Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchststimmrecht im Aktienrecht
Leitsatz (amtlich)
Ein Höchststimmrecht kann auch durch satzungsändernden Mehrheitsbeschluß und ohne die Zustimmung betroffener Aktionäre eingeführt werden.
Tatbestand
Der Kläger ist Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft. In einer außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 24. März 1975, in der 5.134.541 Stimmen vertreten waren, wurde zu Punkt 3 der Tagesordnung mit 4.363.063 Ja-Stimmen gegen 502.686 Nein-Stimmen bei 268.792 Enthaltungen beschlossen, in § 16 der Satzung folgenden neuen Absatz einzufügen:
„(2) Gehören einem Aktionär Aktien im Nennbetrag von mehr als 5% des Grundkapitals, so ist das Stimmrecht auf die Anzahl von Stimmen beschränkt, die Aktien im Nennbetrag von 5% des Grundkapitals gewähren. Zu den Aktien, die einem Aktionär gehören, rechnen auch die Aktien, die einem anderen für seine Rechnung gehören. Ist ein Unternehmen Aktionär, so rechnen zu den Aktien, die ihm gehören, auch die Aktien, die einem von ihm abhängigen oder ihn beherrschenden oder einem mit ihm konzernverbundenen Unternehmen oder für Rechnung solcher Unternehmen einem Dritten gehören”.
Der Kläger, der nach seinem Vortrag mit einem Aktienbesitz von nom 28.000,– DM vertreten war, erklärte gegen diesen Beschluß Widerspruch zur Niederschrift.
Der Kläger hat beantragt, die Nichtigkeit des Beschlusses, hilfsweise seine Unwirksamkeit, festzustellen, weiter hilfsweise, ihn für nichtig zu erklären. Er hat geltend gemacht, § 134 Abs 1 Satz 2 AktG lasse die nachträgliche Einführung eines Höchststimmrechts nicht oder jedenfalls nur mit Zustimmung betroffener Aktionäre zu. Eine andere Auslegung verstoße gegen das Grundgesetz. Tatsächlich habe im Zeitpunkt der Beschlußfassung mindestens ein Aktionär der Beklagten Aktien im Nennwert von mehr als 5 Prozent des Grundkapitals innegehabt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen (Abdruck des Berufungsurteils in WM 1976, 1045 = AG 1976, 215). Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Hauptanträge und Hilfsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
I. Mit Recht hält das Berufungsgericht sowohl den Hauptantrag als auch die Hilfsanträge des Klägers für zulässig. Zwar greift der beanstandete Beschluß nicht unmittelbar in die Rechtsstellung des Klägers ein. Aber weder die Nichtigkeitsklage noch die Anfechtungsklage eines Aktionärs erfordern den Nachweis persönlicher Betroffenheit. Im Hinblick auf die erweiterte Rechtskraftwirkung der §§ 248, 249 AktG genügt vielmehr im allgemeinen das Interesse eines jeden Gesellschafters daran, daß Hauptversammlungsbeschlüsse mit Gesetz und Satzung im Einklang stehen (BGHZ 43, 261, 265f). Die Klage betrifft auch nicht, wie die Revisionserwiderung meint, einen nur hypothetischen Sachverhalt, sondern richtet sich gegen einen konkret gefaßten Beschluß, der, wenn er wirksam ist und bleibt, das Stimmverhältnis in der Hauptversammlung beeinflussen kann. Diesen Beschluß hält der Kläger für rechtswidrig, und zwar auch unabhängig davon, ob durch ihn das Stimmrecht eines unmittelbar betroffenen, weil mit über 5 Prozent an der Beklagten beteiligten Aktionärs beeinträchtigt worden ist. Darüber hinaus hat er geltend gemacht, es gebe tatsächlich einen solchen Aktionär, und mindestens ohne dessen Zustimmung sei der Beschluß nicht wirksam. Er hat also einen Sachverhalt vorgetragen, der nach seiner Ansicht den Beschluß zu einem mangelhaften stempelt. Ob dieses Vorbringen tatsächlich und rechtlich zutrifft, berührt nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern die Frage, ob sie sachlich begründet ist. Besondere Umstände, die dem Beschluß jede sachliche Bedeutung nehmen und deshalb ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der gewünschten Entscheidung völlig ausschließen würden (BGHZ 21, 354, 356; Urt d Sen v 17.9.64 – II ZR 136/62, WM 1964, 1188 zu B) oder die Rechtsverfolgung als mißbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
II. In sachlicher Hinsicht wendet sich die Revision vergeblich gegen die Ansicht der Vorinstanzen, der vom Kläger bekämpfte Beschluß sei rechtmäßig.
