Rn. 8
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Aufgrund des unantastbaren und allg. Mitgliedschaftsrechts steht jedem abstimmungsberechtigten Aktionär das Recht auf umfassende Information zu. Für den Umfang und Rahmen des Informationsrechts ist § 131 AktG zu beachten. Im vorliegenden Zusammenhang sind die Auslegungspflicht und das Recht auf Abschriften von Vorlagen zentrale Ausformungen des Informationsrechts der Aktionäre. Verletzungen dieser Informationspflichten können zur Anfechtung nach § 243 Abs. 1 AktG führen, deren rechtliche Relevanz bei Verletzung der Auslegungspflicht i. d. R. zu bejahen ist (vgl. ebenso Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 6), während die Relevanz einer Verletzung der Erteilungspflicht von Abschriften dann abzulehnen ist, wenn feststeht, dass auch ohne die Stimme des nicht ausreichend informierten Aktionärs der angefochtene Beschluss zustande gekommen wäre (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 7). Neben dem Zwangsgeldverfahren nach § 407 Abs. 1 AktG kommt hierbei einer Leistungsklage und ggf. einer einstweiligen Verfügung eine gewisse Bedeutung zu (vgl. für die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes AktG-GroßKomm. (2006), § 175, Rn. 18; KK-AktG (2011), § 175, Rn. 25; Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 6; a. A. ADS (1997), § 175 AktG, Rn. 22).
I. Auslegung
Rn. 9
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
JA, Lagebericht, AR-Bericht und Gewinnverwendungsvorschlag sind nach § 175 Abs. 2 Satz 1 AktG für die Aktionäre zur Einsicht auszulegen. Für den KA, Konzernlagebericht, EA nach § 325 Abs. 2a und Bericht des AR hierüber besteht die gleiche Auslegungspflicht (vgl. § 175 Abs. 2 Satz 1, 3 AktG). Die Auslegung nach § 175 Abs. 2 AktG ist von den Vorlagen nach § 176 Abs. 1 AktG zu unterscheiden. Die Auslegungspflicht beginnt mit der Einberufung und endet mit dem Beginn der HV (vgl. ebenso AktG-GroßKomm. (2006), § 175 AktG, Rn. 13). Ort der Auslegung sind die Geschäftsräume der Gesellschaft. Dies bedeutet regelmäßig, dass am Sitz der Hauptverwaltung die Auslegung zu erfolgen hat, der i. d. R. auch Ort der Tätigkeit des Vorstands ist (vgl. ADS (1997), § 175 AktG, Rn. 17; AktG-GroßKomm. (2006), § 175, Rn. 13; Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 6; MünchKomm. AktG (2018), § 175, Rn. 30; a. A. KK-AktG (1991), § 175 AktG, Rn. 10; Gleichstein/Stallbaum, AG 1970, S. 217 (219)). Eine Auslegung am Sitz von etwaigen Zweigniederlassungen ebenso wie am gerichtlichen Sitz ist zwar zweckmäßig, aber nicht zwingend. Es müssen nicht die Originalunterlagen ausgelegt werden, Abschriften genügen. Ferner müssen in ausreichender Zahl Ausfertigungen zur Einsichtnahme vorgelegt werden, wobei sich die Aktionäre ggf. (auf Verlangen der Gesellschaft) entsprechend zu legitimieren haben.
II. Erteilung von Abschriften
Rn. 10
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Soweit der Aktionär dies verlangt, hat die Gesellschaft gemäß § 175 Abs. 2 Satz 2 AktG Abschriften der Vorlagen zu erteilen. Das Verlangen kann formlos erfolgen (vgl. AktG-GroßKomm. (2006), § 175, Rn. 13), der Aktionär hat sich ggf. ausreichend zu legitimieren. Nach zutreffender Ansicht sind die anfallenden Kosten (einschließlich Versandkosten) von betreffender Gesellschaft zu tragen (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 7). Die Erteilung von Abschriften entbindet den Vorstand weder von seiner Auskunftspflicht noch seiner Pflicht zur Erläuterung aller Vorlagen in der HV nach § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG. Die Erteilung von Abschriften kann bereits vor Einberufung der HV verlangt werden, auch wenn ein solches Verlangen erst nach Einberufung erfüllt werden muss (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 7). Aus Gründen der gleichmäßigen Information aller Aktionäre sollte dies auch erst nach Einberufung erfolgen.
III. Information über die Internetseite
Rn. 11
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Gemäß § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG entfallen die Pflichten zur Auslegung und Erteilung von Abschriften soweit die Dokumente über das Internet (Internetseite der Gesellschaft) für denselben Zeitraum zugänglich sind. Diese Form der Informationsweitergabe ist inzwischen in der Praxis weit verbreitet (vgl. dazu Rieckers, DB 2019, S. 107ff.)