Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
Rn. 64
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Die Durchführung der Einzelbewertung setzt eine Abgrenzung der einzeln zu bewertenden VG und Schulden voraus, da ein "Wert nicht per se existiert, sondern stets einem Bewertungsobjekt beigelegt wird" (Selchert, BB 1984, S. 1399 (1403)). Dazu müssen zunächst die einzelnen Bewertungsobjekte identifiziert und dann von anderen Bewertungsobjekten abgegrenzt werden (vgl. Bonner HGB-Komm. (2011), § 252, Rn. 119). Diese international auch unter dem Terminus "unit of account" bekannte Abgrenzungsfrage ist mangels gesetzlicher Vorgaben (das Gesetz spricht lediglich von VG und Schulden, ohne eine Abgrenzung anzugeben; vgl. u. a. §§ 246 Abs. 1, 252 Abs. 1 Nr. 3, 253) nicht immer zweifelsfrei möglich, so dass es im Einzelfall durchaus fraglich sein kann, was genau als Bewertungsobjekt anzusehen ist. Die Abgrenzung ist letztlich nach dem Sinn und Zweck des handelsrechtlichen JA vorzunehmen. Die Ausrichtung des JA auf wirtschaftliche Zwecke verlangt, die Aufgliederung des Vermögens und der Schulden eines UN, die insgesamt dem UN-Zweck dienen, in einzeln zu bewertende Objekte bzw. selbständige Einzelpositionen (VG bzw. Schulden) nach wirtschaftlichen Überlegungen vorzunehmen. Die bewertungsmäßige Trennung muss der Kaufmann so weit führen, bis Vermögensteile entstehen, über deren Einsatz einheitlich entschieden werden kann und entschieden wird, und zwar mit Wirkung auf die VFE-Lage, und die nicht ohne wesentliche wirtschaftliche Wirkung (z. B. Aufwand für Zerlegung) weiter unterteilt werden können. Die rechtliche Abgrenzung (z. B. Sachen i. S. d. § 90 BGB) und die Verkehrsanschauung können Anhaltspunkte für die bilanzielle Abgrenzung von VG und Schulden liefern (vgl. indes auch Bonner HGB-Komm. (2011), § 252, Rn. 119, wonach den juristischen Abgrenzungskriterien in diesem Zusammenhang lediglich eine Indikatorfunktion zugestanden wird).
Ausgehend vom sächlichen Gegenstand (der Schraube, dem Formteil, dem Gebäudeanbau etc.) lässt sich umgekehrt formulieren: Die Abgrenzung des Bewertungsobjekts verlangt, all die sächlichen Gegenstände als VG zusammenzufassen, die – nicht zuletzt aufgrund ihrer technischen Verbindung – im Hinblick auf wirtschaftliche Wirkungen nur gemeinsam zum Einsatz gelangen. Insofern stellen nicht die Teile eines Kfz, einer Maschine, einer Computeranlage, eines Gebäudes (z. B. Etagen ohne Begründung von Stockwerkseigentum) jeweils VG dar, sondern das Kfz, die Maschine, die Computeranlage und das Gebäude als solches. Nach Ansicht des IDW dürfte es handelsrechtlich zulässig und mit dem Grundsatz der Einzelbewertung vereinbar sein, abnutzbare VG des Sach-AV in seine "wesentlichen Komponenten unterschiedlicher Nutzungsdauern" zu unterteilen, wenn so eine "verursachungsgerechtere Periodisierung des Aufwands" erzielt werden könne (vgl. IDW RH HFA 1.016 (2009), Rn. 4). Voraussetzung für den sog. Komponentenansatz ist, dass physisch separierbare Komponenten vorliegen, die im Verhältnis zur gesamten Einheit wesentlich sind (vgl. IDW RH HFA 1.016 (2009), Rn. 5). Dies dürfte auch die Überbewertung einer Mehrkomponenten-Einheit verhindern, wenn die ND des integrierten VG erheblich unter der einheitlichen ND der gesamten Einheit liegt (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 24).
Rn. 65
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Die Literatur zur Abgrenzung der VG und Schulden folgt weitgehend dem Kriterium wirtschaftlich einheitlicher Verfügung (vgl. z. B. "wirtschaftliche Betrachtungsweise" bei Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 23). Diese Argumentation wurde durch das BilMoG gestärkt, wonach der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nun explizit in das deutsche Handelsrecht übernommen wurde (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2). Auch auf europäischer Ebene wird die wirtschaftliche Betrachtungsweise mittlerweile explizit erwähnt (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Bilanz-R). Das Abgrenzungskriterium wirtschaftlicher Einheitlichkeit der Verfügung (Kupsch, in: FS Forster (1992), S. 340 (342ff.), spricht von "Einzelverwertbarkeit", "betrieblicher Zweckwidmung" und "selbständiger Nutzungsfähigkeit") kann selbst dann Anwendung finden, wenn etwa mehrere an sich selbständig nutzbare Bewertungsobjekte (z. B. Maschinen, Vorrichtungen oder Gebäudeteile) miteinander zu einer nur einheitlich einsetzbaren Einheit verbunden werden. Das gilt z. B. für eine Mehrzahl von Maschinen, die durch technischen Einbau (etwa mit Hilfe gemeinsamer Steuerungs-, Transport- oder Materialversorgungsanschlüsse) nur gemeinsam genutzt werden können, also in der zeitlichen und intensitätsmäßigen Nutzung (vgl. Gutenberg (1983), S. 361ff., 371ff.) vollständig voneinander abhängen. Die Intensität der Verknüpfung kann im Einzelfall unterschiedlich sein. Maßgebend sind die wirtschaftlichen Wirkungen, die sich bei einem Herauslösen einzelner Teile aus dem Verbund und evtl. differenziertem Einsatz ergeben. Die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall bedürfen einer kaufmännisch vernünftigen Berücksichtigung.
Die wirtschaftliche einheitliche Ve...