1. Nach § 179 AktG kann die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens 3/4 des vertretenen Grundkapitals, die hier vorgelegen hat, die Satzung ändern. Die Änderung darf sich im allgemeinen auf alles erstrecken, was in der ursprünglichen Satzung enthalten sein kann, dh entweder im Gesetz selbst als Regel aufgestellt oder als Abweichung von dieser Regel ausdrücklich zugelassen ist (§ 23 Abs 5 Satz 1 AktG). Wenn diese Möglichkeit ausgeschlossen oder eingeschränkt sein soll, so muß es sich, wie etwa nach § 237 Abs 1 Satz 2 AktG (Zwangseinziehung), deutlich aus dem Gesetz ergeben (RGZ 77, 255, 259; 68, 235, 240). Eine solche Einschränkung ist dem Gesetz hinsichtlich des Höchststimmrechts nicht zu entnehmen. Vielmehr läßt § 134 Abs 1 Satz 2 AktG es allgemein zu, in der Satzung das Stimmrecht durch Festsetzung eines Höchstbetrags oder von Abstufungen zu beschränken, ohne für Satzungsänderungen eine Ausnahme zu machen. Demgemäß war schon unter der Geltung des entsprechenden § 114 Abs 1 AktG 1937 und vorher des § 252 Abs 1 HGB anerkannt, daß die Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit ein Höchststimmrecht festsetzen konnte (Schmidt/Meyer-Landrut in Großkomm AktG 2. Aufl § 114 Anm 9; v Godin/Wilhelmi, AktG 2. Aufl § 114 Anm 4 mwN; Staub, HGB 14. Aufl § 252 Anm 12 und 14; Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 250 Erl 2h, § 252 Erl 2a). Von der Zulässigkeit solcher Beschlüsse ging ohne weiteres auch § 13 der 3. DVO zum AktG vom 21. Dezember 1938 (RGBl I 1839) aus, der die Wirksamkeit stimmrechtsbeschränkender Hauptversammlungsbeschlüsse von einer ministeriellen Genehmigung abhängig machte. Dafür, daß der Gesetzgeber von 1965 diese Möglichkeit beseitigen wollte, fehlt jedes Anzeichen. Er hat vielmehr die Einführung eines Höchststimmrechts durch die Aufhebung des § 13 der 3. DVO noch erleichtert und überdies in § 134 Abs 1 Satz 3 und 4 AktG zusätzlich einen Weg geöffnet, die Stimmrechtsbeschränkung gegen Umgehungsmöglichkeiten ausdrücklich abzusichern, wobei offenbleiben kann, ob darin lediglich eine Klarstellung zu sehen ist.
2. Es kann sich hiernach ernstlich nur die Frage stellen, ob eine Stimmrechtsbeschränkung durch Satzungsänderung nach dem Gesetz auch dann zulässig sein soll, wenn sie die Aktionäre ungleich belastet und die betroffenen Aktionäre ihr nicht zustimmen. Abstrakt gesehen wirkt sich das Höchststimmrecht gleichmäßig zu Lasten aller Aktionäre insofern aus, als keiner von ihnen durch eine Überschreitung der Höchstquote seinen Stimmeinfluß noch erhöhen kann. Das ist auch dann nicht wesentlich anders, wenn die einzelnen Aktionäre kapitalmäßig verschieden hoch beteiligt sind, keiner von ihnen aber über die Höchstquote hinaus. Der Kursverlust, zu dem die Einführung eines Höchststimmrechts führen kann, aber nicht muß (Haberlandt, BB 1975, 353, 354), und der oft nur eine unnatürliche, weil spekulative Kursbildung wieder auf den normalen Stand zurückführt (Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S 124), trifft alle Aktionäre gleichmäßig im Verhältnis ihrer Beteiligungen. Eine rechtliche Benachteiligung durch die Stimmrechtsbegrenzung ist auch nicht darin zu sehen, daß ein Aktionär mit größerem Aktienbesitz eher als ein anderer die Chance haben mag, sein Aktienpaket mit einem Kursaufschlag zu verkaufen (so aber wohl Immenga, BB 1975, 1042, 1045; Zöllner aaO S 122ff u in Kölner Komm z AktG, § 134 Anm 48; H.W. Meilicke in Festschr f M. Luther 1976, S 99, 106f). Denn das sind bloß wirtschaftliche Möglichkeiten ohne gesicherte rechtliche Grundlage, deren Verwirklichung mehr oder minder von außerrechtlichen Zufälligkeiten abhängt und die darum keine in ihrem Bestand geschützte Rechtsposition zu begründen vermögen, wie schon die Kammer für Handelssachen zutreffend dargelegt hat.
