Prof. Dr. Eberhard Kalbfleisch, Prof. Dr. Sascha Mölls
Rn. 29
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Die JA mittlerer und großer AG, KGaA und SE unterliegen der gesetzlichen Prüfungspflicht aus § 316. Kleine KapG, die zwei der drei Kriterien aus § 267 Abs. 1
- BS: 6 Mio. EUR (ohne aktivierte Fehlbeträge),
- UE: 12 Mio. EUR im letzten Jahr vor dem BilSt,
- AN: 50 im Jahresdurchschnitt,
nicht überschreiten, sind dagegen nicht prüfungspflichtig. Der JA einer prüfungspflichtigen AG, KGaA oder SE, der entgegen § 316 Abs. 1, 3 nicht geprüft worden ist und trotzdem festgestellt wurde, ist nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig. Indem die Vorschrift sich lediglich auf § 316 Abs. 1, 3 und nicht auf § 317 bezieht, der den Gegenstand und Umfang einer AP beschreibt, wird klargestellt, dass die Nichtigkeitsfolge grds. nur bei völligem Unterbleiben einer Prüfung und nicht schon dann eintreten soll, wenn die Prüfung hinsichtlich des gebotenen Umfangs den Erfordernissen des § 317 nicht gerecht wird (vgl. NK-AktG (2019), § 256, Rn. 14). Die Nichtigkeitsfolge dient dazu, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die AP zu gewährleisten (vgl. WP-HB (2021), Rn. B 327ff.).
Rn. 30
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
In diesem Zusammenhang gilt jedoch einschränkend, dass die Nichtigkeit des JA nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG dann doch wieder eintreten soll, wenn die Prüfungshandlungen so geringen Umfangs sind, dass im Ergebnis nicht mehr davon gesprochen werden kann, eine AP habe überhaupt stattgefunden. I.d.R. wird eine AP aber festgestellt werden können, wenn die Prüfungshandlungen einen zureichenden Mindestumfang aufweisen und außerdem dem Vorstand ein schriftlicher Prüfungsbericht erstattet sowie ein BV erteilt oder versagt wurde (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 256, Rn. 10; WP-HB (2021), Rn. B 327ff.). Unzureichende Prüfungshandlungen liegen insbesondere dann vor, wenn ganze Bilanzposten nicht geprüft wurden. Das Unterlassen der Prüfung einzelner VG rechtfertigt die Nichtigkeitsfolge aus § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG dagegen nicht (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 256, Rn. 11, m. w. N.). Ebenso reicht es für die Anwendung der Norm nicht aus, dass lediglich der Lagebericht nicht geprüft worden ist, da sich § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG seinem Wortlaut getreu auf den JA selbst bezieht (vgl. BeckOGK-AktG (2021), § 256, Rn. 29). Ein JA gilt aber dann nicht als geprüft, wenn über das Ergebnis der Prüfung nicht schriftlich berichtet wurde, bevor der AR gemäß § 172 AktG über die Feststellung des JA beschließt (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 256, Rn. 11, m. w. N.). Ist keinerlei schriftliche Berichterstattung auffindbar, greift die Regelung des § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG ein (vgl. OLG Celle, Beschluß vom 07.01.1961, 9 U 17/60, AG 1961, S. 105f.). Unabdingbarer gesetzlicher Bestandteil einer AP ist weiterhin, dass ein BV gemäß § 322 erteilt oder versagt wurde.