Prof. Dr. Eberhard Kalbfleisch, Prof. Dr. Sascha Mölls
Rn. 6
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Primärer Adressat der gesetzlichen Bestimmungen über den UN-Vertrag sind gemäß der Definitionen in den §§ 291 Abs. 1, 292 Abs. 1 AktG die AG, KGaA und SE, wenngleich allg. anerkannt ist, dass die andere Partei (vgl. zur Rechtslage im reinen GmbH-Vertragskonzern stellvertretend Scholz-GmbHG (2018), Anhang zu § 13, Rn. 129ff.) eines der dort genannten Verträge auch eine GmbH sein kann. Für die vertragschließende AG, KGaA bzw. SE ändert sich insoweit im Vergleich zum reinen Aktienkonzern nichts, da § 293a Abs. 1 AktG den Vertragsbericht und § 293b Abs. 1 AktG die Vertragsprüfung für jede an einem UN-Vertrag beteiligte AG/KGaA/SE anordnet, ohne nach der Rechtsform der anderen an dem Vertragsschluss beteiligten UN zu unterscheiden. Die Bestimmungen der §§ 293aff. AktG finden mithin auf diese AG, KGaA oder SE in vollem Umfang Anwendung.
In Bezug auf die andere Vertragspartei in der Rechtsform der GmbH ist dagegen für die Frage, ob die Regelungen über den UN-Vertragsbericht und die -prüfung entsprechend angewandt werden müssen, danach zu differenzieren, ob diese GmbH abhängiges UN (TU) oder herrschendes UN (MU) ist. Dabei ist festzustellen, dass die nachfolgend darzustellende Diskussion praktisch ausnahmslos nur am Beispiel des BHV und GAV geführt wird, während sich zu den anderen UN-Verträgen nur vereinzelte Stellungnahmen finden. Nach hier vertretener Ansicht entspricht es der gesetzlichen Systematik, insoweit keine Differenzierung vorzunehmen, mag auch die gesetzgeberische Motivation für die Regelungen der §§ 293aff. AktG auf die erstgenannten Vertragstypen am besten passen (vgl. HdR-E, AktG § 293a, Rn. 3).
Rn. 7
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Wenn die GmbH als TU beteiligt ist, bedarf der Abschluss eines UN-Vertrags mit einer AG, KGaA oder SE der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, wobei bisher ungeklärt ist, welches Mehrheitserfordernis für den Zustimmungsbeschluss erfüllt sein muss. Während ein Teil der Literatur (vgl. statt vieler Scholz-GmbHG (2018), Anhang zu § 13, Rn. 143ff., m. w. N.) unter Berufung auf die schwerwiegenden Auswirkungen des Vertragsschlusses auf die Mitgliedschaftsrechte der GmbH-Gesellschafter einen einstimmigen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter verlangt, geht – mit Differenzierungen im Detail – eine im Vordringen befindliche Auffassung (vgl. statt vieler Rowedder-GmbHG (2017), Anhang zu § 52, Rn. 43ff., 47, m. w. N.) davon aus, dass die satzungsändernde Dreiviertel-Mehrheit des § 53 GmbHG ausreicht. Der BGH konnte diese Frage in seiner bisher letzten grundlegenden "Supermarkt"-Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1988, II ZB 7/88, BGHZ 105, S. 324ff.) zum GmbH-Vertragskonzern offenlassen, da in dem entschiedenen Fall das MU zu 100 % an dem TU beteiligt war.
Entsprechend dieser Auseinandersetzung aber fällt auch die Diskussion um die Anwendbarkeit der §§ 293aff. AktG auf die abhängige GmbH aus (vgl. mit a. A. Altmeppen, ZIP 1998, S. 1853 (1857f.), der beide Fragenkreise für voneinander unabhängig hält). Die vorgenannten Vertreter des Einstimmigkeitserfordernisses sehen kein Bedürfnis für Bericht und Prüfung des UN-Vertrags bei der vertragschließenden GmbH, da jeder Gesellschafter sich rein faktisch in der Position befinde, all diejenigen Informationen verlangen zu können, die er in Bezug auf den UN-Vertrag zu erlangen wünsche; ein Schutzbedürfnis der Gesellschafter sei insofern zu verneinen (vgl. ebenso in der aktienrechtlichen Literatur KonzernR (2019), § 293a AktG, Rn. 11; Hüffer-AktG (2022), § 293a, Rn. 6; Altmeppen, ZIP 1998, S. 1853 (1857f.)). Wer dagegen einen Mehrheitsbeschluss für die Zustimmung zum Abschluss eines UN-Vertrags ausreichen lässt, anerkennt das dann gegebene Schutzbedürfnis der außenstehenden Gesellschafter und wendet die Regelungen über Vertragsbericht und -prüfung auf die abhängige GmbH analog an (vgl. Rowedder-GmbHG (2017), Anhang zu § 52, Rn. 43ff., m. w. N.; Humbeck, BB 1995, S. 1893f.).
Rn. 8
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Nach hier vertretener Ansicht sprechen die besseren Argumente für die Annahme, dass eine mehrheitliche Entscheidung für den Beschluss der Gesellschafterversammlung der abhängigen GmbH über die Zustimmung zum Abschluss eines UN-Vertrags ausreicht. Ausschlaggebend aus praktischer Sicht ist dabei, dass ein Einstimmigkeitserfordernis stets das Risiko einer Blockade wirtschaftlich sinnvoller oder sogar gebotener Entscheidungen aus sachfremden Gründen in sich birgt und der prinzipiell offenstehende ordentliche Rechtsweg keinen zeitnahen und umfassenden Schutz hiergegen zu bieten vermag. Daran hat auch die zu begrüßende Tendenz der Rspr., aus querulatorischen oder gar "räuberischen" Motivationen eröffnete Rechtsstreitigkeiten zurückzudrängen, bisher nichts Signifikantes ändern können. Dann aber entspräche das Schutz- und Informationsbedürfnis des Minderheitsgesellschafters einer abhängigen GmbH dem eines außenstehenden Aktionärs, so dass nach hier vertretener Ansicht keine Rechtfertigung besteht, diesen die jenen ...