewiesen, daß auch der einzelne, den Heiminsassen überlassene Raum sowohl schädlichen als auch unschädlichen Zwecken dienen kann. Dies ist bei der dann erforderlichen Vorsteueraufteilung zu berücksichtigen (s.a. Stadie in Vogel/ Reinisch/Hoffmann/Schwarz, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr.121; Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 9 Rdnr.111).
Fundstellen
Haufe-Index 64712 |
BFHE 172, 141 |
BFHE 1994, 141 |
BB 1994, 490 |
BB 1994, 490-492 (LT) |
BB 1994, 58 |
DB 1994, 766 (L) |
DStR 1994, 21 (KT) |
DStZ 1994, 93 (KT) |
HFR 1994, 159-161 (LT) |