Rn. 35

Stand: EL 15 – ET: 11/2012

Eine ungewisse Verbindl. liegt nur vor, wenn sie den Charakter einer Schuld hat, d. h., wenn es sich um eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten handelt. Dazu gehören einmal privatrechtliche Verpflichtungen, die insbes. durch Vertragsabschluss (z. B. Erteilen eines Auftrags) oder zum Schadensersatz verpflichtende Handlung entstehen können. Ferner fallen darunter öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die an den Betrieb des UN anknüpfen und vom Kaufmann zu beachten sind. Letztere müssen nach der stl. Rspr. hinreichend konkretisiert sein (vgl. BFH-Urt. v. 19.10.1993, BStBl. II 1993, S. 891ff. und BFH-Urt. v. 08.11.2000, BB 2001, S. 566, mit Anm. von Moxter, A. 2001, S. 569 sowie BFH-Urt. v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698), und zwar entweder durch eine Vfg. einer zuständigen Behörde oder unmittelbar durch eine gesetzl. Regelung, wenn diese ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums fordert und an ihre Verletzung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich der Kaufmann der Erfüllung letztlich nicht entziehen kann. Im Schrifttum werden diese zusätzlichen Konkretisierungserfordernisse in Frage gestellt, da es kein Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen geben könne (vgl. u. a. Bäcker, R. M. 1989, S. 2071ff.; Bäcker, R. M. 1995, S. 503ff.; Bordewin, A. 1992a, S. 1097ff.; Herzig, N. 1990, S. 1341ff.). Der BFH räumt ein, dass seine Rspr. an einzelnen Fallgruppen entwickelt wurde, so dass sie u. U. bei anderen Fallgruppen, z. B. im Bereich des Umweltschutzes, präzisiert oder fortentwickelt werden muss. Da öffentlich-rechtliche Verpflichtungen häufig nur in abstrakter Form bestehen und sich an die Allgemeinheit richten, sind Konkretisierungserfordernisse, mit denen das Bestehen einer Verpflichtung im Einzelfall nachgewiesen wird, zu akzeptieren. Sie rechtfertigen sich aus den Unterschieden zu privatrechtlichen Verpflichtungen. Andererseits dürfen sie nicht so weit gehen, dass absehbare wirtschaftliche Belastungen von der Rückstellungsbildung ausgeschlossen werden. Nach der Rspr. des BFH würden im Bereich des Umweltschutzes Verpflichtungen nur dann bestehen, wenn eine Vfg. der zuständigen Behörde oder eine konkrete gesetzl. Auflage vorliegt. Dies ist jedoch meistens nicht der Fall. Hier muss es für die Anerkennung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ausreichen, wenn eine Altlast vorliegt, deren Beseitigung sich der Kaufmann faktisch oder unter dem Druck des Umweltrechts nicht entziehen kann (vgl. i. E. HdR-E, HGB § 249, Rn. 92ff.). Derartige Konkretisierungserfordernisse gelten nicht bei vertraglichen Verpflichtungen (vgl. BFH-Urt. v. 28.03.2000, BStBl. II 2000, S. 612). Ungewisse Verbindl. können sowohl auf Zahlung eines Geldbetrags als auch auf die Erbringung einer Sach- oder Dienstleistung gerichtet sein. Sie können ferner aufschiebend oder auch auflösend bedingt sein, wenn der Eintritt der Bedingung ungewiss ist (vgl. BFH-Urt. v. 11.04.1990, DB 1990, S. 1642). Nicht notwendig ist, dass die Verpflichtung fällig ist oder Ansprüche bereits geltend gemacht wurden (vgl. wegen der Frage, ob der Berechtigte die Tatsachen kennen muss, aus denen sich die Verpflichtung ergibt, HdR-E, HGB § 249, Rn. 55ff.).

Eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten liegt auch dann vor, wenn die Erfüllung nicht zu Aufwand führt, sondern nur zu Mindereinnnahmen, z. B. bei Rückgewähr zu hoher Gebühren, die zu einer Überdeckung geführt haben (vgl. BFH-Urt. v. 06.02.2013, DB 2013, S. 1091).

 

Rn. 36

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Verbindl. i. S. d. § 249 sind auch selbstständige Nebenverpflichtungen mit genau umrissenem Inhalt, z. B. die Abrechnungsverpflichtung nach § 14 Verdingungsordnung für Bauleistungen – Teil B (VOB/B; vgl. BFH-Urt. v. 25.02.1986a, BStBl. II 1986, S. 788ff.). Demgegenüber bleiben unselbstständige Nebenverpflichtungen (vgl. BFH-Urt. v. 03.12.1991, BStBl. II 1993, S. 89ff. und v. 04.02.1999, BStBl. II 2000, S. 139) Bestandteil der Hauptverpflichtung; für sie dürfen keine eigenständigen Rückstellungen gebildet werden. Sie können aber i. R. d. Hauptverpflichtung einen Erfüllungsrückstand herbeiführen oder in die Bewertung einer Rückstellung für die Hauptverpflichtung eingehen. Die Abgrenzung ist allerdings umstritten. So hat der BFH bei den Schadensbearbeitungskosten einer Versicherungsgesellschaft – im Gegensatz zu den Schadensermittlungskosten – weder eine selbstständige Nebenverpflichtung noch einen Bestandteil der Hauptleistung angenommen (vgl. BFH-Urt. v. 10.05.1972, BStBl. 1972 II, S. 827). Handelrechtl. gilt aber § 341g Abs. 2 S. 2 HGB, wonach die Schadensermittlungskosten als Teil der mit den Versicherungsfällen verbundenen Aufwendungen anzusehen sind (vgl. auch ADS 1995, § 249, Rn. 57; Schubert, in: Beck Bil-Komm. 2014, § 249, Rn. 27).

 

Rn. 37

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Zu den Verbindl. i. S. d. § 249 Abs. 1 zählen auch tatsächliche Verpflichtungen, die zwar rechtl. nicht bestehen und damit nicht einklagbar sind, denen der Kaufmann sich aber aus betri...

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