Leitsatz (amtlich)
Nachträglich beschlossene gewinnabhängige Tätigkeitsvergütungen für die Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, die zugleich ihre alleinigen Gesellschafter sind, begründen keine verdeckten Gewinnausschüttungen, wenn die zu beurteilenden Vereinbarungen nicht als Ausdruck einer Beherrschung der Gesellschaft im Sinne gleichgerichteter Interessen angesehen werden können.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, waren in den Streitjahren 1969 bis 1971 zu 50 v. H. G und zu je 25 v. H. W und K. Die drei Gesellschafter waren zugleich die Geschäftsführer der Klägerin. In den mit den Gesellschafter-Geschäftsführern geschlossenen Anstellungsverträgen ist ein festes Gehalt, aber keine Tantieme vorgesehen. Gleichwohl zahlte die Klägerin an ihre drei Gesellschafter-Geschäftsführer Tantiemen, und zwar in den Geschäftsjahren
1968/69 je 3 000 DM = 9 000 DM
1969/70 je 4 000 DM = 12 000 DM
1970/71 je 12 000 DM = 36 000 DM
Die Tantiemen wurden jeweils gegen Ende des Geschäftsjahres von den Geschäftsführern beschlossen und dann in der Gesellschafterversammlung von den Gesellschaftern genehmigt. Die Klägerin hatte ferner für die genannten Geschäftsjahre den erwirtschafteten Jahresgewinn fast vollständig an ihre Gesellschafter ausgeschüttet und mit dem ermäßigten Körperschaftsteuersatz von 15 v. H. versteuert.
Die Zahlungen der Tantiemen an die drei Gesellschafter-Geschäftsführer wurden dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) aufgrund einer Betriebsprüfung bekannt. Das FA erließ für die streitigen Veranlagungszeiträume 1969 bis 1971 einen zusammengefaßten und auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützten Berichtigungsbescheid, in denen es die Tantiemen dem Einkommen der Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttungen hinzurechnete.
In ihrer Sprungklage trug die Klägerin vor, verdeckte Gewinnausschüttungen lägen nicht vor. Keiner der Gesellschafter habe innerhalb der Gesellschaft eine beherrschende Stellung inne. Hinsichtlich der Tantiemen liege auch kein gleichlaufendes Interesse aller drei Gesellschafter vor. Der Tantiemebeschluß begünstige zwar die mit je 25 v. H. beteiligten Gesellschafter, nicht aber den mit 50 v. H. beteiligten Gesellschafter G. Dieser erhalte infolge der Tantiemezahlung im Ergebnis weniger, als er erhalten hätte, wenn die für die Tantiemen verwendeten Beträge als Geschäftsgewinn entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel verteilt worden wären.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, ein Beschluß, durch den das Gehalt des Gesellschafter-Geschäftsführers nachträglich erhöht werde, sei schon dann auf den beherrschenden Einfluß dieses Gesellschafters zurückzuführen und deshalb als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen, wenn die übrigen Gesellschafter ein gleichlaufendes Interesse an dem Beschluß gehabt hätten. Das gleichlaufende Interesse der Gesellschafter W und K an dem Tantiemebeschluß ergebe sich daraus, daß sie mit der Tantieme höhere Beträge als bei einer Verteilung des Gewinns im Verhältnis der Kapitalanteile erhalten hätten. Der Gesellschafter G habe ebenfalls ein Interesse an dem Gesellschafterbeschluß gehabt, möge er dadurch auch weniger bekommen haben, als er bei Ausschüttung des gesamten Geschäftsergebnisses entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel erhalten hätte. Das zeige sich, wenn man annehme, daß der Gewinn nicht ausgeschüttet werde. Wäre die Tantieme als Teil des Arbeitslohnes der Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen, dann hätte dies zur Folge, daß den Gesellschaftern ein entsprechend hoher Teil der Betriebseinnahmen der Klägerin frei von jeder Körperschaftsteuerbelastung zufließen würde, der sonst als Teil des Gewinns der Klägerin mit 51 v. H. Körperschaftsteuer belastet wäre. Der Gesellschafter G habe also im Ergebnis ein Drittel von