Rn. 47
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Von der Vornahme oder Unterlassung von Rechtsgeschäften und Maßnahmen "im Interesse" des herrschenden UN oder eines mit ihm verbundenen UN ist dann auszugehen, wenn diese Handlungen überwiegend deshalb vorgenommen oder unterlassen wurden, um diesen anderen UN Vorteile zu bringen oder Nachteile von ihnen abzuwenden. Damit wird hier ein subjektives Merkmal akzeptiert (vgl. ebenso ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 47; HFA 3/1991, WPg 1992, S. 91 (93); Kakies, AG 2002, S. 60; WP-HB (2021), Rn. O 86; überdies AktG-GroßKomm. (2016), § 312, Rn. 80; Hüffer-AktG (2021), § 312, Rn. 21, 26, wonach es für die Berichtspflicht reicht, wenn eines der beiden Kriterien gegeben ist; a. A. KK-AktG (2004), § 312, Rn. 50; MünchKomm. AktG (2020), § 312, Rn. 106, wonach es allein auf die objektive Interessenlage ankommt; wiederum a. A. Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 415, wonach beide Kriterien kumulativ erfüllt sein müssen). Der Vorstand braucht demnach also über Geschäfte und Maßnahmen, die nur objektiv im Interesse verbundener UN liegen, grds. nicht nach § 312 AktG zu berichten.
Rn. 48
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Es empfiehlt sich aber, dem AP ggf. das ausschließlich oder überwiegend maßgebende Eigeninteresse nachzuweisen, da der Prüfer bei einer objektiven Begünstigung von Verbundinteressen von der Vermutung ausgehen kann, dass eine entsprechende Motivation vorlag (vgl. Haesen (1970), S. 93). Der Vorstand sollte daher im Zweifel auch über solche Sachverhalte berichten, die die übrigen Verbund-UN unbeabsichtigt begünstigt haben (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 415). Hiermit wird dem Zweck der Abhängigkeitsberichterstattung nachgekommen, bereits nachteilsverdächtige Vorgänge zu erfassen. Typische Aktionärsinteressen des herrschenden UN sollen vom Begriff des Interesses nicht erfasst werden.
Rn. 49
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Bei den im Interesse des herrschenden UN oder eines mit ihm verbundenen UN vorgenommenen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen kommt es für die Berichtspflicht nicht auf die Veranlassung des Geschäfts an ("auf Veranlassung oder im Interesse"). Derartige Geschäfte sind auch dann berichtspflichtig, wenn sie die abhängige AG/KGaA/SE von sich aus vorgenommen hat (vgl. Goerdeler, WPg 1966, S. 113 (125)); bei Fehlen der Veranlassung besteht aber nur Berichtspflicht und keine Ausgleichspflicht nach § 311 AktG.
Rn. 50
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Ebenso kommt bei beiderseitigem Interesse eine Erwähnungspflicht dann in Frage, wenn das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme überwiegend im Interesse des herrschenden UN oder eines mit ihm verbundenen UN vorgenommen wurde, dessen Interesse ausschlaggebend gewesen sein muss (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 49; Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 415). Die Berichtspflicht nur auf solche Rechtsgeschäfte und Maßnahmen zu verkürzen, die nicht nur im Interesse der genannten UN liegen, sondern die zugleich für die AG/KGaA/SE nachteilig sind, wäre mit dem Zweck des Abhängigkeitsberichts, bereits als verdächtig geltende Beziehungen aufzuführen, nicht vereinbar (vgl. Haesen (1970), S. 94).
Rn. 51
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Bei UN der öffentlichen Hand wirft die Berichterstattung nach § 312 AktG besondere Fragen auf. Angesichts der in der Entscheidung des BGH (vgl. Urteil vom 13.10.1977, II ZR 123/76, DB 1977, S. 2367 (2369)) befürworteten Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der Berichtspflicht von im Bundesbesitz befindlichen Gesellschaften auf das tatsächlich Erforderliche, kann es nicht Sinn sein, alle Maßnahmen aufzuführen, die eine AG/KGaA/SE auf verwaltungsrechtlichen Gebieten, wie etwa im Bereich des Umweltschutzes, der regionalen Wirtschaftsstruktur oder der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen im öffentlichen Interesse und damit auch im Interesse ihres Großaktionärs, getroffen hat. Hinsichtlich derjenigen Maßnahmen, die nicht durch die öffentliche Hand als Großaktionär veranlasst wurden, sind demnach nur solche berichtsrelevant, bei denen nach den Gesamtumständen begründete Zweifel bestehen, ob der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer nicht von der öffentlichen Hand abhängigen AG/KGaA/SE gleichartige Maßnahmen ohne Pflichtenverstoß (vgl. § 93 AktG) treffen durfte (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 51; AktG-GroßKomm. (2016), § 312, Rn. 81f.; Hüffer-AktG (2021), § 312, Rn. 22; KK-AktG (2004), § 312, Rn. 52; Kropff, ZHR 1980, S. 74 (96)).