3. Ein unterschiedlicher und, wie nicht zu verkennen ist, auch erheblicher konkreter Eingriff in das Stimmrecht kann dagegen im Einzelfall vorliegen, wenn zur Zeit der Einführung des Höchststimmrechts bereits einer oder mehrere Gesellschafter Aktien über die Höchstquote hinaus halten, wie es hier nach der Behauptung des Klägers der Fall gewesen sein soll. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß sich im Aktienrecht die Rechtsstellung der Gesellschafter grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Kapitalbeteiligung bestimmt, wie es § 12 Abs 1 Satz 1, § 134 Abs 1 Satz 1 AktG als Regel auch für das Stimmrecht vorsehen, und daß sich eine Gleichbehandlung im allgemeinen hieran auszurichten hat (G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S 202; Zöllner aaO; Immenga, AG 1976, 293, 294 u BB 1975, 1042, 1043). Dieser Maßstab ist jedoch nicht zwingend, wie gerade § 134 Abs 1 Satz 2 bis 4 oder § 12 Abs 2 Satz 2 sowie § 139 AktG zeigen. Auch bringt es die körperschaftliche Verfassung der Aktiengesellschaft mit sich, daß ein Aktionär unter Umständen selbst solche Eingriffe in sein Mitgliedschaftsrecht, die ihn unter den konkreten Umständen des Einzelfalles zugleich stärker als andere Gesellschafter belasten, in gewissen Grenzen hinnehmen muß, wenn eine genügend große Mehrheit es im Gesamtinteresse des Unternehmens für notwendig hält, der Gesetzgeber das damit verfolgte Ziel als schutzwürdig anerkennt und Willkür ausgeschlossen ist L (vgl BGHZ 33, 175, 186; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG 3. Aufl § 1 Anm 36).
Dazu gehört auch die nachträgliche Beschränkung des Stimmrechts auf einen Höchstbetrag. Daß diese ohne die Zustimmung betroffener Aktionäre möglich ist, war ebenfalls bereits unter dem früheren Recht anerkannt (vgl die zu 1 angeführten Fundstellen; aM allerdings schon damals H. Meilicke, JW 1937, 2430, 2431). Diese Auslegung ließ sich nicht nur auf Wortlaut und Systematik des Gesetzes stützen oder mindestens damit vereinbaren, sondern entsprach vor allem auch einer sachgerechten Interessenabwägung. Zwar ist das Stimmrecht das wichtigste mitgliedschaftliche Verwaltungsrecht des Aktionärs. Deshalb wurde und wird sein völliger Entzug als unzulässig angesehen oder, wenn er durch Umwandlung von Stammaktien in stimmrechtslose Vorzugsaktien erfolgt, von der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre abhängig gemacht, auch ohne daß dies im Gesetz ausdrücklich gesagt ist (Werner, AG 1975, 176, 179 mwN; für das Aktiengesetz 1937: Schmidt/Meyer-Landrut aaO § 1 Anm 17, § 115 Anm 5). Die Begrenzung des Stimmrechts auf einen Höchstbetrag schließt aber keinen Aktionär von der Mitverwaltung der Gesellschaft gänzlich aus. Sie mindert freilich generell die Stimmkraft der Aktien in der Hand solcher Aktionäre, die mehr als eine bestimmte Höchstzahl innehaben, was dem Grundsatz nach, wenn auch nicht immer tatsächlich, für jeden Aktionär gilt; gegen bestimmte Aktionäre allein gerichtete Eingriffe sind nach § 134 Abs 1 Satz 5 AktG ausdrücklich verboten. Doch nimmt die Stimmrechtsbeschränkung den tatsächlich betroffenen Aktionären nicht die Möglichkeit, bei besonders wichtigen Entscheidungen das volle Gewicht ihrer kapitalmäßigen Beteiligungen mindestens zur Verhinderung unerwünschter Beschlüsse auf die Waagschale zu werfen. Mit Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf § 134 Abs 1 Satz 6 AktG hingewiesen, wonach die Beschränkung in allen Fällen nicht voll zum Zuge kommt, in denen das Gesetz neben der Stimmenmehrheit zusätzlich eine Kapitalmehrheit fordert, wie zB nach § 52 Abs 5 (Nachgründung), § 182 Abs 1 (Kapitalerhöhung), § 186 Abs 3 (Ausschluß des Bezugsrechts), § 262 Abs 1 Nr 2 (Auflösung), § 293 Abs 1 (Unternehmensverträge), § 319 Abs 2 (Eingliederung) oder § 340 Abs 2 AktG (Verschmelzung), vor allem aber auch nach § 179 Abs 2 Satz 1 AktG bei Satzungsänderungen (zur entsprechenden Rechtslage nach dem Aktiengesetz 1937 vgl Schmidt/Meyer-Landrut aaO § 113 Anm 9).
