Dipl.-Ök. Heinz-Hermann Hellen, Dr. Martin Vosseler
Rn. 18
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Miet-, Pacht- und Leasingverhältnisse sind – wie bereits dargestellt (vgl. HdR-E, Kap. 6, Rn. 1, 3, 5) – prinzipiell den Dauerschuldverhältnissen zuzuordnen, die ihrerseits als schwebende Geschäfte zu charakterisieren sind (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 249 HGB, Rn. 88f.; IDW RS HFA 4 (2012), Rn. 14). Dementsprechend sind auf die hier zu betrachtenden Vertragsverhältnisse die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte anzuwenden. Daher wird im Folgenden sowohl auf den Begriff des schwebenden Geschäfts als auch auf seine bilanzielle Behandlung eingegangen.
Rn. 19
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Zur Definition eines schwebenden Geschäfts bedarf es einerseits der Abgrenzung des Geschäftsinhalts und andererseits der Bestimmung der Dauer des Schwebezustands (vgl. Woerner, FR 1984, S. 489 (490)). In sachlicher Hinsicht handelt es sich bei einem schwebenden Geschäft nach h. M. "um einen gegenseitigen, auf Leistungsaustausch gerichteten Vertrag, der als Beschaffungs- oder Absatzgeschäft einmalige Lieferungen und Leistungen, ein dauerndes Verhalten oder wiederkehrende Einzellieferungen oder -leistungen zum Gegenstand haben kann" (Kessler (1999), S. 820f., m. w. N.; vgl. auch ADS (1998), § 249, Rn. 139; IDW RS HFA 4 (2012), Rn. 2f.).
Rn. 20
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Zur Abgrenzung der Dauer des Schwebezustands (vgl. für einen Überblick HdR-E, HGB § 246, Rn. 14, m. w. N.) sind dessen Beginn und Ende zu bestimmen. Grds. beginnt ein schwebendes Geschäft im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Diese zivilrechtliche Sichtweise deckt sich jedoch nicht zwingend mit der im Bilanzrecht anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, derzufolge bereits das Vorliegen eines bindenden Angebots u. U. zur Begründung eines schwebenden Geschäfts ausreicht (vgl. Babel, ZfB 1998, S. 825 (829); BFH, Urteil vom 16.11.1982, VIII R 95/81, BStBl. II 1983, S. 361; IDW RS HFA 4 (2012), Rn. 10; a. A. Bieg (1977), S. 26f., der sich aus Objektivierungsgründen gegen einen vor dem Vertragsabschluss liegenden Beginn wendet). Andererseits kann der Beginn des Schwebezustands bspw. durch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung auch nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses liegen (vgl. hierzu IDW RS HFA 4 (2012), Rn. 8f.).
Ein schwebendes Geschäft gilt sowohl nach ständiger Rspr. des BFH als auch nach h. M. im Schrifttum als beendet, wenn der zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichtete seine vertragliche Leistung voll erbracht hat, da der Erfüllungszeitpunkt des Geschäfts bilanzrechtlich durch das Realisationsprinzip konkretisiert wird (vgl. ADS (1998), § 246, Rn. 183; Babel, ZfB 1998, S. 825 (829f.); Beck Bil-Komm. (2022), § 249 HGB, Rn. 92; BFH, Beschluß vom 23.06.1997, GrS 2/93, BStBl. II 1997, S. 735; IDW RS HFA 4 (2012), Rn. 11). Anzahlungen des auf die Sachleistung Anspruchsberechtigten haben keinen Einfluss auf den Schwebezustand des Geschäfts, da es sich hierbei um reine Finanzierungsvorgänge handelt (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 249 HGB, Rn. 92), die bilanziell gesondert unter dem Posten "Geleistete Anzahlungen" respektive "Erhaltene Anzahlungen" zu erfassen sind und im Zeitpunkt der Leistungserfüllung durch den Sachleistungsverpflichteten abgerechnet werden.
Rn. 21
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Prinzipiell gilt für schwebende Geschäfte der Grundsatz der Nichtbilanzierung, sofern sich Leistung und Gegenleistung aus dem vertraglichen Synallagma ausgeglichen gegenüberstehen. Dabei wird widerlegbar angenommen, dass dieses Gleichgewicht während der Dauer des Schwebezustands besteht (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 249 HGB, Rn. 94; BFH, Beschluß vom 23.06.1997, GrS 2/93 BStBl. II 1997, S. 735, m. w. N.; HdR-E, HGB § 249, Rn. 66). Folglich kommt es nur dann zu einer bilanziellen Erfassung des schwebenden Geschäfts, wenn die Ausgewogenheit zwischen Leistung und Gegenleistung gestört wird. Aufgrund der imparitätischen Behandlung von Gewinnen und Verlusten im deutschen Bilanzrecht (vgl. zum Realisations- und Imparitätsprinzip HdR-E, HGB § 252, Rn. 90ff.) liegt eine solche Durchbrechung nur dann vor, wenn einem der beiden Vertragspartner ein Verlust aus dem Geschäft droht, der handelsrechtlich durch die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu u. a. ADS (1998), § 249, Rn. 135ff.; Beck Bil-Komm. (2022), § 249 HGB, Rn. 95ff.; IDW RS HFA 4 (2012); HdR-E, HGB § 249, Rn. 61ff.; zur Abgrenzung des Saldierungsbereichs einer Drohverlustrückstellung Küting/Kessler, DB 1997, S. 2441ff.; Küting/Kessler, DStR 1997, S. 1665ff.; WP-HB (2023), Rn. F 628ff.).
Rn. 22
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Die vorliegend betrachteten Miet-, Pacht-, und Leasingverträge sehen – ungeachtet einer ggf. vereinbarten Gesamtlaufzeit – i. d. R. zeitraumbezogene Teilleistungen vor (z. B. Vermietung gegen monatliches Entgelt). In diesem Fall endet der Schwebezustand sukzessive für den jeweils erbrachten Leistungsteil mit Abschluss des betreffenden Teilleistungszeitraums. Eine Drohverlustrück...