Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 92
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Mit der Anerkennung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen als ungewisse Verbindl. i. S. d. § 249 sind Rückstellungen auch für Verpflichtungen im Bereich des Umweltschutzes zulässig und geboten. Schon daraus ergibt sich, dass es ein Sonderrecht für Umweltschutzrückstellungen nicht geben kann, vielmehr muss die Bildung derartiger Rückstellungen in vollem Umfang aus den allg. Voraussetzungen des § 249 abgeleitet werden. Die Anforderungen sind also identisch mit denen für die anderen Verbindl.-Rückstellungen. Die Voraussetzungen für privatrechtliche Umweltschutzrückstellungen richten sich ohnehin nach den allg. Grundsätzen (vgl. hierzu Rödl, B./Layer, B./Meichelbeck, H. T. 1995, S. 428ff.). Der Umfang der Reglementierungen und die Höhe der entspr. Verpflichtungen waren der Anlass für eine umfassende Diskussion der Fragen zu den Rückstellungen für Umweltschutzmaßnahmen. Daher sollen die wichtigsten Problemstellungen noch einmal im Gesamtzusammenhang dargestellt werden, weil sich auch aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Voraussetzungen Anhaltspunkte für die Entscheidung ergeben können. Zu Einzelfragen geben die Abschnitte über die Rückstellungsvoraussetzungen bzw. über einzelne Rückstellungen Auskunft.
I. Öffentlich-rechtliche Verpflichtung
Rn. 93
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Gemeinsames Merkmal der Rückstellungen für Umweltschutzmaßnahmen in den verschiedenen Varianten ist, dass es sich um Verpflichtungen handelt, die den UN durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsanordnung in allg. Form oder durch konkrete Vfg. der zuständigen Behörde im Einzelfall auferlegt werden. Für derartige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen verlangt der BFH eine hinreichende Konkretisierung und hat dazu Kriterien aufgestellt, die zusätzlich zu den Voraussetzungen von Rückstellungen für ungewisse Verbindl. (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 32ff.) vorliegen müssen. Diese Konkretisierung ist gegeben (insbes. vgl. BFH-Urt. v. 19.10.1993, BStBl. II 1993, S. 891)
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bei einer Vfg. der zuständigen Behörde, wenn diese ein bestimmtes Handeln vorschreibt, |
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bei einer gesetzl. Grundlage,
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wenn diese ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln vorsieht, |
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das innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfüllt sein muss und |
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dieses Handlungsgebot sanktionsbewehrt und damit durchsetzbar ist. |
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Der BFH hat auch in neueren Entscheidungen an diesen Kriterien festgehalten (vgl. BFH-Urt. v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698; BFH-Beschl. v. 08.11.2000, DB 2001, S. 410; BFH-Urt. v. 25.03.2004, BB 2004, S. 1620 und v. 21.09.2005, DB 2006, S. 1678; vgl. auch Moxter, A. 2001, S. 569), stellt aber mehr auf das Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme im allg. Sinne ab (HdR-E, HGB § 249, Rn. 58, 103). Insofern sieht Christiansen, A. (2008, S. 735) eine Neuorientierung des BFH.
Rn. 94
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Die Konkretisierungserfordernisse werden im Schrifttum in Frage gestellt und als Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen und Überobjektivierung bezeichnet (vgl. z. B. Bäcker, R. M. 1995, S. 503ff.; Bordewin, A. 1992a, S. 1097; Crezelius, G. 1992, S. 1353; GEFIU 1993, S. 1530; ablehnend auch Frenz, W. 1997, S. 37; Kessler, H. 1996, S. 1228; Stuhr, H.-J./Bock, M. 1995, S. 1134). Andererseits ist unbestritten, dass eine ausreichende Konkretisierung gegeben sein muss, um allg. gehaltene Regelungen von einer Verpflichtung im eigentlichen Sinn abgrenzen zu können. Damit wird noch kein Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen geschaffen, sondern sichergestellt, dass wirklich eine Verbindl. "gegenüber einem Dritten", nämlich dem Staat, vorliegt. Die Kriterien des BFH konkretisieren somit eine Voraussetzung, die auch bei privatrechtlichen Verbindl. erfüllt sein muss. Der BFH räumt allerdings zu Recht ein, dass die bisherigen Kriterien zur hinreichenden Konkretisierung an einzelnen Fallgruppen entwickelt worden sind, nämlich den Pflichten zur Erstellung und Prüfung des JA und zuletzt den Kosten für rückständige Bufü-Arbeiten sowie den Rekultivierungs- und Abbruchpflichten. Er lässt aber offen, ob eine Präzisierung oder Fortentwicklung notwendig ist.
Rn. 95
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Zwar deckt die neuere Rspr. nunmehr die Fallgruppen "Altlasten", "Entsorgung" und "Anpassungsverpflichtungen" ab. Doch liegt mit der Vielzahl der Umweltschutzvorschriften und -auflagen ein breites Feld von konkreten Verhaltenspflichten vor, die eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte erfassen. JA- und Prüfungspflichten sind kfr. angelegt (auch wenn sie sich wiederholen), klar geregelt und vom Umfang her überschaubar. Rekultivierungsverpflichtungen hängen mit den gegenwärtigen Aktivitäten des UN zusammen, sind ebenfalls meist klar geregelt und die Art der Erfüllung ist konkret. Demgegenüber reichen Umweltschutzverpflichtungen teilw. weit in die Vergangenheit des UN oder eines Vorgängers zurück, teilw. reichen sie in die unternehmerische Planung der Zukunft hinein, sie beinhalten Verpflichtungen zum Handeln, aber auch zum Unterlassen, die Anforderungen sind z. T. ungew...