einer Summe erhalten, von der er ohne die Tantiemevereinbarung zwar die Hälfte, aber nach vorhergehender Kürzung um 51 v. H. Körperschaftsteuer, also rund gerechnet nur ein Viertel, bekommen hätte. Die Klägerin könne demgegenüber nicht einwenden, daß die Gesellschafter bisher immer die höchstmögliche Gewinnausschüttung beschlossen hätten, so daß die Möglichkeit der Belastung des gesamten Gewinns mit dem höchsten Körperschaftsteuersatz als praktisch bedeutungslos außer Betracht bleiben könne. Denn da der Gesellschafter G nicht über die Stimmenmehrheit verfüge, habe er bei seiner Zustimmung zu der Tantiemevereinbarung auch die Möglichkeit berücksichtigen müssen, daß seine Mitgesellschafter andernfalls einer Gewinnausschüttung widersprechen würden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) rügt. Von einer gleichgerichteten Interessenlage aller Gesellschafter bei der Beschlußfassung über die Tantiemen könne keine Rede sein. Der Beschluß habe für die Minderbeteiligten W und K einen Vorteil, für den mit 50 v. H. beteiligten Gesellschafter G aber einen Nachteil bedeutet. Auf die Motive des Gesellschafters G, weshalb er dem Tantiemebeschluß zugestimmt habe, komme es nicht an. Die anderen Gesellschafter hätten entgegen der Auffassung des FG einen Beschluß über die Verteilung des vollständigen Geschäftsgewinns nicht verhindern können. Auf § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) werde verwiesen. Der Gewinnanspruch des Gesellschafters G wäre demnach auch durchzusetzen gewesen, falls er gegen den Tantiemebeschluß gestimmt hätte. Die nur mit je 25 v. H. beteiligten Gesellschafter W und K hätten also auf G nicht dadurch einwirken können, daß sie ihre Zustimmung zum Gewinnausschüttungsbeschluß von dessen Zustimmung zur Gewährung einer Tantieme abhängig gemacht hätten.
Die Gewährung einer Tantieme beruhe allein auf wirtschaftlichen Gründen. Eine gleiche oder gar höhere Tantieme hätte unter vergleichbaren Umständen auch einem fremden Dritten gezahlt werden müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Sammelberichtigungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das FG hat zu Unrecht verdeckte Gewinnausschüttungen angenommen.
Unabhängig von der allgemeinen Begriffsbestimmung der verdeckten Gewinnausschüttung (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408, seitdem ständige Rechtsprechung) kommen verdeckte Gewinnausschüttungen bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an beherrschende Gesellschafter u. a. in Betracht, wenn sie nicht auf einer im voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung beruhen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734). Das gilt auch für Tätigkeitsververgütungen, die kurz vor Ablauf des Geschäftsjahres für die zurückliegende Zeit beschlossen werden (BFH-Urteil vom 6. März 1968 I 135/65, BFHE 92, 205, BStBl II 1968, 482).
Im vorliegenden Streitfall kann keiner der beteiligten Gesellschafter für sich allein einen beherrschenden Einfluß auf die Klägerin ausüben. Keine der Beteiligungen beträgt mehr als 50 v. H. des Stammkapitals. Die Beteiligungen gewähren deshalb nicht die für die Beschlußfassung bei Gesellschafterbeschlüssen erforderliche Mehrheit der Stimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Wie in der Entscheidung I R 223/74 ausgeführt worden ist, gelten die Grundsätze über die Unbeachtlichkeit rückwirkender Vereinbarungen nicht nur, wenn die gesellschaftsrechtliche Stellung einen umfassenden Einfluß auf die Gesellschaft gewährt, sondern auch dann, wenn die Möglichkeit der Einflußnahme nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles auf sachlich begrenzte Bereiche beschränkt ist. Diese begrenzte Einflußnahme ist gegeben, wenn mehrere Gesellschafter mit gleichgerichteten Interessen zusammenwirken, um eine ihren Interessen entsprechende einheitliche Willensbildung der Gesellschafter herbeizuführen.
