Prof. Dr. Jens Poll, Ingrid Kalisch
Rn. 90
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
§ 71 AktG regelt den Einsatz von Derivaten nicht, insbesondere ist ein solcher Erwerb nicht ausdrücklich verboten. Ob deren Einsatz zulässig oder unzulässig ist, hängt damit entscheidend davon ab, ob die entsprechende Transaktion als Erwerbsgeschäft i. S. d. § 71 AktG zu qualifizieren ist und – soweit dies der Fall ist – die Voraussetzungen einer der in § 71 AktG geregelten Ausnahmetatbestände erfüllt sind. Dies ist für die im Einzelnen in Betracht kommenden Instrumente jeweils gesondert zu betrachten. Lutter/Drygala halten den Erwerb von Optionsscheinen durch betreffende Gesellschaft allg. für zulässig; differenzierend(er) Butzke, WM 1995, S. 1389 (1390); Mick, DB 1999, S. 1201f.; Paefgen, AG 1999, S. 67 (70ff.)).
Rn. 91
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
In Betracht kommt zunächst der Erwerb von Optionen durch betreffende AG/KGaA/SE. Beim Erwerb von Aktien kommt dabei der Erwerb von Call-Optionen in Betracht, die der Gesellschaft das Recht geben (aber nicht die Verpflichtung auferlegen), eine bestimmte Zahl von Aktien zu einem vorher vereinbarten Preis von der anderen Partei zu erwerben. Da die Gesellschaft nicht zum Erwerb verpflichtet ist, greift § 71 AktG nicht ein. Damit kann eine AG/KGaA/SE das Risiko einer Verteuerung der Aktien absichern, z. B., wenn die Aktien erst später für die Bedienung eines Aktienoptionsplans benötigt werden (vgl. ausführlich zu den Erwerbsgründen Mick, DB 1999, S. 1201 (1202f.)). Will die Gesellschaft die Optionen ausüben, so ist darauf zu achten, dass einer der zulässigen Erwerbsgründe des § 71 AktG sowie die übrigen Voraussetzungen für den Erwerb vorliegen. Der Erwerb von Call-Optionen erscheint damit wirtschaftlich nur in denjenigen Fällen sinnvoll, in denen betreffende Gesellschaft zulässigerweise auch eigene Aktien erwerben kann. Kritisches Augenmerk ist dabei v.a. auch auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu richten. Bei börsennotierten Calls erscheint dieser gewahrt. Bei einer Veräußerung von Aktien kommt dagegen der Verkauf von Call-Optionen in Betracht. Als Stillhalter ist die Gesellschaft in diesem Fall verpflichtet, die von ihr gehaltenen Aktien bei Ausübung der Optionen durch die andere Partei zu einem im Voraus festgelegten Preis zu veräußern. Mit der Veräußerung der Call-Optionen hat die Gesellschaft sich damit der freien Verfügung über die Aktien begeben. Die Veräußerung von Calls ist damit nur in den Fällen zulässig, in denen die damit verbundene Veräußerung i. R.d. § 71 AktG bzw. eines darauf gestützten HV-Beschlusses zulässig ist. Paefgen (AG 1999, S. 67 (71)) stellt i. d. S. lediglich darauf ab, ob der Einsatz von Calls und Puts den Anforderungen an den Verwässerungsschutz genügt.
Rn. 92
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Umgekehrt kommt der Erwerb von Put-Optionen in Betracht, um bereits zurückerworbene Aktien zu einem späteren Termin wieder zu veräußern. Eine AG/KGaA/SE erhält damit das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist oder zu einem bestimmten Termin (bereits von ihr gehaltene) Aktien zu einem vereinbarten Preis zu veräußern. Da die Entscheidung über die Veräußerung der Aktien nach wie vor bei betreffender Gesellschaft liegt, ist der Erwerb von Put-Optionen unbedenklich. Die Ausübung von Puts ist jedoch nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen des § 71 AktG für die Veräußerung vorliegen. Handelt es sich um börsennotierte Optionen, dürfte die Veräußerung in Ausübung von börsennotierten Puts einer Veräußerung von Aktien über die Börse gleichzustellen sein. In allen anderen Fällen bedarf es einer besonderen Ermächtigung über die HV. Im Hinblick auf das Verbot des Handels in eigenen Aktien wird der Einsatz von Puts aber stets nur in engen Grenzen zulässig sein. Kritisch erscheint die Veräußerung von Put-Optionen. Sie kommt lediglich für den Erwerb von Aktien in Betracht. Damit müssen bereits im Zeitpunkt der Veräußerung der Puts die Voraussetzungen für den Erwerb der Aktien vorliegen. Bezüglich des Gleichbehandlungsgrundsatzes erscheint die Veräußerung von Puts lediglich zulässig, wenn diese über die Börse erfolgt. Die andere Vertragspartei wird die Puts aber nur bei sinkenden Börsenkursen ausüben. Damit erwirbt die Gesellschaft die Aktien zu einem Preis über dem Marktpreis. Dies erscheint hinsichtlich der Anforderungen des § 71 AktG, insbesondere § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, bedenklich (Mick (DB 1999, S. 1201 (1203)), der darauf abstellt, ob die Gesellschaft ihre Position möglicherweise durch ein anderes Rechtsgeschäft glattstellen kann, hält Optionen grds. für zulässig und § 71 AktG für nicht einschlägig. Paefgen (AG 1999, S. 67 (70ff.)) stellt wiederum nur darauf ab, ob die Regeln über den Verwässerungsschutz eingehalten worden sind. Johannsen-Roth (ZIP 2011, S. 407ff.) hält dabei alle genannten Formen von Derivaten für zulässig). In praxi werden Call- und Put-Optionen vielfach kombiniert. Ist eine solche Kombination beabsichtigt, wäre es empfehlenswert, diese Möglichkeit im Ermächtigungsbeschluss der HV ausdrücklich aufzuneh...