Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Christoph Hell
Rn. 18
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Der Kreis der Sachverhalte, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, ist grds. weit zu fassen. Nach § 10 BS WP/vBP sind dies Tatsachen und Umstände, die dem WP/vBP bei seiner Berufstätigkeit anvertraut oder bekannt werden. Die Grenzziehung zwischen dem außerhalb des Mandats erworbenen Wissen und mandatsspezifischen Kenntnissen ist erfahrungsgemäß schwierig (vgl. Sigloch, in: HWRev (1992), Sp. 2108 (2109)). Nicht unter die Verschwiegenheitspflicht fallen Informationen, die allg. bekannt oder die jedermann zugänglich sind (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 323 HGB, Rn. 27). Allg. bekannt sind insbesondere veröffentlichte Verlautbarungen der geprüften Gesellschaft. Jedermann zugänglich sind Informationen, die von jedermann ohne weitere Begründung und unter geringem Aufwand abgerufen werden können und deren Tatsachenentsprechung offenkundig ist. Presseberichte über das geprüfte UN, die möglicherweise nur aufgrund vager Vermutungen formuliert sind, spiegeln demnach nicht ohne Weiteres allg. bekannte bzw. jedermann zugängliche Informationen wider (vgl. Staub: HGB (2010), § 323, Rn. 20; Beck Bil-Komm. (2022), § 323 HGB, Rn. 27).
Rn. 19
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Entscheidend für die Reichweite der Verschwiegenheitspflicht ist weiter der kundgegebene oder mutmaßliche Wille der geprüften Gesellschaft, bestimmte Informationen an Dritte nicht weiterzugeben (vgl. ADS (2000), § 323, Rn. 31). Eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht kann durch Entscheidung des Geschäftsführungsorgans der geprüften Gesellschaft bzw. eines für die Angelegenheit zuständigen Mitglieds erfolgen (vgl. ADS (2000), § 323, Rn. 32). Darüber hinaus kann eine Befreiung durch den Insolvenzverwalter erfolgen (vgl. differenzierend(er) MünchKomm. HGB (2020), § 323, Rn. 55). Dies gilt allerdings nur für den zivilrechtlichen Bereich, insbesondere bei der Verfolgung von Regressansprüchen gegen frühere gesetzliche Vertreter. I.R.d. Strafrechts ist hingegen eine Befreiungserklärung des Insolvenzverwalters allein nicht ausreichend (vgl. WP-HB (2021), Rn. A 198, m. w. N.; ADS (2000), § 323, Rn. 32). Hat das Vertretungsorgan der Gesellschaft seinen Willen nicht kundgetan, so ist im Zweifel ein strenger Maßstab bei der Mutmaßung über den Geheimhaltungswillen angebracht (vgl. auch Bonner-HdR (2019), § 323 HGB, Rn. 21).