Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Tobias Brembt
Rn. 15
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu den Duldungspflichten der gesetzlichen Vertreter einer KapG aus § 320 Abs. 1 Satz 1 kommen in § 320 Abs. 2 auch Verpflichtungen zur aktiven Unterstützung des AP (Mitwirkungspflichten). Die gesetzlichen Vertreter müssen dem AP alle Aufklärungen und Nachweise geben, die "für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind" (§ 320 Abs. 2 Satz 1). Mit dieser Formulierung macht der Gesetzgeber einerseits deutlich, dass das Auskunftsrecht nicht unbeschränkt gilt (vgl. HdR-E, HGB § 320, Rn. 42ff.); andererseits erstreckt sich das Auskunftsrecht auf sämtliche Bereiche, die für eine sorgfältige Prüfung relevant sind. Dies sind z. B. im Hinblick auf die Gewinnung eines Verständnisses ebenso wie Prüfung von RL-relevanten internen Kontrollen Aufklärungen und Nachweise, die sich auf entsprechende Prozesse und Kontrollen beziehen. Aber auch Prozesse und Kontrollen, die die Erstellung von ESEF-Dateien zum Gegenstand haben, sind vom AP zu prüfen (vgl. IDW PS 410 (2021), Rn. 34f.), so dass das Auskunftsrecht des AP auch Aufklärungen und Nachweise hierzu umfasst.
Rn. 16
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Unter Aufklärungen sind alle Auskünfte, Erklärungen, Hinweise und Begründungen zu verstehen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 320 HGB, Rn. 12f.), die dem AP Sachverhalte erhellen. Die Aufklärungen müssen prinzipiell nur mündlich erteilt werden, es sei denn, nur eine schriftliche Aufklärung könnte bestimmte Fragen beantworten.
Rn. 17
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Nachweise sind alle "Unterlagen, die zur Untermauerung der Aufklärungen erforderlich sind" (MünchKomm. HGB (2020), § 320, Rn. 15). Dabei sind die Nachweise im Unterschied zu Aufklärungen schriftliche Unterlagen des zu prüfenden UN, wie Verträge, Bürgschaftserklärungen und Dokumente über steuerliche Verhältnisse. Unerheblich ist, ob die gesetzlichen Vertreter die Nachweise selbst erbringen oder diese von Dritten erwirken (vgl. ADS (2000), § 320, Rn. 28).
Rn. 18
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die Aufklärungen und Nachweise erlangen eine besondere Bedeutung durch die Tatsache, dass nach § 320 Abs. 2 Satz 3 gegenüber MU und TU des zu prüfenden UN lediglich Aufklärungen und Nachweise verlangt werden können. Das Recht auf eine Prüfung der Bücher und Schriften sowie der VG und Schulden von MU und TU wird indes verneint (vgl. HdR-E, HGB § 320, Rn. 28ff.).
Rn. 19
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Das Auskunftsrecht kann der AP ergänzend zur eigenen Prüfung in Anspruch nehmen. Es befreit ihn indes nicht von der Notwendigkeit, sich durch eine sorgfältige eigene Prüfung ein eigenes Urteil bilden zu müssen. Der AP darf sich nie auf die Auskünfte verlassen, ohne prüfbare Nachweise dafür erhalten zu haben. Fehlen entsprechende Nachweise, so muss er sich aufgrund anderer Unterlagen ein eigenes Urteil bilden (vgl. etwa Schulze-Osterloh, in: FS Hefermehl (1976), S. 405 (423); ISA [DE] 580 (2021), Rn. 16f.).
Rn. 19a
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Das Recht des AP, auch externe Nachweise zur eigenen Urteilsbildung durch Salden- oder Transaktionsbestätigungen zu erlangen, gründet ebenfalls auf den Mitwirkungspflichten der gesetzlichen Vertreter gemäß § 320 Abs. 2. Eine Verweigerung solcher Prüfungshandlungen durch das zu prüfende UN verlangt – zumindest wenn keine stichhaltigen und vertretbaren Gründe vorliegen, dass hierüber im Prüfungsbericht als Verstoß gegen die in § 320 Abs. 2 statuierten Mitwirkungspflichten berichtet wird (vgl. § 321 Abs. 2 Satz 6; zudem ISA [DE] 505 (2020), Rn. 8f.). Auch kann eine Verweigerung zu einem Prüfungshemmnis führen, das eine Einschränkung des BV oder die Erteilung eines Versagungsvermerks erfordert (vgl. IDW PS 400 (2021), Rn. 24, 28, i. V. m. IDW PS 405 (2021), Rn. 9ff., A12ff.).
Rn. 20
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die gesetzlichen Vertreter der zu prüfenden KapG müssen dem AP die verlangten Auskünfte grds. persönlich erteilen. Diese Verpflichtung schließt indes nicht aus, dass Erfüllungsgehilfen die verlangten Auskünfte erteilen (vgl. z. B. Bonner HGB-Komm. (2021), § 320, Rn. 41). Als Erfüllungsgehilfen kommen dabei sowohl Angestellte als auch externe Sachverständige (z. B. StB) in Betracht (vgl. ebenso Haufe HGB-Komm. (2021), § 320, Rn. 22; Bonner-HdR (2018), § 320 HGB, Rn. 15; enger dagegen Meyer-Landrut/Miller/Niehus (1987), §§ 238–335 HGB, Rn. 1507). Die Auskunftspflicht kann aber nur im Einvernehmen mit dem AP auf den Erfüllungsgehilfen übertragen werden. Erteilen Erfüllungsgehilfen Auskünfte, bleibt überdies die Auskunftspflicht der gesetzlichen Vertreter unberührt (vgl. ADS (2000), § 320, Rn. 70; Beck Bil-Komm. (2020), § 320 HGB, Rn. 11).
Rn. 20a
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die Schlussbesprechung zwischen dem AP und den gesetzlichen Vertretern kann als abschließendes Auskunftsersuchen im Prüfungsprozess verstanden werden. Gegenstand der Schlussbesprechung ist regelmäßig ein vorläufiger Entwurf des Prüfungsberichts gemäß § 321 (vgl. HdR-E, HGB § 321). Den gesetzlichen Vertretern bietet sich gleichsam eine letzte Gelegenheit, ergänzende Auskünfte oder Nachweise zu ...