Auf der anderen Seite konnte von jeher für eine Aktiengesellschaft die Notwendigkeit auftreten, sich gegen eine Überfremdung vom Inland oder Ausland her abzuschirmen, die Unabhängigkeit des Vorstands zu stärken, Kleinaktionäre gegen einen zu großen Einfluß von Paketinhabern zu schützen und so den Charakter einer Publikumsgesellschaft, dem ursprünglichen gesetzlichen Leitbild entsprechend, zu wahren. Ein Mittel hierzu ist auch die Stimmrechtsbeschränkung. Eine Lage, die den Einsatz dieses Mittels angezeigt erscheinen läßt, kann sich aber nicht nur bei Gründung der Gesellschaft, sondern vor allem auch später und gerade dann ergeben, wenn einer oder mehrere Gesellschafter bereits ein größeres Aktienpaket besitzen. Es bestanden daher hinreichende Gründe, § 252 Abs 1 HGB und § 114 Abs 1 AktG 1937 dahin auszulegen, daß es – abgesehen von dem später aufgestellten Erfordernis der behördlichen Genehmigung – der freien Entscheidung der Gesellschaften überlassen war, den Schutz des Unternehmens und der Kleinaktionäre vor unerwünschten Einflüssen höher zu bewerten als das Interesse einzelner Aktionäre an der Erhaltung oder Verstärkung ihrer vollen Stimmrechtsmacht, sofern die Hauptversammlung dies mit satzungsändernder Mehrheit aus gegebenem Anlaß als erforderlich ansah.
4. Das Aktiengesetz von 1965 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Die gegenteilige Ansicht der Revision kann sich weder auf die Gesetzessystematik noch auf sonstige durchgreifende Gesichtspunkte stützen.
So trifft es nicht zu, daß einer nachträglichen Einführung von Stimmrechtsbeschränkungen das grundsätzliche Verbot von Mehrstimmrechtsaktien (§ 12 Abs 2 AktG) entgegenstehe, das durch sie unterlaufen werden könnte. Die Stimmrechtsbeschränkung unterscheidet sich vom Mehrstimmrecht grundlegend dadurch, daß sie nicht, wie dieses, der einzelnen Aktie anhaftet, sondern personenbezogen und deshalb durch die Zusammenballung einer bestimmten Anzahl von Aktien in einer Hand bedingt ist, was bei Veräußerungen besonders deutlich wird. Zwar hat der Gesetzgeber in § 134 Abs 1 Satz 5 AktG für einzelne (bestimmte) Aktionäre geltende Stimmrechtsbeschränkungen ausgeschlossen, weil er meinte, sie könnten sich zugunsten der anderen Aktionäre faktisch ähnlich wie ein Mehrstimmrecht auswirken (Barz in Großkomm AktG 3. Aufl § 134 Anm 16). Damit hat er aber andererseits klar zum Ausdruck gebracht, daß er die Anordnung von Stimmrechtsbeschränkungen sonst nicht als einen Verstoß gegen § 12 Abs 2 AktG betrachtet. Hierbei hat er sich auch von der Erwägung leiten lassen, daß gerade das Höchststimmrecht ein besonders brauchbares Mittel gegen die Unterwanderung durch Konkurrenzunternehmen sein kann (vgl Kropff, AktG, 1965, Begr zu § 12 S 25). Diese Erwägung setzt aber wiederum voraus, daß ein Höchststimmrecht auch nachträglich in die Satzung aufgenommen werden kann, weil die Gefahr einer Unterwanderung oftmals, wenn nicht meistens, erst nach der Gründung der Gesellschaft eintritt (Werner, AG 1975, 176, 177).