Die Vorentscheidung beruht auf der Auffassung, bei sämtlichen Gesellschaftern, auch bei dem mit 50 v. H. beteiligten Gesellschafter G, hätten hinsichtlich der Zahlung der Tantiemen für die abgelaufenen Geschäftsjahre gleichgerichtete Interessen vorgelegen. Diese Ansicht hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, da sie den Umständen des zu beurteilenden Falles nicht Rechnung trägt. Es ist nicht zu verkennen, daß die Zahlung einer gleich hohen Tantieme an alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer den Interessen des Gesellschafters G, der mit 50 v. H. an der Klägerin beteiligt ist, zuwiderläuft. Das FG mißt nämlich dem Umstand, daß die Klägerin in den Streitjahren fast ihren gesamten Handelsbilanzgewinn an ihre Gesellschafter ausgeschüttet hat, zu wenig Bedeutung bei. Nach § 29 Abs. 1 GmbHG haben die Gesellschafter Anspruch auf den jährlichen Bilanzgewinn. Es ist nicht festgestellt, daß im Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt ist. Die beiden mit je 25 v. H. beteiligten Gesellschafter W und K hätten daher einer Ausschüttung des gesamten Geschäftsergebnisses entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile nicht mit Erfolg widersprechen können, wenn der Gesellschafter G mit einer Verwendung eines Teils des Geschäftsergebnisses als Tantieme und deren Verteilung nach Köpfen nicht einverstanden gewesen wäre. Wäre auch das für die Tantiemen verwendete Geschäftsergebnis als Gewinn ausgeschüttet worden, hätte G hiervon die Hälfte, belastet mit der darauf entfallenden ermäßigten Körperschaftsteuer, erhalten. Bei Anwendung des ermäßigten Körperschaftsteuersatzes von 15 v. H. hätte die effektive Körperschaftsteuerbelastung der auf ihn entfallenden Ausschüttung nur 23,44 v. H. betragen (vgl. hierzu Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 KStG, Anm. 30). Von dem z. B. in 1972 für die Tantiemen verwendeten Geschäftsergebnis von 36 000 DM hätten demnach G bei Ausschüttung als Gewinn 18 000 DM, abzüglich einer Körperschaftsteuerbelastung von rd. 4 219 DM, zugestanden, so daß er eine Nettogewinnausschüttung von 13 781 DM anstatt einer Tantieme von 12 000 DM erhalten hätte. Ein besonderes Interesse an der Verwendung eines Teils des Geschäftsergebnisses für eine Tantiemezahlung, die den Geschäftsführern nicht nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile, sondern zu gleichen Teilen - nach Köpfen - zufallen soll, konnten demnach nur die beiden mit je 25 v. H. beteiligten Gesellschafter W und K haben. Eine andere Beurteilung könnte nur Platz greifen, wenn die auf jeden Gesellschafter-Geschäftsführer entfallende Tantieme von der Höhe seiner Beteiligung abhängig gemacht worden wäre. Der mit 50 v. H. an der Klägerin beteiligte Gesellschafter G hat den Tantiemebeschlüssen möglicherweise im Interesse der anderen Gesellschafter oder der Gesellschaft selbst zugestimmt. Zu denken ist daran, daß er sich der Einsicht nicht hat verschließen können, daß die festen Geschäftsführergehälter verhältnismäßig niedrig sind oder daß er in Erwägung gezogen hat, daß die Gesellschaft selbst bei Auskehrung eines Teils des Geschäftsergebnisses als Tantieme Gewerbesteuer spart, weil die Tantiemen dann als abzugsfähige und nicht der Gewerbesteuer unterliegende Betriebsausgaben zu behandeln sind. Jedenfalls ist bei den gegebenen Verhältnissen nicht zu folgern, daß bei den Beschlüssen über die Tantiemen ein gleichgerichtetes Interesse aller Gesellschafter, einschließlich des mit 50 v. H. beteiligten G, vorgelegen habe.
Sonstige Anhaltspunkte, die auf ein gleichgerichtetes Interesse des G schließen lassen, sind nicht erkennbar und vom FA in der Vorinstanz nicht vorgebracht worden. Auch eine diesbezügliche Gegenrüge, aus der entnommen werden könnte, daß das FA den Streitfall für nicht ausreichend aufgeklärt hält, ist in der Revisionsentgegnung nicht erhoben worden. Es geht zu Lasten des FA, wenn Tatsachen nicht feststellbar sind, die die Besteuerung oder die Erhöhung der Steuer begründen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1977 VIII R 34/73, BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328, und die dort angeführte Rechtsprechung). Da somit die zu beurteilenden Vereinbarungen nicht als Ausdruck einer Beherrschung im Sinne gleichgerichteter Interessen angesehen werden können und weiterhin keine Bedenken bestehen, daß die den Gesellschafter-Geschäftsführern zugewendeten, aus Gehalt und Tantieme bestehenden Tätigkeitsvergütungen überhöht seien, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht vor. Die Vorentscheidung, die zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, ist daher aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. In den angefochtenen Berichtigungsbescheiden ist das ursprünglich veranlagte Einkommen der Streitjahre jeweils nur um die streitigen verdeckten Gewinnausschüttungen erhöht worden. Die Bescheide sind daher aufzuheben.
Fundstellen
BStBl II 1978, 659 |
BFHE 1979, 557 |