Angesichts dieser Überlegungen, der schon erwähnten Erweiterungen der gesetzlichen Regelung und der im allgemeinen sorgfältig durchdachten und aufeinander abgestimmten Vorschriften über die Befugnisse der Hauptversammlung spricht nichts für die Annahme der Revision, der Gesetzgeber von 1965 habe die Möglichkeit ungleichmäßiger Auswirkungen der Stimmrechtsbegrenzung übersehen und es deshalb versäumt, ausdrücklich vorzuschreiben, daß die Einführung eines Höchststimmrechts der Zustimmung unmittelbar betroffener Aktionäre bedürfe (so aber Immenga, AG 1976, 293, 294f). Vielmehr kann mit den Vorinstanzen davon ausgegangen werden, daß er die zu § 114 Abs 1 AktG 1937 und zum früheren § 252 Abs 1 HGB ganz überwiegend vertretene Auslegung, die keine solche Zustimmung forderte, gekannt und trotz Einsicht in die darin liegende Problematik nicht beabsichtigt hat, an ihr etwas zu ändern. Darauf deutet auch der Umstand hin, daß er an anderer Stelle (§ 180 Abs 1 und 2 AktG) für bestimmte Beschlüsse die Zustimmung aller durch sie belasteten Aktionäre ausdrücklich vorgeschrieben hat.
Hinzu kommt, daß die erwähnten Gründe, aus denen sich die Einführung eines Höchststimmrechts empfehlen kann und die, wie ausgeführt, entgegen der Ansicht der Revision auch dem Gesetzgeber von 1965 vorgeschwebt haben, in heutiger Zeit an Gewicht keineswegs verloren, sondern eher noch zugenommen haben (vgl dazu auch den schriftlichen Bericht des Wirtschaftsausschusses des DBT zum VW-Gesetz, BTDs III/1680 zu 4; Haberlandt, BB 1975, 353f). Auch trifft es für das geltende ebenso wie für das frühere Aktienrecht zu, daß ein Aktionär gegen eine Beeinträchtigung von Mitgliedschaftsrechten, wie des Stimmrechts, nicht unbedingt geschützt ist, wenn eine starke Mehrheit übergeordnete Unternehmensziele verfolgt und der Gesetzgeber diese auch bei Berücksichtigung des Gemeinwohls als gerechtfertigt betrachtet L (vgl BVerfGE 14, 263, 278; Werner, AG 1976, 176ff, 179). So kann zum Beispiel eine Kapitalerhöhung unter Ausschluß des Bezugsrechts (§ 186 Abs 3, § 203 Abs 2 AktG) die Stimmrechtsquoten unter Umständen schon unter den bisherigen Aktionären verschieben (vgl BGHZ 33, 175, 186). Gewinnen stimmrechtslose Vorzugsaktien durch Aufhebung des Vorzugs das Stimmrecht (§ 141 Abs 4 AktG), so bewirkt dies bei den anderen Aktien eine verhältnismäßige Minderung der Stimmkraft. Vor dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 geschaffene Mehrstimmrechte können mit einer Kapitalmehrheit von 75 Prozent ohne Sonderbeschluß der betroffenen Aktionäre beseitigt oder beschränkt werden (§ 5 Abs 2 Satz 1 und 2 EGAktG 1965). Schließlich bedürfen Entscheidungen wie die Eingliederung (§ 320 AktG), die Verschmelzung (§§ 339ff AktG), die Vermögensübertragung (§§ 359ff AktG) oder die übertragende Umwandlung durch Mehrheitsbeschluß (§§ 9ff UmwG), die ebenfalls zu einer Veränderung der Stimmrechtsquoten oder sogar zum Verlust der Mitgliedschaft führen, nicht der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre, sondern lediglich einer qualifizierten Mehrheit, obwohl sie stärker als eine Stimmrechtsbeschränkung in das Mitverwaltungsrecht des Aktionärs eingreifen können.
Im Gegensatz etwa zu einem nach § 320 AktG oder § 9 UmwG ausscheidenden Gesellschafter kann allerdings der gemäß § 134 Abs 1 Satz 2 AktG in seinem Stimmrecht beeinträchtigte Aktionär keine Entschädigung beanspruchen, obschon ihm möglicherweise ein wirtschaftlicher Nachteil durch den Verlust der Aussicht auf einen Paketzuschlag im Falle der Veräußerung entsteht. Aber auf die Erhaltung solcher im tatsächlichen Bereich liegender Aussichten hat ein Aktionär, wie schon ausgeführt wurde, keinen unentziehbaren Rechtsanspruch.
Kein entscheidendes Gewicht hat schließlich das Bedenken der Revision, daß der Inhaber einer Sperrminorität, soweit die Satzung nicht gemäß § 179 Abs 2 Satz 2 AktG etwas anderes bestimmt, die Beschränkung seines Stimmrechts verhindern kann, ein geringer beteiligter Aktionär dagegen nur, wenn er genügend Unterstützung bei anderen Aktionären findet. Dieser Unterschied liegt zwangsläufig in der gesetzlichen Abstufung der Mehrheitsanforderungen je nach Art und Bedeutung der zu entscheidenden Angelegenheit begründet, die dazu führt, daß die Sperrminorität, dem höheren Kapitaleinsatz entsprechend, allgemein eine stärkere Rechtsposition als ein kleinerer Aktienbesitz vermittelt.
5. Eine Grundrechtsverletzung durch § 134 Abs 1 Satz 2 AktG in der hier vertretenen Auslegung entfällt schon deshalb, weil der Gesetzgeber von 1965 insoweit kein neues Recht geschaffen, sondern lediglich einen von ihm vorgefundenen, schon lange vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes nach damaliger zutreffender Rechtsauffassung bestehenden Rechtszustand aufrechterhalten hat (vgl BVerfGE 25, 371, 407). Angesichts dieser Rechtslage war und ist der Erwerb von Aktien von vornherein mit der Möglichkeit belastet, deren Stimmkraft infolge einer nachträglich eingeführten Beschränkung nicht voll entsprechend dem Nennwert zur Geltung bringen zu können. Ein Aktionär kann daher nicht auf den ungeschmälerten Fortbestand seines Stimmrechts vertrauen. Insofern fehlt es überhaupt an einer gesicherten Rechtsstellung, die durch das Grundgesetz geschützt sein könnte.
Hiernach ist es auch weder notwendig noch zulässig, der Bestimmung des § 134 Abs 1 Satz 2 AktG im Wege verfassungskonformer Auslegung einen anderen Inhalt zu geben, als die Rechtslehre ihren Vorläufern beigemessen hat. Das wäre höchstens noch zu erwägen, wenn die nachträgliche Stimmrechtsbegrenzung nach einem gewandelten Grundrechtsverständnis für die betroffenen Aktionäre heute nicht mehr tragbar erschiene. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie bereits dargelegt wurde, greift eine Begrenzung der Stimmkraft, wie sie hier in Frage steht, weder in den Kernbereich des Stimmrechts ein noch steht sie außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck.
III. Sonstige Gründe, die den beanstandeten Beschluß nichtig, unwirksam oder anfechtbar machen könnten, wie etwa der Mißbrauchstatbestand des § 243 Abs 2 AktG, sind nach den rechtlich fehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht ersichtlich. Die Klage ist daher mit Recht abgewiesen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 647943 |
BGHZ, 117 |
NJW 1978, 540 |
DNotZ 1978, 362 |
JZ 1978, 150 |